Amtsinstruktion


Amts-Instruktion[1]
für die Staatsbehörden des souveränen Fürstenthums Liechtenstein

vom 26. September 1862[2]

 

Erstes Hauptstück
1. Abschnitt:
Das Landgericht

§ 1
Das Landgericht ist die unterste landesfürstliche Behörde im Fürstenthume, in allen nicht ausdrücklich einer andern Behörde vorbehaltenen Verwaltungs- und Justizgeschäften.

§ 2
Die Leitung der Geschäftsführung des Amtes liegt einem Landrichter ob, der auch für die gesammte Geschäftsführung verantwortlich bleibt.

§ 3
Ihm untersteht das übrige Amtspersonale des Landgerichtes, und er übt die Disciplinargewalt über dasselbe.

In Verhinderungsfällen wird die Stelle des Landrichters von dem im Range nächstfolgenden Conceptsbeamten versehen.

§ 4
Jeder Beamte ist verpflichtet, sich den vom Amtsvorsteher zugewiesenen Amtsgeschäften zu unterziehen, und bleibt für seine Amtshandlungen verantwortlich, soferne er nicht im Auftrage seiner unmittelbaren Vorgesetzten handelt.

§ 5
In Bauangelegenheiten, welche in den Wirkungskreis des Landgerichtes gehören, und eine technische Mitwirkung bedürfen, hat sich das Landgericht an den Landestechniker zu wenden, und derselbe hat dieser Aufforderung Folge zu leisten.

Dies gilt auch rücksichtlich des fürstlichen Forstamtes in jenen Fällen, wo dessen Gutachten oder Einschreiten benöthiget wird.

Der Kassenverwalter bleibt den Anforderungen des Landgerichtes nur in Angelegenheiten des Waisen- und Depositenamtes untergeordnet, und erhält vom Landgerichte blos in dieser Richtung Aufträge, dem Landrichter liegt aber ob, jede Vernachlässigung oder wahrgenommenen anderweitigen Mißbrauch in der Gebarung mit den öffentlichen Geldern ungesäumt der Regierung anzuzeigen.

§ 6
Das Amt eines Landrichters bedingt die absolvirten juridisch-politischen Studien, sowie die in Oesterreich mit gutem Erfolge zurückgelegten praktischen Staats- und Richteramtsprüfungen.

 

2. Abschnitt:
Wirksamkeit des Landgerichtes

a) Im Allgemeinen

§ 7
Zur Wirksamkeit des Landgerichtes gehört im Allgemeinen:

a) In Angelegenheiten der politischen Verwaltung: Die unmittelbare Sorge für die Vollziehung der Gesetze, für die Aufrechthaltung der Sicherheit, der öffentlichen Ordnung und für die Förderung des Gemeinwohles.

b) In Angelegenheiten der Justizpflege: Die Zivilgerichtsbarkeit in und außer Streitsachen nach den Bestimmungen der Jurisdictionsnorm und den einschlägigen nachträglichen Verordnungen, weiters die Strafgerichtsbarkeit in erster Instanz über alle Verbrechen, Vergehen und Übertretungen.

c) In Kassenangelegenheiten: Für die gehörige kassenmäßige Verrechnung des Waisenvermögens, sowie der gerichtlichen und politischen Depositen zu sorgen.

b) Insbesondere

1. In Angelegenheiten der politischen Verwaltung

§ 8
Das Landgericht sorgt für die gehörige Kundmachung der Gesetze und der zur Verlautbarung bestimmten behördlichen Anordnungen nach Maßgabe der bestehenden Vorschriften und der erhaltenen höheren Aufträge.

§ 9
Das Landgericht hat zu wachen, daß Verletzungen der Person und des Eigenthums vorgebeugt und bei vorfallenden Beschädigungen dem Umsichgreifen des Schadens Einhalt gethan, den Bedrängten die möglichste Hilfe geleistet und die Gesetzübertretungen zur Untersuchung und Bestrafungen gebracht werden.

Zu diesem Behufe steht es dem Landgerichte zu, die Gemeindeorgane zur schuldigen Mitwirkung zu veranlassen und über die bestehende Landespolizeiwache zu verfügen.

§ 10
Bei beabsichtigten Sammlungen oder Nothstandsabhilfen wendet sich das Landgericht an die Regierung.

§ 11
Bei gewaltsamen oder in böser Absicht vorgenommenen Besitzstörungen hat das Landgericht Alles vorzukehren, damit die öffentliche Ordnung erhalten, und jeder weitere Angriff hintangehalten werde, vorbehaltlich des gerichtlichen Einschreitens über die vorgekommenen Besitzstörungsklagen.

§ 12
In Angelegenheiten, welche die Landescultur (Ackerbau, Forstwesen, Jagd und Fischerei) betreffen, überwacht das Landgericht in den einzelnen Gemeinden die Aufrechthaltung der bestehenden Vorschriften, vollzieht die von der vorgesetzten Behörde erhaltenen Weisungen und entscheidet in vorkommenden Fällen in erster Instanz, wenn die Entscheidung nicht zum gerichtlichen Wirkungskreise gehört, oder nicht ausdrücklich der höheren politischen Behörde vorbehalten ist.

§ 13
Das Landgericht sorgt nach Maßgabe der ihm zugegangenen höheren Weisungen für die Instandhaltung der Gemeindewege und Brücken.

§ 14
Dem Landgericht steht zu: Die Verleihung von Handels- und Gewerbsbefugnissen in erster Instanz, soferne die Ertheilung bestimmter Gewerbs- und Handelsrechte nicht der Regierung vorbehalten ist, ferner die Entscheidung bei unbefugter Gewerbsausübung oder mangelnder Concession, endlich die Vidirung der Salzscheine.

§ 15
Das Landgericht hat die Entscheidung in Gemeindezuständigkeits-Angelegenheiten, vidirt die von den Ortsvorständen ausgefertigten Heimatscheine, und stellt die politischen Eheconsense über Einvernehmen der Gemeindevorsteher aus.

§ 16
Das Landgericht genehmigt Grundzerstückelungen, bewilligt öffentliche Versteigerungen und sorgt für die genaue Erfüllung der in dieser Beziehung bestehenden Vorschriften.

§ 17
Das Landgericht trifft alle Maßregeln, welche in Angelegenheiten der Polizeiverwaltung durch Gesetze oder Weisungen der Regierung angeordnet werden, oder welche es innerhalb seines Wirkungskreises selbst zu verfügen hat.

Es vollführt diese Maßregeln entweder unmittelbar oder mit Zuhilfenahme der dazu besonders berufenen Organe (Sanitäts-, technische, Gemeindeorgane und die Sicherheitswache).

§ 18
Das Landgericht übt das unmittelbare Aufsichtsrecht über das Press- und Zeitungswesen, sowie über die Vereine innerhalb der gesetzlichen Bestimmungen.

§ 19
Das Landgericht handhabt die Vorschriften in Beziehung auf die Heilighaltung der Sonn- und Feiertage und die Hintanhaltung von Religions- und Gottesdienststörungen.

§ 20
Das Landgericht übt innerhalb seines Wirkungskreises die Fremdenpolizei, trägt für die gehörige Führung der Fremdenbücher in den Gasthäusern Sorge, fertigt die Wanderbücher und Reiseurkunden aus, nimmt die Ausweisung und Abschiebung von bedenklichen erwerbslosen Individuen in ihre Zuständigkeitsgemeinden vor, und ergreift die geeigneten Maßregeln zur Minderung des Bettelns.

§ 21
Das Landgericht handhabt die Sittlichkeitspolizei und ertheilt die Musiklicenzen, sowie die Bewilligung zu Productionen.

§ 22
Das Landgericht ist verpflichtet für die Reinlichkeits- und Strassenpolizei zu sorgen und die Aufrechthaltung der diesfalls bestehenden Einrichtungen in den einzelnen Gemeinden zu überwachen.

§ 23
Das Landgericht vollzieht die in Betreff der Fabriksarbeiter und Dienstboten erforderlichen auf das Gesindewesen bezughabenden Vorschriften.

§ 24
Dem Landgericht liegt die Handhabung der Feuer- und Baupolizei ob; in dessen Wirksamkeit gehört ferners die Ausübung der Markt- und Gewerbepolizei, sowie die Handhabung der Sanitäts- und Zimentirungsvorschriften.

Es besorgt endlich auch die Assekuranzgeschäfte des Landes.

§ 25
Das Landgericht entscheidet in erster Instanz, wenn sich Jemand wegen Maßregeln oder Verfügungen beschwert, die in Ausübung der Polizei von einem Gemeindevorsteher oder Polizeiorgane getroffen werden.

§ 26
Das Landgericht verhandelt und entscheidet bei Verletzung polizeilicher Vorschriften und Einrichtungen, insofern dieselben nicht der strafrichterlichen Wirksamkeit vorbehalten sind, oder nicht ausdrücklich einer andern Behörde zugewiesen werden.

§ 27
Dem Landgericht liegt die Einhebung der Schulversäumnißstrafgelder ob.

§ 28
Das Landgericht unterstützt und belehrt die unterstehenden Gemeinden in der Handhabung der gesetzlichen Bestimmungen und Einrichtungen, und bringt nöthigenfalls die ihm zustehenden Zwangsmittel bei der Durchführung zur Anwendung. Reichen die ihm zu Gebote stehenden Mittel zur Aufrechthaltung der Ruhe und Sicherheit oder zum Vollzuge der Gesetze und Verordnungen nicht aus, so hat sich das Landgericht wegen weiterer Verfügung an die Regierung zu wenden.

2. In Angelegenheit der Justizpflege

§ 29
Dem Landgerichte kommt die Strafgerichtsbarkeit in erster Instanz, die Untersuchung, Verhandlung und Entscheidung im vollen Umfange über Verbrechen, Vergehen und Übertretungen zu.

Die Urtheilssprechung über Verbrechen hat nach den bisherigen Normen zu geschehen. Auch der gesammte Militärkörper untersteht in gemeinen Verbrechen und Übertretungen dem allgemeinen Strafgesetze und dem Landgerichte; jedoch hat bei der Urtheilssprechung wider Offiziere der Landesverweser, bei der Mannschaft vom Feldwebel abwärts aber der Contingents-Commandant mit Sitz und Stimme in das Richter-Collegium einzutreten.

§ 30
Der Wirkungskreis des Landgerichtes in Beziehung auf die Zivilgerichtsbarkeit in und außer Streitsachen wird durch die Jurisdictionsnorm und die Vorschriften zu deren Ausführung bestimmt.

§ 31
Die Besorgung der Grundbuchsgeschäfte obliegt gleichfalls dem Landgerichte.

3. In Kasseangelegenheiten

§ 32
Das Landgericht überwacht die kassenmäßige Verrechnung des Waisenvermögens, dann der gerichtlichen und politischen Depositen, und hat dessen Amtsvorsteher die Mithaftung für die ordnungsmäßige Gebarung von Seite der Landeskassenverwaltung mit den betreffenden Geldern. Die Obliegenheiten des Kassenverwalters werden durch eine besondere Kasseninstruction normirt.

§ 33
Das Landgericht theilt der Kassenverwaltung die ausgefertigten Salzscheine, Musiklicenzen und Gewerbsconzessionen, sowie die Eheconsense zur Gebührenbemessung mit.

§ 34
In Absicht auf die Verrechnung der Stämpelvorräthe, dann auf die Bemessung und Einhebung der Taxen von Rechtsgeschäften, Urkunden, Schriften und Amtshandlungen benimmt sich das Landgericht und die Landeskassenverwaltung theils nach den bereits bestehenden Vorschriften, theils nach den besonderen von der Regierung erhaltenen Weisungen.

Zweites Hauptstück

1. Abschnitt:
Die Regierung

§ 35
Die Regierung ist die Verwaltungsbehörde im Fürstenthume und hat ihren Amtssitz zu Vaduz und alle Geschäfte zugewiesen, welche auf die Ausübung der landesherrlichen Regierungsrechte, auf die Landesverfassung, auf die Leitung der Unterbehörden und auf die Gesetzgebung sich beziehen.

§ 36
Die Regierung besteht aus dem Landesverweser, zwei Landräthen und einem Secretär. Ihr unterstehen ferners der Landeskassen-Verwalter, der Landesphysikus, der Schulrath, der Landestechniker, der Landesforstbeamte und der Landesthierarzt.

Der Landesverweser, Kassenverwalter, Landesphysikus, dann der Forstbeamte und der Secretär sind bleibend angestellte landesfürstliche Beamte; die beiden Landräthe wählt der Fürst auf die Dauer von 6 Jahren aus der zur Landesvertretung wahlfähigen Bevölkerung des Fürstenthumes.

Der Schulrath wird über Vorschlag des Landesverwesers vom Fürsten aus der hierländigen Geistlichkeit ernannt.

§ 37
Das Amt der Landräthe und jenes des Schulrathes berechtigen zu keinen fixen Bezügen, sondern dieselben erhalten für die Tage ihrer ämtlichen Functionen aus dem Landesfonde Taggelder in derselben Höhe wie die Mitglieder des Landrathes.

Die übrigen Beamten beziehen Gehalte theils aus der Landeskasse, theils aus den f. Renten.

§ 38
Der Regierung sind alle übrigen im Fürstenthume bestehenden Behörden, Ämter, andere Organe und öffentlichen Anstalten untergeordnet. Sie hat denselben innerhalb des zugewiesenen Wirkungskreises oder in Vollziehung landesherrlicher Befehle, Belehrungen und Aufträge zu ertheilen, von ihnen Berichte und Anzeigen zu empfangen.

§ 39
Die Regierung untersteht in Absicht auf die Gegenstände der politischen Verwaltung und der Landesvertretung, dann in allen Personalangelegenheiten unmittelbar dem Landesfürsten.

§ 40
In Justizangelegenheiten übt sie eine überwachende Amtswirksamkeit aus und hat in dieser Eigenschaft auch den Vollzug der obergerichtlichen Weisungen zu überwachen.

2. Abschnitt:
Wirkungskreis des Landesverwesers

§ 41
Der Landesverweser ist Chef der Regierung und übt überdies diejenige Amtswirksamkeit aus, die ihm persönlich als Landesverweser anvertraut ist.

§ 42
Er besorgt die Geschäfte, welche ihm unmittelbar vom Fürsten oder in Angelegenheiten der Domänenverwaltung von der fürstl. Hofkanzlei in Wien übertragen werden und genießt bei öffentlichen Feierlichkeiten die dem Repräsentanten des Landesfürsten vorschriftmäßig zustehenden Vorzüge.

§ 43
Der Landesverweser führt die oberste Leitung der Polizei im Fürstenthume. Er hat seine Aufmerksamkeit auf Alles zu richten, was sich auf die Erhaltung der Ruhe, Ordnung und Sicherheit im Lande bezieht. Er hat dafür zu sorgen, dass vom Landgerichte die geeignetsten Maßregeln ergriffen werden, um jede Störung der öffentlichen Ruhe zu verhindern.

Dort, wo er es für nothwendig erkennt, persönlich einzuschreiten, sind das Landgericht und die Sicherheitsorgane zur pünktlichen Ausführung der von ihm getroffenen Anordnungen verpflichtet.

Auch ist es die Pflicht des Landesverwesers, alle wichtigen Wahrnehmungen und Vorfälle im Fürstenthume zur Kenntnis des Landesfürsten zu bringen.

§ 44
Dem Landesverweser steht insbesondere die Überwachung der Handhabung der Preßvorschriften durch das Landgericht, die Bewilligung zur Errichtung von Vereinen, von Buchdruckereien zu.

§ 45
Der Landesverweser beeidet die neuernannten Beamten und Bediensteten der Regierung und des Landgerichtes, er ertheilt denselben Urlaub bis auf die Dauer von 14 Tagen und führt gegen sie vorkommenden Falls die Disciplinar-Untersuchungen ab.

§ 46
Der Landesverweser übt die Oberaufsicht über das Militär-Contingent im Lande, sowie die Disciplinar- und Strafgewalt über die angestellten Offiziere wegen verschuldeter Disciplinar-Übertretungen oder nicht gemeinen Verbrechen nach den Vorschriften über die Strafrechtspflege für das Militär-Contingent. In jedem Falle der Einleitung einer solchen Untersuchung wider einen fürstl. Offizier ist jedoch ohne Verzug die Anzeige an den Landesfürsten zu erstatten und die weitere Weisung einzuholen. Bei gemeinen Verbrechen und Übertretungen unterstehen aber die Offiziere gleich der Mannschaft vom Feldwebel abwärts den allgemeinen Zivilstrafgesetzen und Gerichten.

§ 47
Der Landesverweser besorgt jene Geschäfte, die ihm persönlich vom Fürsten zur Vertretung der Landesinteressen gegenüber fremden Staaten übertragen werden.

§ 48
Der Landesverweser vertritt die Regierung bei den Landrathsitzungen, er fungirt auch in der Regel als l. f. Commissär bei der Eröffnung und beim Schlusse der Landtagssessionen.

§ 49
Der Landesverweser überwacht den gesetzmäßigen und ununterbrochenen Geschäftsgang des Landgerichtes sowohl in administrativer als judicieller und strafgerichtlicher Beziehung

§ 50
Der Landesverweser ist endlich auch mit der Beaufsichtigung der gehörigen Verwaltung der Domänen betraut und es liegt ihm ob, sich diesfalls nach den bestehenden Regievorschriften und nach den speciellen Weisungen der Hofkanzlei zu benehmen.

3. Abschnitt:
Wirkungskreis der Regierung

§ 51
Die Regierung unterhält die Korrespondenz in auswärtigen Angelegenheiten mit den fremden Staaten und besorgt insbesondere die Geschäfte mit dem deutschen Bunde, insoferne diese Gegenstände sich zu einer Begutachtung eignen und nicht die Aufstellung und Instruirung der Gesandten betreffen.

§ 52
Die Regierung hat für die Herausgabe des Landesgesetzes zu sorgen und auf die genaue Handhabung und Befolgung der Gesetze und Vorschriften zu dringen.

§ 53
Die Regierung entscheidet in höherer Instanz in allen Angelegenheiten ihrer Wirksamkeit, worüber das Landgericht oder ein anderes ihm unterstehendes Amt entschieden hat.

§ 54
Die Regierung übt in Lehrangelegenheiten den ihr durch gesetzliche Bestimmungen eingeräumten Einfluß aus.

§ 55
Ihr ist die Untersuchung und Entscheidung über vorkommende Anmaßungen von Adelsgraden oder von Titeln zugewiesen.

§ 56
Die Regierung ist ermächtiget, für die durch Elementarereignisse beschädigten Bewohner der Fürstenthumes Sammlungen einzuleiten und auswärtigen verunglückten Gemeinden im Umfange des Liechtenstein’schen Gebietes Sammlungen zu gestatten.

§ 57
Die Regierung hat die Landesgrenzen zu überwachen und bei wahrgenommenen Aenderungen an dem Grenzflusse die Erhebungen zu pflegen und weiter Amt zu handeln.

Dasselbe hat zu geschehen, wenn Grenzzeichen hinweggenommen oder verrückt werden.

§ 58
Die Regierung berathet und beschließt die erforderlichen Maßregeln zur Hintanhaltung und Milderung des Nothstandes.

§ 59
Die Regierung hat die untergeordneten Ämter und Organe zu belehren und zurechtzuweisen, und dieselben in der Handhabung der Gesetze und Anordnungen zu unterstützen.

§ 60
Die Regierung verfügt und entscheidet in erster Instanz bezüglich jener Gegenstände, welche ihr ausdrücklich zur Vollziehung und Verwaltung zugewiesen sind.

§ 61
Die Regierung sorgt im ganzen Umfange des Fürstenthumes für die Herstellung und Instandhaltung der Landstraßen und Brücken.

Auch steht ihr die Beaufsichtigung der Wasserwerke, als: der Mühlen, Holzrechen etc. etc., damit die Oberleitung der Rhein- und Rüfeschutzbauten, wie nicht minder die Ueberwachung ihres Einflusses auf Ufer und Gewässer nach Maßgabe der bestehenden Vorschriften zu.

Die Regierung beaufsichtigt die Entwässerungsarbeiten und entscheidet in jenen Fällen, welche nicht civilrechtlicher Natur sind.

§ 62
Die Regierung erkennt über die Nothwendigkeit der Durchführung von Expropriationen und entscheidet über die in Ansehung des Gegenstandes und Umfanges derselben sich ergebenden Streitigkeiten.

§ 63
Die Regierung ermittelt die Concurrenzpflicht in jenen Fällen, in welchen die Kosten für Straßen, Wasserbaulichkeiten und andere öffentliche Anstalten auf ganze Gemeinden oder mehrere Beitragspflichtige umzulegen kommen.

Bei Bauführungen, die auf Kosten des Landesfondes oder durch Umlegung auf zwei oder mehrere Gemeinden stattzufinden haben, liegen der Regierung die mit der Ausführung verbundenen administrativen und technischen Amtshandlungen ob.

§ 64
Im Betreff der Bauführung für Kirchen und Pfrundgebäude, in Betreff der Herstellung von Friedhöfen u. dgl. hat die Regierung die vorschriftmäßigen Verhandlungen nach Umständen im Einvernehmen mit dem bischöflichen Ordinariate zu pflegen, und entweder die Bauprojekte anzufertigen und die Bauführung anzuordnen, soferne einer Gemeinde oder Körperschaft oder einem Privaten die Baulast obliegt, oder die Anfertigung derselben im Wege der f. Hofkanzlei einzuleiten, und die Genehmigung der Bauführung beim Landesfürsten zu erwirken, soferne es sich um Baulichkeiten auf l. f. Patronaten handeln sollte.

§ 65
Die Regierung entscheidet auch über die Anwendung der bestehenden Concurrenzgesetze auf jede derlei Bauführung und erwirkt vom Fürsten die Beitragsleistung, sobald hiebei die f. Renten in Anspruch genommen werden.

Nach denselben Grundsätzen ist bei Concurrenzverhandlungen über die Einrichtung und sonstigen Erfordernisse für Kirchen, Leichenhöfe etc. vorzugehen.

§ 66
Die Regierung erkennt über die Nothwendigkeit von Bauführungen an Schulgebäuden, verfaßt die Baupläne, entscheidet über die Bauconcurrenz und sorgt für die Beischaffung der nöthigen Schuleinrichtung und Schulrequisiten.

§ 67
Die Regierung nimmt die Volkszählung vor, besorgt die Rekrutirungsgeschäfte und leitet die Urlaubs- und Militärentlassungs-Einschreiten mit den geeigneten Anträgen an den Landesfürsten.

Nach Maßgabe der militärischen Dispositionen und der höchsten Anordnungen sorgt die Regierung für die Verpflegung und Bequartirung des Contingentes.

§ 68
Die Regierung führt die Oberaufsicht über die im Fürstenthume bestehenden oder in’s Leben tretenden Humanitätsanstalten und öffentlichen Institute, auch liegt derselben bei geistlichen und weltlichen Stiftungen die Verpflichtung ob, das Aufsichts- und Tutelrecht des Staates zu üben, insoferne ihr Einfluß nicht durch ausdrückliche Bestimmungen der Stiftbriefe beschränkt ist.

§ 69
In Absicht auf geistliche Angelegenheiten steht der Regierung zu:

1. Die Einleitung der nöthigen Vorverhandlungen mit dem bischöfl. Ordinariate zur Wiederbesetzung erledigter Pfründen;

2. die Leitung der Pfarrerwahl in jenen Gemeinden, wo diesen vertragsgemäß das Präsentationsrecht ihres Seelsorgers zusteht;

3. die Erwirkung der Präsentation von Seite des Fürsten bei erledigten l. f. Pfründen;

4. die Umpfarrung einzelner Ortschaften im Einverständnisse mit der bischöflichen Curie;

5. die Entscheidung über Streitigkeiten in Betreff des Einkommens der Pfarrer, Curaten, Hofkapläne und Vikare:

6. die Antragstellung über Gesuche von geistlichen Orden und Corporationen zur Niederlassung im Fürstenthume;

7. die Austragung der von den Brautleuten gegen die Verweigerung der Trauung überreichten Beschwerden;

8. die Ertheilung von Aufgebots-Dispensen, der Dispens von Ehehindernissen und von der gesetzlichen Wittwenfrist zur Eingehung einer neuen Ehe nach Maßgabe der bestehenden Vorschriften.

§ 70
Die Regierung leitet und überwacht alle Angelegenheiten des Unterrichtes, sie ernennt den Schulcommissär und die Lehrer, entscheidet über die Lehrerbezüge und führt die Disciplinaruntersuchungen wider das Lehrerpersonale ab. Die Entlassung eines definitiv angestellten Lehrers bleibt dem Landesfürsten vorbehalten.

Die Regierung ertheilt die Schulbesuchsdispensen.

§ 71
Zum Wirkungskreise der Regierung gehört auch die Obsorge für die Armenpflege nach den bestehenden Einrichtungen und Gesetzen, ferners die Überwachung und Anhaltung der Gemeinden zur Erfüllung ihrer diesfälligen Verpflichtungen.

§ 72
In Betreff der Sanitätspolizei hat die Regierung

a) die nöthigen Vorkehrungen zu treffen, welche bei Epidemien, Seuchen oder zur Wahrung des öffentlichen Gesundheitszustandes überhaupt erforderlich sind;

b) die ärztlichen Organe in ihrer Pflichterfüllung zu überwachen;

c) die Geburtshilfe und das Impfwesen zu beaufsichtigen.

§ 73
Die Regierung ertheilt die Auswanderungsbewilligungen und stellt über Einschreiten um Verleihung der Liechtenstein’schen Staatsbürgerschaft beim Landesfürsten die entsprechenden Anträge.

§ 74
Die Regierung überwacht, unterstützt und belehrt die Gemeinden nach Maßgabe der Gesetze in der Verwaltung der Gemeindeangelegenheiten, auch entscheidet sie in den auf die Gemeindevermögens-Verwaltung Bezug habenden Gegenständen.

§ 75
Die Regierung leitet die Gemeindewahlen der Ortsvorsteher, bestätiget die Wahl der Gemeindeorgane und beeidet dieselben.

§ 76
In Gewerbs- und Handelssachen gehört zum Wirkungskreise der Regierung

1. die Ertheilung der Befugnisse von Ziegel-, Kalk- und Gypsbrennereien, dann die Feststellung der Wochen- und Jahrmärkten;

2. die Ertheilung von Hausirbewilligungen;

3. die Verhandlungen und die Entscheidung über Gesuche um Errichtung von Mühlen und anderen durch Wasser oder Dampfkraft betriebenen Gewerbsunternehmungen;

4. die Ertheilung von Fabriksbefugnissen.

§ 77
Die Regierung amthandelt in Angelegenheiten des Jagdregales und fertigt die Jagdkarten aus.

§ 78
Dieselbe beaufsichtigt die im Fürstenthume bestehenden Gemeinde- und Privatforste und handhabt die wegen rationeller Bewirthschaftung der Waldungen bestehenden Vorschriften.

§ 79
Der Regierung obliegt die Anregung und Ausführung der geeigneten Maßregeln zur Hebung der Agricultur, der Alpenwirthschaft und der Viehzucht im ganzen Fürstenthume.

§ 80
Die Regierung entscheidet in erster Instanz in Zehentangelegenheiten und über das Fischereirecht.

§ 81
Die Regierung verwaltet den Landesfond und die übrigen bei der Landeskassa in Verwahrung befindlichen öffentlichen und Stiftungsfonds-Capitalien mit Inbegriff der landschaftlichen Sparkassa.

Ausgenommen bleiben nur die Waisen- und Depositengelder, deren gesetzmäßige Verrechnung nach § 31 vom Landgerichte überwacht wird.

§ 82
Die Regierung ertheilt mit Rücksicht auf das höchsten Orts genehmigte Präliminare die Bewilligung zur Ausführung öffentlicher Bauten, weiset die den Gemeinden gebührenden Unterstützungsgelder an, und bestimmt für außerordentliche unaufschiebbare Fälle die im Budget nicht fürgedachten Auszahlungen aus der Landeskasse.

§ 83
Der Regierung kommt die Ausschreibung und Einhebung der l. f. Steuern nach Maßgabe des bewilligten Voranschlages und der bestehenden gesetzlichen Bestimmungen zu.

§ 84
Die Regierung entwirft das jährliche Präliminare über die Staatseinnahmen und Ausgaben, und bereitet die Gesetzentwürfe und Gutachten vor, welche der Landesvertretung zur Berathung zu unterlegen kommen.

§ 85
Die Regierung unterbreitet endlich die vom Landrathe in der abgelaufenen Sitzungsperiode gefaßten Beschlüsse und Anträge berichtweise an den Landesfürsten.

4. Abschnitt:
Geschäftsbehandlung der Regierung

§ 86
Die Verhandlung der Geschäfte bei der Regierung theilen sich in diejenigen, welche im Rathe, und in jene, welche außer dem Rathe gepflogen werden.

§ 87
In der Regel sind alle wichtigeren, der Regierung zur Behandlung zugewiesenen Angelegenheiten in der Rathsitzung zum Vortrage zu bringen.

Das Rathsgremium hat zu bestehen: Aus dem Landesverweser als Vorsitzenden, aus den zwei Landräthen als Votanten, und aus dem Sekretär als Protocollführer.

Außerdem haben der Schulrath, Landestechniker, Kassenverwalter, Landesphysikus Landesthierarzt oder der Forstbeamte als Referenten oder Sachverständige mit berathender Stimme in den Fällen einzutreten, wenn einschlägige Gegenstände aus dem Schulfache oder aus dem Medicinal-, Bau-, Kassen- und Forstwesen zur Berathung gelangen.

§ 88
Die Beschlüsse über Gegenstände, welche in der Rathssitzung zum Vortrage gebracht wurden, werden nach der Majorität der Stimmen gefaßt.

§ 89
Damit aber der Gang der Geschäfte überhaupt nicht planlos vervielfältigt und nachtheilig verzögert werde, sollen die laufenden Tagessachen nicht bis zum Sitzungstage aufgeschoben, sondern vom Landesverweser sogleich erledigt werden. Unter laufenden Tagessachen sind alle Gegenstände zu verstehen, welche an sich unwichtig sind oder ihre Abfertigung schon in den bestehenden Verordnungen finden, oder bloße präparatorische Verfügungen, wodurch noch Berichte abverlangt, Beweise gefordert, commissionelle Erhebungen gepflogen oder Bestimmungen getroffen werden, die vorbehaltlich der endlichen Erledigung nur den Zustand festsetzen, in welchem die Sache bis zur erfolgenden definitiven Entscheidung verbleiben soll.

5. Abschnitt:
Anhang

§ 90
Der Landesverweser als Chef der Regierung ist verantwortlich:

1. Für den Zustand der Geschäftsführung bei der Regierung und den ihm untergeordneten Ämtern und Organen;

2. Für die zweckmäßige Führung der ihm übertragenen Geschäftsleitung und für die eifrige entsprechende Ausübung der ihm anvertrauten Amtsgewalt.

Die Dienstesobliegenheiten des Landesverwesers in seiner bisherigen Eigenschaft als Leiter der fürstlichen hierländigen Domänenverwaltung werden durch diese Amtsinstruction nicht berührt, und werden auch in der Folge nur durch besondere höchste Anordnungen nomirt.

Drittes Hauptstück

Fürstliche Hofkanzlei, der oberste Gerichtshof und die Fürstliche Buchhaltung

§ 91
Die fürstliche Hofkanzlei in Wien ist Recursinstanz über Entscheidungen der Landesregierung in Administrativ- und Finanzangelegenheiten, zugleich aber auch Appellationsgericht über die gerichtlichen Urtheile und Bescheide des Landgerichtes.

Dieselbe entscheidet gleichfalls in ihrer Eigenschaft als Appellationsgericht über schwebende Kompetenzconflicte zwischen den Administrativ- und Justizbehörden.

§ 92
Den obersten Gerichtshof für das Fürstenthum bildet dem bestehenden Uebereinkommen mit der kaiserlich österreichischen Regierung gemäß das Oberlandesgericht zu Innsbruck.

§ 93
Jene Gegenstände, welche von der Regierung verhandelt wurden, aber nach ihrer Natur der landesherrlichen Verfügung zu unterstellen sind, oder welche nach ihrer Wichtigkeit und dem Interesse des fürstlichen Hauses allein von der Entschließung des Landesfürsten abhängen, und welche zu einer unmittelbaren Verhandlung vor den Fürsten gehören, sind von der Regierung mittelst Bericht durch die fürstliche Hofkanzlei in Wien an den Landesfürsten zu leiten.

Zu diesen Gegenstände gehören vornehmlich:

1. Die Angelegenheiten des fürstlichen Hauses;

2. die auswärtigen Angelegenheiten, soferne es sich um die Aufstellung und Instruirung des Gesandten etc.etc. handelt;

3.die Anstellung und Beförderung der geistlichen und weltlichen Diener;

4. die Ertheilung von Belehnungen;

5. die landesherrlichen Dispensen;

6. die Gnadensachen und Strafnachlässe;

7. die Entsetzung und Bestrafung öffentlicher Beamten;

8. die Revision und Genehmigung allgemeiner Gesetze und Verordnungen;

9. die Ratification von zum Abschlusse gelangender öffentlicher Verträge;

10. alle Bestimmungen, welche verfassungsgemäss die Berathung durch die Landesvertretung bedingen.

§ 94
Die diesfälligen zur Ausfertigung gelangenden Resolutionen erhalten die eigenhändige Unterschrift des Landesfürsten.

Gesetzen und Verordnungen kömmt noch weiters die Gegenzeichnung des betreffenden im Sinne der Landesverfassung vom Fürsten bestimmten verantwortlichen Beamten beizufügen.

§ 95
Die Staatsrechnungen sind alljährlich der fürstlichen Buchhaltung zur ziffermässigen Prüfung zuzusenden; welche die erhobenen Bemänglungen der Regierung zur Erläuterung mitzutheilen, die Finalerledigung aber durch die Hofkanzlei dem Landtagsausschusse bekannt zu geben haben wird.

Die fürstliche Buchhaltung befindet sich zur Regierung im Verhältnisse der Coordinirung und tritt zugleich als Hilfsbehörde der Landesvertretung ein.

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[1] LI LA SgRV 1862/7. Die Amtsinstruktion bildete eine Beilage zur Verordnung vom 26. September 1862 betr. Organisation der obersten Verwaltungsbehörde und der Gerichte sowie die Trennung der Domänenverwaltung von der Landesverwaltung.

[2] Die Amtsinstruktion ist nicht datiert, die Datierung ergibt sich aber aus dem Datum der Verrodrndung betr. Organisation der obersten Verwlatungsbehörden etc. und der Verfassung vom 26. September 1862.