Landsöffnung bzw. Landsatzung


Landsöffnung [1]

Am 6.7.1614 in Vaduz, am 13.7.1614 in der Herrschaft Schellenberg verlesen [2]

Artikel und Gebot
jährlich bei der Amtsbesetzung den Untertanen vorzulesen.

Der Hochwohlgeborene Herr Herr Caspar Graf zu Hochen Embẞ, Gallara und Vaduz, Herr zu Schellenberg, Thorenbeuren, und des Reichshofs Lustnaw, Pfandherr zu Neuenburg, Frst. Dcht. Erzherzog Maximilians zu Oesterreich ezc. Rat, Kammerer und Vogt beider Herrschaften Bludenz und Sonnenberg etc. unser gnädiger Herr, als euere von Gott geordnete und vorgesetzte Obrigkeit, läßt männiglich gebieten:

Erstens. Weil eine jede gute Polizei (zur Verhütung des Bösen) Friede und Tröstung von Nöten hat, damit je einer bei dem anderen ruhig verbleiben möge, so wollen, setzen und ordnen Ihro Gnaden hochgedacht unser gnädiger Herr, daß solcher Friede und Tröstung, wie von alters her, unverbrüchlich gehalten und die Übertreter hiernach folgender Gestalt gestraft werden sollen.

Nämlich, wer den Frieden mit Worten brechen würde P. 10 Pfund Pfennig
Mit tätlicher Hand P. 40 Pfund Pfennig
Glied- oder Beinschroten, bei dem Leben und Haupt.
Todtschlag, wie ein Mörder.

Jedoch hochgemeldetem unserem gnädigen Herren, Ihro Gnaden Tax und Mäßigung hierin vorbehalten.

Welcher oder welche auch solchen Frieden und Tröstung versprechen (und selbe nicht halten[3]), desgleichen auch jene, die sie versagen und nicht geben wollten, von denen oder denselben soll fürderhin keine Tröstung mehr gegeben, noch genommen, sondern sie gefänglich eingezogen und in das Schloß Vaduz überantwortet werden, wozu Jeder, der unserem gnädigen Herrn mit Eid verpflichtet ist, verholfen sein soll.

Für das andere: Die sich über solchen Frieden parteien, sollen in solchem Verbot gleichförmig verhaftet sein, nicht weniger auch diejenigen, die den verhandelten oder verwirkten Personen zu ihrem Abtritt[4]oder daß sie abgeschriebener maßen zu gefanglicher Haft nicht überantwortet werden sollen, Vorschub tut, beratet und beholfen sein (sollte).

Drittens, Nachdem von alters her, wenn etwa zwei oder mehrere in Uneinigkeit geraten und zur Wehr gegriffen, daß Stechen unlöblich gehalten und bei hoher Strafe verboten worden, so wollen Ihro Gnaden ebenmäßig solchem alten Gebrauch nach geboten haben, daß jener, welcher den anderen steche, dieser dadurch verletzt, verwundet, oder gar entleibt würde, an Ehr und Gut, Leib oder Leben, je nach gestaltsame des Verbrechens gestraft werde.

4. soll niemand, Frauen- oder Mannespersonen, seine Kinder, die unter der Ruten, in väterlicher oder mütterlicher Gewalt und in vogtbaren Jahren sind, ohne besondere Bewilligung [von] Vater oder Mutter, derselben nächsten Vögte oder Verwandten, weder heimlich noch öffentlich verkuppeln oder Unterschlupf geben bei Strafe von 10 Pfund Pfennig.

Wenn sich aber eines oder das andere ohne Erlaubnis aus der Grafschaft verheiraten würde, gegen diese soll Ihro Gnaden sowohl die Leibeigenschaft, als die Strafe vorbehalten sein.

Desgleichen, wenn zwei Personen der Ehe halber einverständig vor die geistliche Obrigkeit zitiert und verlustig wurden, so soll der verlustige Teil unnachlässig gestraft werden.[5] P. 10 Pfund Pfennig

5. soll auch der Ehebruch, alle Unzucht und Hurerei verboten sein, bei Ihro Gnaden Höchster Ungnade und Strafe, je nach Gestaltsame der Sache und eines Jeden verdienen.

6. Welcher oder welche, sie seien jung oder alt, ihren armen Weib und Kindern, zu Abbruch ihres Aufenthaltes und zeitlicher Nahrung, tags und nachts in Wirtshäusern liegen oder sonst in Winkeln das ihrige verpraẞten oder verspielten, denselben Wirten, oder denen, die Platz und Aufenthalt hierzu geben oder sonst dazu Geld leihen und fürleihen würden, soll weder mit noch ohne Recht über fünf Pfund Pfennig nicht passiert noch gefolgt werden.[6]

Desgleichen auch, daẞ etliche ihren Weibern ihr zugebrachtes Heiratsgut ohne Vorwissen derselben oder der Obrigkeit verkaufen, versetzen oder sonst unnützlich verschwenden wollten, das soll fürderhin abgestellt und bei nicht nachläẞlicher Straf verboten sein.

Es soll auch zum 6. die Handhaft, Arrest und Verlegung durch Niemand gehandhabt werden, als durch den geschworenen Gerichtsweibel, es wäre denn, daẞ dieser nicht daheim sei, alsdann mag solches wohl durch einen Gerichtsmann, Geschworenen und anderen Biedermann im Fall der Not verrichtet werden, doch daẞ solches folgends dem Weibel förderlich angezeigt und durch ihn ratifiziert und bestätigt werde.

7. Nachdem auch den Untertanen vor der Zeit alles Ernstes aufgeladen worden, männiglich entweder um ihre Ansprüche und Schuldforderungen zu befriedigen, oder mit Gericht, Gant- und Pfandrechten jedem das seinige widerfahren zu lassen, daß sich darob billiger Weise niemand zu beschweren habe, diesem aber bisher wenig nachgelebt worden, daher die Benachbarten[7] nicht ersättigt, sondern teils unter euch mit fremden ausländischen Gerichten und großen Unkosten, der Herrschaft an dero Freiheiten zu merklichen Nachteil gesucht und belegt worden, diesem zu begegnen, soll einem jeden Untertanen und sonst eigenen und zugehörigen Leuten zu wissen und hiermit verboten sein, daß sich deren keiner mit Jemand, wer der sei, hiefür in einigen Kontrakt oder Handlung, wie dies geschehen möchte, anders nicht einlassen soll, als um Bargeld, oder auf hochgedacht unseres gnädigen Herrn Landrecht, Gericht und Gant, wie das ein jeder Untertan ihm solches bedingt vorbehalten und sich Ihro Gnaden Freiheiten keines wegs weder verzichten noch begeben soll.

Es sollen auch in der Kanzlei von dem Landschreiber dergleichen Schuld-, Zins oder andere Briefe, darin der Schuldmann aller Gnaden und Freiheiten sich begibt, zum wenigsten nicht errichtet und von keinem Gerichtsammann besiegelt werden.

Wer auch von kaiserlichem Landgericht in Schwaben oder zu Rankweil, Hofgericht zu Rottweil oder anderen fremden Gerichten gesucht oder geladen wird, es seien Weibs- oder Mannspersonen, die sollen sich mit ihren empfangenen Ladungen alsbald zu Ihro Gnaden bestelltem Landschreiber beider Graf- und Herrschaften Vaduz und Schellenberg verfügen, Geleit und Abforderung um die billige, allbereits bestimmte Taxe bei ihm erheben, dieselbe überschicken und sich damit von bemeldeten Land-, Hof- oder anderen fremden Gerichten „eximieren" und erledigen.

Welcher oder welche solches nicht täten, sondern hierinnen säumig oder fahrlässig erscheint, und sich von den Land-, Hof- und dergleichen fremden Gerichten nicht absondern, sondern in die Acht und Aberacht rechten lassen würde, dieselben sollen ohne Nachlaß, so oft es geschieht, abgestraft werden, jeder P. 3 Pfund Pfennig.

8. Weil die Untertanen von den Landstreichern, welschen Krämern, Keẞlern, Spenglern, Harzern u. dergleichen Personen, die nach dem Pfennig hantieren und dazu ihnen das ihrige, mit Weib, Kindern und Knechten abbetteln, höchlich beschwert sind, so gebieten Ihro Gnaden allen Untertanen, Manns- u. Weibspersonen, daẞ man dergleichen Leute gar nicht beherbergen, sondern sie in die Tafernen oder Wirtshäuser weisen solle, jedoch daß ein solcher Wirt oder Taferner sie länger nicht als eine Nacht beherbergen tue.

Den übrigen armen kranken Leuten aber soll männiglich die Werke der christl. Barmherzigkeit mitteilen, jedoch sie länger nicht als eine Nacht ohne Erlaubnis der Obrigkeit behalten.

Zum 9. ist die Herrschaft mit etlichen schädlichen Hunden beladen. Dieserwegen soll männiglich geboten und verboten sein, welcher oder welche fürderhin Hunde halten wollen, diese sollen [die Hunde] ohne Nachteil der Herrschaft an deren Wildbännen mit Ketten angelegt halten. Da wo Klage darüber vorkäme, soll der Übertreter um den erlittenen Schaden nach Beschaffenheit der Sache gestraft werden.

10. soll sich männiglich des Wassers der Esche am Eschnerberg mit Fischen und Krebsen, der Fischbäche und Brunnenflüsse vom Ursprung bis an und in die rechten Rheinstrangen des Fischens halber gar und gänzlich enthalten, auch aller Nebengräben, die Krebse inhaben, bei hoher Strafe und Ungnade.

Nämlich
des Baches und Brunnens zu Balzers,
zum anderen des Triesner Mühlbaches, der vor St. Wolfgang in selbigen Gießen herab rinnt,
drittens des Gieẞen, der seinen Ursprung vor dem Schwebel hat und genannt ist der Schwebelgieẞen
[8]  und aller anderen Nebenbäche, die vom Rheinfluẞ in diese rinnen, wodurch sie mit Fischen gespeist werden.

Fürs 11. sei männiglich das Schieẞen in Hölzern und Auen verboten bei Obrigkeitsstrafe.[9]

Schließlich: was von Altem her verboten und strafwürdig gewesen, aber der Kürze halber hierin nicht spezifiziert angezogen worden, als benanntlich wegen unfleißigen Kirchengehens und Anhörung des h. Göttlichen Wortes, unchristlichen Fluchens und Schwörens, überflüssigen Saufens und Fressens, auch unleidlichen Spielens Alter und Junger, das solle also verboten sein, als ob es hierin mit Worten ausgedrückt und benannt worden wäre.

Darnach wisse sich männiglich zu richten, vor Nachteil, Strafe und Schaden zu verhüten.

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[1] LI LA RA 22/1/01. Von Josef Ospelt normalisierte Textwiedergabe nach JBL 142, S, 13 ff. Ospelt schreibt dazu: „Die „Öffnung" von 1614 ist eine gut erhaltene Papierurkunde, halbbrüchig in guter Schrift geschrieben und wird nachstehend vollinhaltlich wiedergegeben, wobei die verhältnismäßig klare Satzstellung der Urschrift so gut als möglich beibehalten, die Rechtschreibung aber der heutigen angepaßt wird, letzteres mit Ausnahme der Orts- und Personennamen, die nach der Urschrift wiedergegeben sind.“ Im Landesarchiv liegen mehrere Fassungen der Landsöffnung bis Ende des 18. Jahrhunderts; vgl. dazu Landsöffnung von ca. 1781.
[2] Der Rückvermerk belegt, dass die Landsöffnung jeweils bei der Bestellung der Landammönner verlesen werden sollte:
„Öffnung Jährlich bey den Ambtsbesatzungen zu verlesen. In beeden Graf- vnd Herrschaften Vaduz vnd Schellenberg. Renoviert Anno 1614. Verlesen zu Vaduz Sontag den 6. vnd zu Schellenberg Sontag den 13. Juli Ao. 1614."
[3] Dieser Einsatz fehlt in der Urschrift, gehört aber zweifellos hieher. Vergl. hiezu den Wortlaut der Landsöffnung von etwa 1781.
[4] Abtritt: Flucht.
[5] Hier scheint es sich um Verfehlungen gegen die Pflichten in der Ehe zu handeln.
[6] Diese Bestimmung scheint sagen zu wollen, daẞ Zechschulden, die mehr als 5 Pfund Pfennig betragen, nur bis zu diesem Betrag gefordert werden dürfen.
[7] Bewohner benachbarter Gebiete.
[8] Hier offenbar später am Rand eingeschaltet: „den Schaaner Gieẞen, den Bach hinter dem Gulmen“.
[9] Hier folgt auf der linken leeren Spalte ein späterer Beisatz: „Es gebieten auch Ihro Gnaden, daẞ eine jede Gemeinde, als Balzers, Trvsen. Vaduz und Schan die Landstraẞe, so weit sie in ihren Zielen und Marken gelegen ist, in fleißigen Ehren erhalten, wie auch, wo von Nöten, die Sträucher daraus gehauen und weil sonderlich von Schan bis zum Schwabbrunnen allbereits von den Fuhrleuten und Durchreisenden Klagen eingehen, daẞ solches nicht lange angestellt werde und jeder Gemeindsgeschworene darauf zu halten habe.
Desgleichen soll auch die Waldordnung, die mit erster Gelegenheit [erscheinen] und ab der Kanzel publiziert werden soll, fleißig gehalten werden.“