Prinz Eduard bittet um seine Enthebung vom Posten des liechtensteinischen Gesandten in Wien


Maschinenschriftliche Abschrift eines Schreibens von Prinz Eduard von Liechtenstein, gez. ders., an Fürst Johann II. [1]

6.7.1921, Wien

Euere Durchlaucht!

Die Hauptaufgaben, welche mir bei Antritt meiner Stellung als Gesandter Euerer Durchlaucht in Wien gegenüberstanden, sind gelöst. Es ist gelungen in zweijähriger Tätigkeit das Fürstentum aus der schwierigen internationalen Situation, in welche es infolge des Weltkrieges und des in dessen Gefolge aufgetretenen Umsturzes geraten war, herauszuführen, die Anerkennung seiner Neutralität und Souveränität durch die Friedenskonferenz, die Grossmächte und den Völkerbund zu erreichen und die Angliederung des Fürstentums an den letzteren anzubahnen, ebenso ist die Schaffung konsularischer Vertretungen fremder Staaten bei der fürstlichen Regierung teils bereits erfolgt, teils im Zuge und mit all diesem die Grundlage für die Sicherung der Selbstständigkeit des Fürstentumes und für dessen gedeihliche Weiterentwicklung geschaffen.

Demgegenüber sind jedoch die Verhältnisse, unter denen ich meine Arbeit zu leisten habe, derartige, dass ich nicht mehr in der Lage bin, dieselbe weiterzuführen. Die Unmöglichkeit, einen geordneten und einheitlichen aussenpolitischen Dienst mit feststehenden Kompetenzen und Unterordnungen zu schaffen, die Schwierigkeiten und Hemmungen, die mir von allen Seiten bereitet werden, die Anfeindungen und Verdächtigungen, denen ich ununterbrochen ausgesetzt bin und denen ich als Mitglied des Fürstenhauses nicht mit jenen Waffen und jener Schärfe entgegentreten kann, die sie verdienen und die andererorts Beamten in verantwortlichen Stellungen zu Gebote stehen, müssen jedem aufrechten und seiner redlichen Pflichterfüllung bewussten Manne alle Arbeitslust und Arbeitsfreude nehmen und zwingen mich, an Euere Durchlaucht die Bitte zu richten, mich von meinem Posten als fürstlichen Gesandten in Wien in Gnaden entheben zu wollen. [2]

In tiefster Ehrfurcht

Euerer Durchlaucht

ergebener

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[1] LI LA SF 01/1921/ad 100. Die vorliegende Abschrift übermittelte Prinz Eduard mit Begleitschreiben vom 6.7.1921 an Regierungschef Josef Ospelt (LI LA SF 01/1921/100), der die beiden Dokumente am 14.7. "vorläufig" ad acta legte. Ein weiteres Exemplar des Schreibens sowie ein Entwurf unter LI LA V 003/1144.
[2] Der Fürst entsprach dem Entlassungsgesuch mit Schreiben vom 8.7.1920 (LI LA V 003/1144; LI LA SF 01/1921/ad 101). Die Geschäfte der Wiener Gesandtschaft wurden vorerst von Alfred von Baldass als Geschäftsträger ad interim weitergeführt.