Der Magistrat der Stadt Feldkirch legt der liechtensteinischen Regierung eine technische Beschreibung zum projektierten Anschluss des liechtensteinischen Unterlandes an das Feldkircher Stromnetz vor


Maschinenschriftliche Ausführungen der Stadt Feldkirch, nicht gez., zuhanden der liechtensteinischen Regierung [1]

Dezember 1905 (vor dem 20.12.1905), Feldkirch

Technische Erläuterung

der projektierten Führung von elektrischen Starkstromleitungen im Fürstentum Liechtenstein

Das Electricitätswerk der k.k. Stadt Feldkirch erzeugt Drehstrom (Dreiphasen-Wechselstrom) von 6200 Volt Spannung bei 50 Cyclen pro Secunde.

Um die im Fürstentum Liechtenstein gelegenen Orte: Schaanwald, Nendeln, Eschen, Bendern, Ruggell, Schellenberg und Mauren mit elektrischer Energie zu Licht- und Kraftzwecken zu versorgen, ist projektiert, die bis zur Landesgrenze nächst Schaanwald führende Hochspannungsleitung, aus blanken Elektrolytkupferdrähten von 20 mm2 bestehend, in der Richtung gegen Nendeln bis zur Strassenabzweigung nach Mauren und nach Mauren selbst in gleichem Material und gleichem Querschnitte weiter zu führen.

Abzweigend von dieser Leitung soll eine Leitung aus blanken verzinkten Eisendrähten von 20 mm2 Querschnitt nach Nendeln führen und zwar entlang der Reichsstrasse. Ein zweite Leitung aus Eisendrähten von 20 mm2 führt von Mauren über Eschen nach Bendern, eine dritte Leitung aus gleichem Material und gleichem Querschnitt über Schellenberg nach Ruggell. Sowohl die Leitung nach Mauren als auch diejenigen nach Eschen-Bendern und Schellenberg-Ruggell führen entlang der Fahrstrasse.

Sämtliche Leitungen werden auf Holzmasten an Dreimantel-Isolatoren und in einer Höhe von mindestens 6 m von dem Erdniveau montiert.

Unterhalb der Starkstromleitung führt auf gleichem Gestänge eine Betriebstelefonleitung aus blanken Siliciumbroncedrähten von 2 mm Durchmesser an Porzellan-Glockenisolatoren montiert zu den Betriebs-Telefonstationen in Nendeln, Bendern, Ruggell und Mauren.

Um die Leitungen von atmosphärischen Entladungen zu schützen, sind an den Anfangs- und Endpunkten sowie bei längeren Leitungsstrecken auch zwischen diesen Punkten sicher wirkende Blitzschutzapparate (System Wurts) projektiert.

Durch die vorbeschriebene Starkstromleitung wird die elektrische Energie zu den einzelnen Transformatorenstationen geführt, wo der hochgespannte Drehstrom von 6200 Volt auf die Gebrauchsspannung von 220 Volt umgewandelt wird. Die Transformatoren selbst werden je nach der Örtlichkeit entweder in den Kellern von Wohnhäusern oder in eisernen oder gemauerten Häuschen aufgestellt und enthalten diese Transformatorenräume auch die zum Betriebe nötigen Hoch- und Niederspannungs-Sicherungen.

An solchen Stellen, wo sich blanke Hochspannungsleitungen nicht verwenden lassen, gelangen Panzerbleikabel zur unterirdischen Verlegung.

Die Situation der Leitungen und Transformatorenstationen ist aus den beiliegenden Plänen [2] ersichtlich.

Für die Ausführungen der gesamten Leitungsanlage sollen die Sicherheitsvorschriften für elektrische Starkstromanlagen des Verbandes deutscher Elektrotechniker [3] zur Anwendung kommen. [4]

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[1] LI LA RE 1905/2314 ad 1246. Es handelt sich um eine Beilage zum Konzessionsgesuch des Magistrates der Stadt Feldkirch an die liechtensteinische Regierung vom 20.12.1905 betreffend die Führung von elektrischen Starkstromleitungen in den Ortschaften des liechtensteinischen Unterlandes für Beleuchtungs- und Betriebszwecke (ebd. (Aktenzeichen des Magistrates der Stadt Feldkirch: 1267)). Mit Regierungsstempel entwertete 10 Heller-Stempelmarke.
[2] Die von der Stadt Feldkirch zusammen mit dem erwähnten Konzessionsgesuch eingereichten Pläne finden sich ebenfalls unter LI LA RE 1905/2314 ad 1246.
[3] Hg. Verband Deutscher Elektrotechniker: Sicherheitsvorschriften für die Errichtung elektrischer Starkstromanlagen. Berlin 1905 (LI LA RE 1906/ad 0220).
[4] Die Konzessionserteilung an die Stadt Feldkirch erfolgte nach Durchführung eines gewerberechtlichen Ediktalverfahrens und der Abhaltung einer kommissionellen Verhandlung in Mauren und Ruggell am 30.4.1906 mit Schreiben des liechtensteinischen Landesverwesers Karl von In der Maur vom 24.5.1906 (LI LA RE 1906/0823 ad 0220). Vorerst wurde aber nur die Gemeinde Mauren in das Feldkircher Stromnetz einbezogen, die Gemeinde Eschen folgte 1911.