Bischof Georg Schmid von Grüneck legt Landesverweser Leopold von Imhof die vom bischöflichen Ordinariat überarbeitete Regierungsvorlage für ein Kongruagesetz vor


Handschriftlicher Gesetzentwurf des bischöflichen Ordinariates in Chur zuhanden der liechtensteinischen Regierung [1]

o.D. (15.12.1916), Chur

Gesetz betreffend die Aufbesserung der Bezüge der Seelsorger

Mit Zustimmung des Landtages verordne ich einvernehmlich mit dem bischöflichen Ordinariate Chur wie folgt:

§ 1

Die Aufbesserung der Bezüge (Congrua) der [2] im Fürstentume kirchlich bestellten Seelsorger wird aus den zu diesem Zwecke vom Landesfürsten und dem Lande gewidmeten Beträgen ein eigener Fond mit Stiftscharakter – Religionsfonds genannt – geschaffen, dessen Verrechnung die Landeskassenverwaltung getrennt von jener der übrigen öffentlichen Fonde nach den für letztere geltenden Grundsätzen zu pflegen hat.

§ 2

Die jährlich abzuschliessende Rechnung dieses Fondes ist gleich den Rechnungen der übrigen öffentlichen Fonde alljährlich durch die Regierung dem Landesausschusse beziehungsweise dem Landtage zur Prüfung mitzuteilen & es ist der diesfalls gefasste Landtagsbeschluss unter Übermittlung aller sonstigen Rechnungsdokumente der fürstlichen Buchhaltung, welcher die ziffermässige Revision der Rechnung vorzunehmen hat, bekannt zu geben. Ein Auszug der revidierten Rechnung wird jährlich dem bischöfl. Ordinariate zugestellt. [3]

§ 3

Aus den Zinsen dieses Fonds sowie der demselben etwa später durch Schenkungen, Vermächtnisse u.s.w. zufallenden Beträge erhalten jene Priester, welche zur Ausübung der Seelsorge im Fürstentum Liechtenstein bestellt sind &  über ein hinlängliches Pfrundeinkommen nicht verfügen, jährliche Zuschüsse.

§ 4

Seelsorger, welche auf einen solchen Zuschuss Anspruch erheben, haben darum bei der fürstlichen Regierung unter Vorlage eines auf Ehre & Gewissen abgegebenen Einbekenntnisses ihres Pfrundeinkommens einzuschreiten.

In demselben sind sämmtliche Pfrundeinkünfte nach dem Ergebnisse des Jahres 1916 einzusetzen. Die zu ihrer Erzielung notwendigen Aufwendungen sowie die mit der Pfründe verbundenen Lasten sind gesondert auszuweisen & können in Abzug gebracht werden.

Steuern & Gemeindeumlagen sowie sogenannten „Messen für’s Volk“ bilden keine Abzugsposten. Bei der Berechnung des Pfrundeinkommens bleiben nur ausser Anschlag:

Der Wert der Naturalwohnung nebst Hausgarten, die Stolgebühren, Opfergelder oder sonstige freiwillige Gaben sowie die Gebühren für die Ausfertigung von Matrikenscheinen.

Dagegen sind alle weiteren mit einer Pfründe verbundenen Geld- & Naturalbezüge sowie Einkünfte aus Bezugs- & Nutzungsrechten in Rechnung zu stellen & zwar die letzteren nach ihrem jeweiligen Geldwerte. Später eintretende Veränderungen des Pfrundeinkommens sind fallweise innerhalb Monatsfrist der fürstlichen Regierung anzuzeigen.

Die Einbekenntnisse sowie die Veränderungsanzeigen werden dem bischöflichen Landesvikariate zur Überprüfung mitgeteilt.

§ 5       

Der Höchstbetrag, auf welchen die Pfrundeinkommen nach Massgabe der verfügbaren Fondserträgnisse durch Zuschüsse aus dem im § 1 erwähnten Fonde ergänzt werden, wird von fünf zu fünf Jahren von der fürstlichen Regierung nach Anhörung des bischöflichen Ordinariates festgesetzt & für die erste Periode bei Pfarrern mit jährlich 2200 Kr., bei Hilfspriestern (Benefiziaten), welche in der Seelsorge angestellt sind, [4] mit jährlich 1800 Kr. bestimmt.

Bei Hilfspriestern, welche nicht alle Zweige der Seelsorge versehen, kann die Höhe des jährlichen Zuschusses entsprechend gemindert werden.

Über das Ausmass der jährlichen Zuschüsse entscheidet die fürstliche Regierung nach Anhörung des bischöflichen Ordinariates. Die zuerkannten Beträge werden in entsprechenden Teilbeträgen oder jährlich auf einmal im Vorhinein vorschussweise aus der Landeskasse ausbezahlt. Die Rückerstattung an die Landeskasse erfolgt nach Massgabe der abreifenden Fondsinteressen. Bei nachträglich eintretenden Vermehrungen oder Minderungen des Pfrundeinkommens tritt eine entsprechende Verkürzung beziehungsweise Erhöhung des festgesetzten jährlichen Zuschusses ein – immerhin besondere Bestimmungen der einzelnen Stifter vorbehalten. [5]

Im ersteren Falle ist der Pfrundinhaber zum Rückersatze des etwa im Vorhinein erfolgten Mehrbezuges verpflichtet.         

§ 6

Die Inhaber der Pfarrpfründen sowie die zeitweilig zur Versehung der pfarrämtlichen Funktionen bestellten Seelsorger sind verpflichtet, die staatliche Matrikenführung nach den von der fürstlichen Regierung gegebenen Weisungen zu besorgen sowie die für staatliche Zwecke vorgeschriebenen Ausweise & Matrikenauszüge zu liefern. Hiefür gebührt ihnen unabhängig von ihrem Pfrundeinkommen eine jährliche Vergütung von 120 Kr. aus Landesmitteln. [6]

§ 7

Um eine unvorhergesehene Inanspruchnahme des im § 1 erwähnten Fondes hintanzuhalten, sind alle Pfrundinhaber verpflichtet, über die Erhaltung des Pfrundvermögens & der Pfrundeinkünfte zu wachen. Veränderungen in der Substanz des Pfrundvermögens, Neuanlage von Kapitalien, Verkäufe & Belastungen der Pfrundgüter sowie alle Verfügungen, welche den nachhaltigen Ertrag des Pfrundvermögens irgendwie zu beeinflussen geeignet sind, dürfen nach Vorschrift des kanonischen Rechtes nur mit Genehmigung des bischöflichen Ordinariates vorgenommen werden, welches seine Entscheidung nach Anhörung der fürstlichen Regierung treffen wird. [7] Pfrundinhaber, welche diese Vorschriften ausser Acht lassen, haften nach Erkenntnis des bischöflichen Ordinariates für den dadurch etwa veranlassten Ausfall an dem Pfrundeinkommen persönlich mit ihrem Vermögen.

Die Erträgnisse vakanter Pfründen sind zum betreffenden Pfrundkapital zu schlagen.

Die nicht schon pfrundbrieflich oder in anderer Form rechtlich dauernd festgelegten Zuwendungen der Gemeinden an ihre Seelsorger werden nach Zulass der verfügbar bleibenden Fondserträgnisse allmälig auf den Fond übernommen.

Insolange die Fondserträgnisse nicht zu deren vollen Deckung hinreichen, hat jede Gemeinde nur Anspruch auf Übernahme eines verhältnismässigen Anteiles derselben.

Das Gleiche gilt hinsichtlich der den hiesigen Seelsorgern aus der fürstlichen Rentkasse gnadenweise gewährten Zuschüsse.

Verfügbar bleibende Fondserträgnisse sind in der Regel zum Fond zu schlagen.

In besonderen Fällen kann die fürstliche Regierung im Einvernehmen [8] mit dem bischöflichen Ordinariat davon solchen Geistlichen, welche seit mindestens 10 Jahren im Fürstentum in der Seelsorge tätig sind, Alterszulagen [9] zu ihrem Pfrundeinkommen bewilligen sowie erkrankten oder dienstunfähig gewordenen Seelsorgern über deren Ansuchen Unterstützungen zuwenden.        

§ 8

Seelsorger, welche ihre Pfrundeinkünfte nicht den Bestimmungen des § 4 gemäss wahrheitsgetreu angegeben oder die rechtzeitige wahrheitsgetreue Anzeige über eine nachträglich eingetretene Erhöhung ihres Pfrundeinkommens unterlassen haben, sind verpflichtet, den Betrag, um welchen der Fond geschädigt worden ist, zurückzuerstatten und werden von der fürstlichen Regierung dem Bischofe behufs eventueller disciplinarischer Behandlung überwiesen.

§ 9

Vorstehende Bestimmungen treten mit 1. Jan. 1917 in Kraft.

Mit dem Vollzuge ist mein Landesverweser beauftragt.

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[1] LI LA RE 1916/4510 ad 2169. Beilage zum Schreiben des Churer Bischofs Georg Schmid von Grüneck an Landesverweser Leopold von Imhof vom 15.12.1916 (ebd.). Randbemerkungen, teils stenographisch, sowie Unterstreichungen. – Verschiedene Entwürfe der Regierung zu einem Gesetz betreffend die Aufbesserung der Bezüge der Seelsorger finden sich unter LI LA RE 1916/ad 2169. Landesverweser Imhof eröffnete dem Bischof mit Schreiben vom 18.1.1917, dass er nicht in der Lage gewesen sei, den vom bischöflichen Ordinariat überarbeiteten Gesetzentwurf dem – am 28.12.1916, 30.12.1916 und 11.1.1917 tagenden – Landtag vorzulegen (LI LA RE 1916/4510 ad 2169). Vgl. schliesslich das Gesetz vom 4.12.1917 betreffend die Aufbesserung der Bezüge der Seelsorger, LGBl. 1917 Nr. 11; ferner das Gesetz vom 31.1.1921 betreffend die Festsetzung von Mindestgehalten für die Liechtensteinischen Seelsorgegeistlichen, LGBl. 1921 Nr. 3.   
[2] Mit Bleistift eingefügt: „derzeit“.
[3] Randbemerkung zu diesem Satz: „Zusatz“.
[4] Gliedsatz mit Bleistift korrigiert: „welche die volle Seelsorge ausüben“.
[5] Randbemerkung zum letzten Teilsatz: „Zusatz“.
[6] Vgl. dazu das Bittgesuch der liechtensteinischen Pfarrer an den Churer Bischof vom 5.6.1916 (LI LA RE 1916/2963 ad 2169): Der Bischof sollte anlässlich der nächsten Gehaltsregulierung für die liechtensteinischen Seelsorger bei der Regierung dahingehend vermitteln, dass jedem Pfarrer für die Besorgung des Zivilstandsbücher ein jährliche Entschädigung von 120 Kronen bewilligt werde und zwar mit Rücksicht auf die gegenwärtige ausserordentliche Lebensmittelteuerung vom 1.1.1916 an gerechnet. Vgl. das Gesetz vom 4.12.1917 betreffend die staatliche Matrikenführung, LGBl. 1917 Nr. 12.
[7] Stenographische Randbemerkungen.
[8] Mit Bleistift hinzugefügt: „nach Anhörung“.
[9] Mit Bleistift hinzugefügt: „ausserordentliche Zuschüsse“.