Fürst Franz I. wendet sich wegen der Aufhebung der liechtensteinischen Gesandtschaft in Bern an den Schweizer Bundespräsidenten Edmund Schulthess


Schreiben von Fürst Franz I. an den schweizerischen Bundespräsidenten Edmund Schulthess (Kopie der Kabinettskanzlei zuhanden der Regierung) [1]

11.1.1933, Jagdschloss Talhof am Semmering

Euer Exzellenz,

hochverehrter Herr Bundespräsident

Im Jahre 1919 hat mein verstorbener Bruder, Fürst Johann II. zur Anbahnung wirtschaftlicher Verhandlungen mit der Schweiz eine besondere Gesandtschaft beim Bundesrate errichtet mit der speziellen Aufgabe, die Verhandlungen über den Abschluss eines Postvertrages, besonders aber über den Anschluss Meines Fürstentums an das schweizerische Zollgebiet zu führen. Dank dem wertvollen Entgegenkommen des Schweizerischen Bundesrates ist es Meiner Gesandtschaft gelungen, ihr Ziel zu erreichen, und auch in den Jahren nach dem Inkrafttreten dieser Verträge die freundnachbarlichen Beziehungen mit Meinem Nachbarlande weiter auszubauen und zu festigen, sodass also heute der Zweck, für welchen die Gesandtschaft seinerzeit errichtet worden ist, als voll erreicht gelten kann. Im Landtage Meines Fürstentums ist nun bei den letzten Budgetverhandlungen die Frage aufgeworfen worden, ob nicht in Zukunft der Verkehr zwischen den Schweizerischen Bundesbehörden und Meiner Regierung sich direkt abwickeln könnte, um dem Lande die in Anbetracht seiner Kleinheit und der sich auch in Liechtenstein ausbreitenden Krise doch ansehnlichen Summe von Fr. 20'000 einsparen zu können. Dabei legte der Landtag besonderen Wert darauf, festzustellen, dass dadurch nicht nur in keiner Weise die bisherigen freundnachbarlichen Bande gelockert, sondern vielmehr durch den direkten Verkehr von Regierung zu Regierung eine weitere dauernde Festigung erfahren sollten.

Würde nun aber der Hohe Bundesrat der Meinung sein, dass die Aufhebung Meiner Gesandtschaft nicht erwünscht sei und die freundnachbarlichen Beziehungen zu trüben geeignet wäre, so würde Ich Meine Zustimmung zur Aufhebung nicht geben.

Bevor ich weitere Schlüsse fasse, wäre es Mir ausserordentlich wertvoll, wenn Euer Excellenz die Güte hätten, Mir Ihre Auffassung zu dem Plane der Aufhebung Meiner Gesandtschaft mitteilen zu lassen. Ich betone wiederholt, dass es Mir und Meiner Regierung stets nur daran gelegen ist, die Beziehungen zur freundnachbarlichen Schweiz und seinen Behörden zu festigen und zu vertiefen.

Genehmigen Euer Exzellenz die Versicherung Meiner vollkommenen Hochachtung und Verehrung.

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[1] LI LA RF 130/577/002. Vgl. das Antwortschreiben des Schweizer Bundespräsidenten: LI LA RF 130/577/004.