Liechtenstein lehnt die Wegweisung von Rudolf Ruscheweyh ab


Schreiben der Regierung, gez. Regierungschef-Stellvertreter Ferdinand Nigg, an Prinz Heinrich, Geschäftsträger in Bern [1]

16.12.1946

Eure Durchlaucht

Die Fürstliche Regierung nimmt höflich bezug auf die ihr übermittelte Abschrift einer Note des Eidgen. Politischen Departements, Abteilung für Auswärtiges, vom 28. November 1946, P 14.21/2.14 – WF [2] betr. die Repatriierung von deutschen Staatsangehörigen aus Liechtenstein, deren Heimschaffung von der britischen Regierung für wünschbar gehalten wird.

Was die in der mitgeteilten Note angeführten Personen anbelangt, so ist auf folgendes hinzuweisen:

Dr. Bock, Friedrich, Vaduz, ist im Zuge der in Liechtenstein durchgeführten politischen Säuberungsaktion aus Liechtenstein ausgewiesen worden und hat Liechtenstein am 12. März 1946 verlassen. Soviel der Fürstlichen Regierung bekannt ist, soll sich Herr Dr. Bock im deutschen Reiche befinden.

Bezüglich des Herrn Rudolf Ruscheweyh in Schaan stellt die Fürstliche Regierung fest, dass sich dieser in keinerlei Weise in Liechtenstein politisch betätigt hat und dass bisher keine Gründe vorliegen, eine Wegweisung aus Liechtenstein zu beschliessen. Die von der britischen Regierung gewünschte Repatriierung Ruscheweyhs könnte nur dann geprüft werden, wenn der Fürstlichen Regierung schriftliche Unterlagen zur Verfügung gestellt würden, die eine Überprüfung des Aufenthaltsverhältnisses Ruscheweyhs ermöglichen und dessen Wegweisung bedingen bezw. begründen würden. Die von der britischen Regierung gewünschte Verfügung könnte nur dann erfolgen, wenn der Fürstlichen Regierung die bez. Aktenstücke mit hinreichenden Gründen unterbreitet würden.

Unter dem ausdrücklichen Vorbehalte, dass die weiteren Mitteilungen der britischen Regierung die Repatriierung Ruscheweyhs zur Folge haben könnten, ersucht die Fürstliche Regierung die Fürstliche Gesandtschaft, dem Eidgenössischen Politischen Departement den Antrag zu stellen, der Eidgenössischen Fremdenpolizei den Auftrag zu erteilen, das Aufenthaltsverhältnis Ruscheweyhs neu zu regeln. Dabei erklärt sich die Fürstliche Regierung bereit, ihr von der britischen Regierung unterbreitete Beweisstücke gegen Herrn Ruscheweyh aufmerksam zu prüfen. [3]

Genehmigen Euer Durchlaucht die Versicherung unserer ausgezeichneten Hochschätzung.

______________

[1] LI LA V 143/3167 (c). Kürzel: N/G. Eingangsstempel der Gesandtschaft: 17.XII., 18.XII., No 1844/46. Handschriftlicher Vermerk der Gesandtschaft: Polit. Dep 1754/46, 17.XII.
[2] LI LA V 143/3167 (b), Note des Eidgenössischen Politischen Departements an die liechtensteinische Gesandtschaft in Bern, 28.11.1946.
[3] Grossbritannien präzisierte am 21.12.1946 die Vorwürfe gegen Ruscheweyh: Ruscheweyh habe seit 1940 zunächst in den Niederlanden, dann in Paris für das Heereswaffenamt und für die deutsche Abwehr gearbeitet (LI LA V 143/3167, Britische Gesandtschaft in Bern an Bundesrat Max Petitpierre, 21.12.1946). In der Folge untersuchten schweizerische und liechtensteinische Stellen diese Vorwürfe erneut, kamen jedoch wiederum zum Schluss, dass nichts gegen Ruschewyeh vorliege, das eine Ausweisung rechtfertigen würde (LI LA V 143/3167, Bericht von Inspektor Benz und Wachtmeister Josef Brunhart betr. Rudolf Ruscheweyh, 3.3.1947; Note der Gesandtschaft in Bern an das Eidgenössische Politische Departement, 16.5.1947).