Vier liechtensteinische Briefmarkenhändler verlangen die Ausweisung von Friedlieb Auerbach


Schreiben von Hans Lorenz, Alfons Kliemand, Siegfried Feger und Siegbert Tausk, Inhaber der Philatelie AG, an die Regierung [1]

8.1.1938, Vaduz

Die Unterzeichneten, sämtlich konzessionierte Briefmarkenhändler und Mitglieder des hiesigen Händlerverbandes, beehren sich, die Aufmerksamkeit der Fürstlichen Regierung auf das Treiben des

Dr. F. [Friedlieb] Auerbach

hinzulenken. Dieser, hier ohne Aufenthaltsberechtigung und ohne Konzession, betreibt seit rund einem halben Jahr eine Händlertätigkeit in Briefmarken, die der gesamten hiesigen Händlerschaft schwersten Schaden zufügt und zu grössten Übelständen geführt hat und weiter zu führen droht. Auerbach verkauft insbesondere Blocks zu Preisen, die weit unterhalb ihres Nominalwertes liegen, und bietet auch Liechtenstein-Marken und -Sätze zu Preisen an, zu denen dem wirklichen Händler eine Lieferung nicht möglich ist. Die unlautere Art, in der Auerbach in Wettbewerb mit den regulären Händlern tritt, hat auch dazu geführt, dass in der Schweiz eine namenlose Verbitterung gegen ihn entstanden ist, die u. a. dazu geführt hat, dass ihm in Zukunft die Teilnahme an Schweizer Börsen verwehrt werden wird und für ihn geradezu persönliche Gefahr bei Auftreten in der Schweiz besteht. Er ist auch dort mit Verhaftung bedroht, falls er es unternimmt, dort Ware abzusetzen. Mehrere hiesige Händler haben schriftliche und mündliche Mitteilungen erhalten, in denen sie aufgefordert werden, Auerbach im Namen der schweizerischen Kollegen zu verprügeln. In den letzten Tagen ist infolge des Treibens des Auerbach ein Käuferstreik in Liechtenstein-Marken deutlich verspürbar, nachdem erfahrungsgemäss der Kunde bei sinkenden Preisen erst recht nicht kauft.

Wir haben im übrigen in Erfahrung gebracht, dass Auerbach mit dem 31. Dezember 1937 das Land hätte verlassen sollen. [2] Die Fürstliche Regierung, die im Falle [Robert] Woter bewiesen hat, dass sie Schädlinge rasch und entschlossen abzubefördern versteht, [3] wird von den unterzeichneten Händlern gebeten, alle Massnahmen zu treffen, um zu verhindern, dass diesen Händlern und damit darüber hinaus dem Briefmarkenwesen Liechtensteins durch das verantwortungslose Verhalten des Auerbach ein schwerer Schade zugefügt wird. [4]

 

 

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[1] LI LA RF 174/064/008. Auf der Rückseite Vermerke zum weiteren Geschäftsgang: Am 10.1.1938 teilte die Gewerbegenossenschaft mit, dass die Sektion der Briefmarkenhändler um Vorlage des Schreibens ersucht habe. Am 11.1.1938 leitete die Regierung das Schreiben "zu sofortigen Erhebung über die Machenschaften des Dr. Auerbach" an das Sicherheitskorps weiter.
[2] Auerbach, der sich um eine Aufenthaltsbewilligung bemüht hatte, die dafür benötigten Ausweispapiere jedoch nicht beibringen konnte, wurde von der Regierung mit Schreiben vom 13.12.1937 angewiesen, das Land bis am 31.12.1937 zu verlassen (LI LA RF 174/064/001). Zuvor hatte sich die Gewerbegenossenschaft über seine Geschäftspraktiken beschwert (LI LA RF 174/064/005, 009). Auerbachs Rechtsvertreter, Ludwig Marxer, erreichte jedoch eine Verlängerung der Ausreisefrist bis 1.2.1938 (LI LA RF 174/064/006, 007, 010).
[3] Richard Woter wurde 1938 wegen illegalen Briefmarkenhandels des Landes verwiesen (LI LA RF 179/190).  
[4] Auerbach verliess Liechtenstein Anfang Februar 1938, nachdem ihm die Regierung mit polizeilicher Ausschaffung gedroht hatte (LI LA RF 174/064/011, 012). Zum weiteren Verlauf der Angelegenheit vgl. LI LA RF 174/064/013.