Regierungschefstellvertreter Alois Vogt sagt als Zeuge aus über den Putschversuch


Protokoll der Vorsprache von Regierungschefstellvertreter Alois Vogt vor dem Landgericht, gez. von Alois Vogt und Landrichter Julius Thurnher[1]

17.4.1939

Vor dem f.l. Landrichter Dr. Julius Thurnher und dem Schriftführer Marcel Sele.

Es erscheint Dr. Alois Vogt, 33 Jahre alt, Vize-Reg.Chef. in Vaduz.

Er ersuchte seine Zeugenaussage schriftlich niederlegen zu dürfen, er überreicht sie nun dem Gerichte und fügt bei:

[Theodor] Schädler, [Josef] Frick und [Franz] Beck sagten bei der Zusammenkunft, sie wollten den Zollanschluss ans Deutsche Reich erstreben und ich fand dann schon heraus, dass dies rasch geschehen solle. Ich machte sie darauf aufmerksam, auf ordnungsmässigen Wege könnte das nicht rasch gehen, sie wollten es also wohl mit Gewalt machen, sie zuckten dann die Achseln. Ich habe diese Frage einigemal wiederholt. Sie haben sich auch nicht dazu geäussert, und jedenfalls die Frage nicht verneint.

Ich sah dann, dass es keinen Wert hatte mit ihnen weiter zu verhandeln, ich habe sie dann am Schlusse, wie ich auch geschrieben habe, ausdrücklich gewarnt.

Beck hat bei der Unterredung auch noch gesagt, es fünden Verhandlungen mit Berlin statt wegen Übernahme des Protektorates durch das Deutsche Reich. Als ich ihm dann sagte, das sei alles nicht wahr, hat er mir offenbar nicht geglaubt. Diese Sachen hat man ihm offenbar in Feldkirch gesagt.

Amtsvermerk über die Vorgänge am 24. März 1939 [2]

Als ich am genannten Tage morgens in mein Amtsbüro kam, wurde ich von interessierter Seite aus Vaduz angeläutet und befragt, ob mir gewisse Vorgänge bekannt seien. Die Bevölkerung in Vaduz sei sehr beunruhigt. Es gingen verschiedene Gerüchte über eine mögliche Besetzung des Landes durch Truppen des deutschen Reiches. Liechtensteinische Nationalsozialisten würden eine solche Besetzung vorbereiten und dann bereitgestellte Formationen von Feldkirch aus um Hilfe anrufen. Gleichzeitig erschien der Pfadfinderführer Eugen Büchel und überbrachte mir dieselben Informationen als umlaufende Gerüchte. Angesichts des Umstandes, dass derartige Gerüchte sich bereits in den letzten Jahren häufig wiederholten, legten ich ihnen zunächst keine Bedeutung bei, besonders da nach meinen Erfahrungen Liechtenstein vom Reiche her durchaus keine Gefahr droht.

Im Laufe des Vormittags jedoch wurde ich immer wieder angeläutet, unter anderem auch von Vorsteher [Ferdinand] Risch in Schaan und die Gerüchte um irgendwelche Aktionen verdichteten sich immer mehr. Ich sah mich veranlasst, das Politische Departement in Bern anzufragen, ob es Kenntnis von diesen Gerüchten hatte. Ich erhielt dort den Bescheid, dass tatsächlich dem Departement solche Gerüchte bekannt gegeben worden seien und zwar sollen Beamte der Deutschen Reichsbahn in Buchs und in St. Margrethen Äusserungen in der Richtung gemacht haben, dass Liechtenstein noch in der Nacht vom 24. auf den 25. März besetzt werde und zwar im Einvernehmen mit liechtensteinischen Kreisen.

Auf diesen Bericht teilte ich dem Regierungskollegium, das gerade versammelt war, mit, dass ich veranlasst sei, der Sache raschestens nachzugehen und Fühlung mit den Vorarlberger Behörden aufzunehmen. Weiter wurde mir im Laufe des Vormittags mitgeteilt, dass Donnerstag den 23. März und ebenfalls im Laufe des Freitags, 24. März vormittags unter liechtensteinischen Anschlussfreunden eine besondere Geschäftigkeit festzustellen sei. Es würde ständig hin- und hergefahren, von Gemeinde zu Gemeinde und abends seien Versammlungen beobachtet worden. Nachmittags 1/2 3 Uhr sprach ich zwecks genauerer Informationen beim Bezirkshauptmann Dr. [Ignaz] Tschofen in Feldkirch vor und ersuchte um Aufklärung über eventuelle geplante Aktionen gegen Liechtenstein. Herr Bezirkshauptmann Dr. Tschofen teilte mir mit, dass ihm tatsächlich Gerüchte zu Ohren gekommen seien, er möchte jedoch zum vornherein feststellen, dass es, wenn es bei diesen Gerüchten um wirkliche Tatsachen handle, keinerlei offizielle Stellen dahinterstünden, und es sich höchstens um private Eigenmächtigkeiten handeln könne. Er hätte bereits die Landesregierung informiert, und von Bregenz aus sei auch Herr Landrat [Alfons] Mäser aufgeboten worden, um die Sache zu untersuchen. Herr Landrat Mäser wurde dann zur Besprechung zugezogen und dort beiderseits festgelegt, dass alles aufgeboten würde, um von Feldkirch aus oder Liechtenstein irgendwelche Eigenmächtigkeiten zu verhindern. Es wurde die Ansicht übereinstimmend vertreten, dass wenn von Feldkirch aus eine Aktion vorbereitet gewesen wäre, dieselbe nur im Zusammenhang mit liechtensteinischen Kreisen ins Auge gefasst sei. Ich informierte dann die liechtensteinische Regierung über den Stand der Angelegenheit und gleichzeitig auch Herrn Vorsteher Risch von Schaan, der mich anläutete und Herrn Dr. [Ludwig] Marxer, teilte jedoch mit, dass die Zusicherung, die in Feldkirch gegeben worden sei, durchaus befriedigen müsse. Um 7 Uhr abends läutete ich Herrn Dr. Tschofen nocheinmal an und ersuchte nochmals dringend, die Angelegenheit ja nicht aus dem Auge zu lassen, da mir Herr Vorsteher [Josef] Meier aus Eschen kurz zuvor mitgeteilt hatte, er hätte Bericht aus Feldkirch, dass die Sache doch noch Freitag Abend steigen würde und stellte auch gleichzeitig meinen Besuch für den späten Abend in Feldkirch nochmals in Aussicht. Gleichzeitig ersuchte ich Herrn Ing. Theo Schädler, der mir als Landesleiter der volksdeutschen Bewegung genannt worden war, zu einer persönlichen Aussprache zwecks Information über die Haltung der Liechtensteiner Anschlussgruppe. Ca. 8 Uhr erschien Herr Ing. Schädler und Franz Beck und Malermeister Frick. Ich stellte die 3 Herren zur Rede und verlangte Auskunft über ihre Pläne. Doch waren die Herren äusserst zurückhaltend, sodass ich nichts Bestimmtes in Erfahrung bringen konnte, glaubte aber immerhin aus der mehr als halbstündigen Besprechung entnehmen zu müssen, dass irgend etwas los sei. Ich entliess die Herren um ca. 9 Uhr mit dem Bemerken, sie möchten Dummheiten vermeiden, irgend ein illegales Vorgehen oder irgend eine Gewalttätigkeit würde mit Gewalt beantwortet und ich würde alles aufbieten, um irgend eine Gewaltaktion zu verhindern. Bestimmte Anhaltspunkte, dass ein Umsturz von Seiten der volksdeutschen Bewegung geplant sei, waren bis 9 Uhr abends nicht vorhanden, doch konnte man die Vermutung nicht von der Hand weisen. Zirka 1/2 11 Uhr begab ich mich nochmals nach Feldkirch, um dort persönlich mich zu überzeugen, wie die Sache stehe. Ich konnte feststellen, dass wenn etwas geplant gewesen war, die Aktion über Intervention der Vorarlberger Landesbehörden abgestoppt sei. In einem Gasthause in Feldkirch erfuhr ich dann von der Kellnerin, dass Mittwoch abends und Donnerstag Abends Appelle der S.A. und der NSKK [Nationalsozialistisches Kraftfahrkorps] stattgefunden hätten, wobei von einem unmittelbar bevorstehenden Einmarsch in L.stein gesprochen wurde. Auf meiner Rückkehr nach Vaduz traf ich dorfeingangs in Schaan ca. 60 Mann aus dem Unterland in geschlossener Marschformation wartend an. Ich stieg aus und erkundigte mich, was los sei. Es wurde mir gesagt, es seien Gerüchte über Verhaftung von ihren Führern nach dem Unterland gekommen, sie seien heraufgekommen, sich zu informieren, Herr Präsident Pfarrer [Anton] Frommelt sei bereits mit Louis Batliner ins Dorf hinein. Ich ersuchte die Leute, sich ruhig zu verhalten und nicht weiter zu gehen, was mir auch versprochen wurde. Ich fuhr dann weiter zum Hause des Herrn Malermeisters Frick, um dort mit Herrn Präsident Frommelt zusammenzutreffen.

Ich hielt mich dort bis gegen 4 Uhr auf, mit kurzer Unterbrechung, bis dann schliesslich die dort versammelte Menge, nachdem die belagerten Nationalsozialisten in Schutzhaft genommen waren, sich zerstreute. Wieweit der Aufmarsch der Unterländer nach Schaan als Aufstandsversuch zu betrachten war, war an diesem Abend kaum zu beurteilen. 

 

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[1] LI LA J 007/S 072/064/Fasz. 2/051.
[2] Der Amtsvermerk trägt den Eingangsstempel des Landgerichts vom 17.4.1939 und ist unterschrieben von Alois Vogt.