Die "Appenzeller Zeitung" wendet sich gegen das Schächtereiprojekt in Schaan


Wiedergabe einer Stellungnahme der "Appenzeller Zeitung" in den "Liechtensteiner Nachrichten" [1]

14.3.1929

Ausländische Pressestimmen zur Schächte-Erlaubnis

Vaduz, am 12. März 1929. Wie nicht anders zu erwarten, hat die Schächterlaubnis der Fürstlich Liechtensteinischen Regierung an den israelitischen Gemeindebund der Schweiz in Basel nicht nur hierzulande, sondern auch in den angrenzenden Staaten berechtigtes Aufsehen erregt. Es sind der Redaktion der "Liechtensteiner Nachrichten" von tierschutzfreundlicher Seite des Auslandes verschiedene Zeitungsartikel zugekommen, die sich mehr oder minder ausführlich mit dieser Regierungsgenehmigung befassen. Zu unserer Genugtuung dürfen wir feststellen, dass unsere Stellungnahme in dieser Frage von der Auslandspresse geteilt wird, während einzelne Zeitungen lediglich das Tatsächliche in dieser Angelegenheit ihrem Leserkreise vermitteln, gehen andere Blätter wieder weiter und nehmen im Einzelnen des genaueren Stellung zur Schächtfrage. Von Interesse für unsere Leser dürfte es sein, zu hören, was die in Herisau erscheinende "Appenzeller Zeitung" schreibt. Wir lassen deshalb den Artikel zur Gänze im Abdruck folgen:

"Umgehung des Schächtverbotes? Bekanntlich enthält die Bundesverfassung [2] das Schächtverbot, das heisst, das Vieh darf bei uns nicht nach israelitischer Vorschrift ausschliesslich durch Blutentzug (mit weitern speziellen Vorkehren) getötet werden, weil solches Töten nach dem Empfinden der Mehrheit des Schweizer Volkes als barbarisch grausam gilt. Nun hat letzthin die Liechtensteiner Regierung mitgeteilt, dass sie in Schaan, der Bahnstation bei Buchs, eine Schächtkonzession zu erteilen gedenke, deren Zweck hauptsächlich darin läge, auf Liechtensteiner Gebiet Schlachtvieh durch das in der Schweiz verbotene Schächten zu töten und das so gewonnene Fleisch für israelitische Abnehmer zollfrei in die Schweiz zu importieren. Das Fürstentum würde aus der Konzession, die von israelitischer Seite nachgesucht wird, Einnahmen für die Staatskassa erzielen und würde auch vertragsmässig darauf halten, dass das Schlachtvieh möglichst aus Liechtenstein bezogen werden sollte. Eine Vereinbarung mit dem Konzessionsbewerber scheint noch nicht perfekt geworden zu sein. Es ist zu hoffen, dass die Bundesbehörden dem geplanten Vorgehen nicht untätig zusehen werden."

Wir müssen, um keine Irrtümer aufkommen zu lassen, feststellen, dass der Artikel der "Appenzeller Zeitung" zum Schlusse insofern unrichtig ist, als er der Hoffnung Ausdruck gibt, "dass die Bundesbehörden den geplanten Vorgehen nicht untätig zusehen werden". Aus dem Zollvertrag, den seinerzeit das Land Liechtenstein mit der Eidgenossenschaft abgeschlossen hat, geht hervor, dass eine Schächterlaubnis der Fürstlichen Liechtensteinischen Regierung rechtlich zulässig ist und dass infolgedessen für die schweizerischen Bundesbehörden wohl keine Möglichkeit besteht, direkt auf diese Regierungserlaubnis Einfluss zu nehmen.

Eine andere Frage ist es allerdings, ob durch diese von der Fürstlichen Liechtensteinischen Regierung erteilte Schächterlaubnis nicht unsere guten freundnachbarlichen Beziehungen Schaden leiden. Das darf unter keinen Umständen geschehen!

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[1] L.Na., Nr. 32, 14.3.1929, S. 1f. Siehe die Gesetzesinitiative des Landtagsabgeordneten Franz Amann und Konsorten auf Einführung eines Schächtverbotes, die in derselben Zeitungsnummer von der Regierung der Bevölkerung bekanntgemacht wurde (vgl. L.Na., 1929.03.14 (a)). Siehe ferner die diesebzüglichen Landtagsprotokolle vom 22.4., 16.5. und 25.6.1929.   
[2] Das Schächtverbot wurde in der Schweiz 1893 auf Betreiben der Deutschschweizer Tierschutzvereine eingeführt (vgl. Art. 25bis Bundesverfassung alt).