Schulgesetz


Schulgesetz[1]
vom 8. Februar 1859

 Wir Johann, von Gottes Gnaden souverainer Fürst und Regierer des Hauses von und zu Liechtenstein, Herzog zu Troppau und Jägerndorf, Graf zu Rietberg etc. etc.

In der tief gegründeten Ueberzeugung, dass der Volksunterricht eine Hauptbedingung der sittlichen Wohlfahrt und des Glücks der Angehörigen Unseres Fürstentumes ist; in Erwägung, dass die Schulordnung vom 5. Oktober 1827 den veränderten Verhältnissen und den grösseren Anforderungen nicht mehr entspricht, verordnen Wir wie folgt:

Titel I
Von der Aufsicht über das Schulwesen

§ 1

Die Ueberwachung und Leitung des Landesschulwesens steht dem Regierungsamte zu. In Schulsachen wird dem Regierungsamte ein Landesgeistlicher als Schulrath beigegeben; er wird von dem Regierungsamte der fürstl. Hofkanzlei zur Ernennung und Bestätigung vorgeschlagen.

§ 2

Sämmtliche Volksschulen des Landes werden unter Aufsicht eines Schulkommissärs gestellt. Der Schulkommissär wird aus den Pfarrgeistlichen von dem Regierungsamte gewählt und von der fürstl. Hofkanzlei bestätigt.

Seine Obliegenheiten bestehen darin, dass er

1. die Schulen des Landes, so oft solches erforderlich ist, insbesondere bei Anlass der Prüfungen besuche;

2. auf die Gleichförmigkeit des Verfahrens im Unterricht und die Beobachtung der Schulordnung festhalte;

3. den Eifer, die Fähigkeit und das sittliche Betragen der Lehrer erforsche und bei sich ergebenden Gebrechen schleunig Abhilfe verschaffe;

4. die der Schulordnung entgegen stehenden Hindernisse ausfindig mache, zu deren Hinwegräumung zweckmässige Anordnung treffe und überhaupt für Verbesserung und Emporkommen des Schulwesens dienliche Vorschläge an die Hand gebe.

Der Schulkommissär hat während des Schuljahres über die ihm vorkommenden Gebrechen oder über Verfügungen, die ihm zweckmässig erscheinen, mit dem Regierungsamte Rücksprache zu nehmen; auch zu veranlassen, dass durch das Regierungsamte die erforderlichen Verfügungen getroffen und die entstandenen Unordnungen gehoben werden. Die Erteilung einer genauern Instruktion an den Schulkommissär steht dem Regierungsamte zu.

§ 3

Jährlich einmal nach vollendeter Frühlingsprüfung hat der Schulkommissär einen Generalbericht über den Zustand des Schulwesens dem Regierungsamte vorzulegen. Dieser Bericht ist mit aller Gründlichkeit und Unparteilichkeit abzufassen; es muss darin angemerkt werden:

a) wo und in welchen Stücken der Schulordnung ungehorsam entgegen gehandelt werde;

b) welche Hindernisse dem Fortgang des Schulwesens entgegen stehen;

c) was zur bessern Aufnahme desselben zu geschehen habe;

d) welche Pfarrgeistliche, Ortsvorgesetzte und Lehrer sich durch Eifer und Verwendung für das Beste der Schule vorzüglich ausgezeichnet; oder

e) ihre Obliegenheit und die Sorgfalt für das Beste der Schule auffallend vernachlässigt haben.

§ 4

Die unmittelbare und nächste Aufsicht auf jede Ortsschule ist dem Pfarrgeistlichen als Lokalschulinspektor übergeben; er bildet mit dem Ortsvorsteher und Säckelmeister die Lokalschulbehörde.

Ueber alle Ortsschulangelegenheiten hat die Lokalschulbehörde die Aeusserung des Lehrers einzuholen. Pflicht des Lokalschulinspektors ist es, sich mit der von dem Lehrer eingehaltenen Lehrmethode bei Behandlung aller Unterrichtsgegenstände genau und fortwährend bekannt zu machen; und zu gleich des Lehrers Betragen und Eifer in beständige Aufsicht zu nehmen, um zu jeder Zeit im Stande zu sein, verlässliche Berichte zu erstatten, sowie den einreissenden Unordnungen durch angemessene Erinnerungen Einhalt zu tun.

Der Lokalschulinspektor hat ein Gedenkbuch zu führen, in welchem die Schulverordnung, die Sterbefälle und neuen Anstellungen der Ortsgeistlichen und Lehrer, die Veränderungen und Verbesserungen in der Schule u. d. gl. kurz eingetragen werden. Das Gedenkbuch ist an der Schulprüfung vorzulegen.

§ 5

Kein Lehrer darf sich ohne Urlaub seinem Dienste entziehen. Einen Urlaub von weniger als 4 Tagen gibt der Lokalschulsinspektor; einen Urlaub von weniger als acht Tagen erteilt das Schulkommissariat; ein längerer Urlaub ist bei dem Regierungsamte nachzusuchen.

§ 6

Der Ortsvorsteher und Säckelmeister haben gemeinschaftlich mit dem Pfarrer unter Beirat des Lehrers dafür besorgt zu sein, dass die Schulbedürfnisse immer rechtzeitig beigeschafft und die vorhandenen ordentlich erhalten werden, dass die Schüler in der angeordneten Schulzeit gehörig erscheinen; die Schulversäumnisse vorgemerkt und die Schulstunden genau eingehalten werden, dass der Lehrer dem vorgeschriebenen Lehrplan gemäss verfahre, mit Eifer und Fleiss seinem Berufe sich widme, und in der Behandlung der Schulkinder ein vernünftiges Mass sowohl in der Nachsicht als Bestrafung nicht überschreite; ferner, dass die Schulstrafgelder vorschriftsmässig eingehoben; die zum Schulfond gewidmeten Zuflüsse gehörig eingebracht und verwendet; endlich, dass die Schulgebäude in ordentlichem Stande erhalten und zu keinem unpassenden Zwecke benützt werden.

Ueber die Schuleinrichtungsstücke, Schulbibliothek, Musikalien etc. hat jeder Lehrer ein genaues Verzeichniss zu führen und von Jahr zu Jahr durch die Ortsschulbehörde genehmigen zu lassen. Das Inventar ist dem Dienstnachfolger unter Mitwirkung der Lokalschulbehörde ordnungsmässig zu übergeben. Jeder Lehrer ist streng dafür verantwortlich, dass kein Inventarstück verloren gehe.

§ 7

Die Gemeindevorstehungen haben für die Reinigung und Heizung der Schulgebäude zu sorgen. Um diesfalls alle der Gesundheit nachteiligen Einflüsse von den Schulgebäuden ferne zu halten, wird das Regierungsamt im Einvernehmen des Landesphisikats überall, wo es nöthig erscheint, das Geeignete anordnen und sorgfältig darüber wachen.

Um den Ausdünstungsqualm abzuleiten und der frischen Luft Zutritt zu öffnen, sollen in den Schulzimmern Ventilatoren in zureichender Anzahl angebracht und überdies die Fenster zwischen der Schulzeit, so oft es nöthig und thunlich ist, von den Lehrern geöffnet werden.

§ 8

Da die sittliche Ausbildung der Jugend der vorzüglichste Zweck der Schulerziehung, und die Erreichung desselben von der Thätigkeit der Seelsorgsgeistlichkeit wesentlich bedingt ist, so wird erwartet, dass letztere, falls nicht besondere Hindernisse entgegenstehen, wochentlich zweimal ihre Ortsschulen und monatlich einigemal die Filialschulen besuchen werde. Dasselbe hat auch von den Ortsvorstehern und Säckelmeistern monatlich einmal zu geschehen oder wenn sie vom Pfarrer besonders dazu aufgefordert werden.

§ 9

Die Bestreitung der Kosten der Lokalschulbehörde ist Sache der Gemeinde. Die Dienstleistung des Schulrates und des Schulkommissärs geschieht im Wohnorte unentgeltlich; in Dienstangelegenheiten ausser dem Wohnorte erhalten sie eine Taggebühr von 2 fl., nebst Vergütung der Fahrgelegenheit aus der Landeskassa.

Titel II
Von dem Schulunterricht und den innern Schuleinrichtungen

§ 10

Der Unterricht in den Elementarschulen soll überall zweckmässig, d. h. den bewährten Grundsätzen der Pädagogik und Methodik entsprechend sein.

§ 11

Die in den Elementar- und Sonntagsschulen zu behandelnden Unterrichtsgegenstände sind folgende: a) Religion, b) deutsche Sprache, c) Schreiben und Zeichnen, d) Rechnen, e) Gesang, f) gemeinnützige Kenntnisse aus der Naturgeschichte, Naturlehre, Geschichte, Geographie, Landwirtschaft etc.

§ 12

Die Einteilung der Lehrgegenstände und Stunden ist vorzüglich Sache des Lehrers, der sich hierüber mit dem Lokalschulinspektor ins Vernehmen zu setzen hat.

Der Religionsunterricht in den Schulen liegt den Seelsorgern ob, wobei ihnen die Lehrer in Betreff des von den Schülern zu Erlernenden beizustehen haben.

Ueber den Umfang und Stufengang des Elementarunterrichtes sowie auch über die Lehrmethode wird der von dem Regierungsamte zu erlassende Lehrplan des Nähere enthalten.

§ 13

Die Obliegenheiten des Lehrers umfassen nicht bloss den Unterricht, sondern ebenso sehr die sittliche Bildung der ihm anvertrauten Jugend im ganzen Umfang und Geiste der christlichen Pädagogik. Dahin gehört namentlich sorgfältige Aufmerksamkeit auf das Vertragen der Jugend in und ausser der Schule, Einschärfung des Gehorsams gegen geistliche und weltliche Behörden, Gewinnung des Zutrauens und der Liebe in den Herzen der Kinder und der Eltern usw.

§ 14

Die Lehrer haben gewissenhaft dahin zu wirken, dass die gesamte Schuljugend von allen denjenigen Gelegenheiten entfernt gehalten werde, wo Beispiele der Unsittlichkeit und unsittlicher Aufreizung vorkommen, als: Wirtshäuser, Tanzplätze, offene Bad- und Schwimmanstalten, Begattung der Haustiere usw.

§ 15

In den Gemeinden, welche über 100 schulpflichtige Kinder zählen, sollen zwei Lehrer angestellt werden; für jeden Lehrer ist ein eigenes Schulzimmer einzurichten.

Die Gemeinden sind schuldig, das zu der Schule erforderliche Brennholz zu beschaffen. An jenen Orten, wo die tägliche Einlieferung der Scheiter noch stattfindet, hat dieselbe von nun an zu unterbleiben.

Die vorgeschriebenen Unterrichtsmittel als Bücher, geographische Karten usw. sind aus Gemeindemitteln anzuschaffen. Die bemittelten Kinder haben den Preis der Schulbücher an die nötigen Schulbücher an die Gemeindekasse zu ersetzen; die unbemittelten Kinder erhalten die nöthigen Schulbücher von der Gemeinde unentgeltlich. Der Ortssäckelmeister hat darüber Rechnung zu führen und auf Anweisung des Lokalschulinspektors die Bücher auszufolgen.

§ 16

Von den Lokalschulbehörden ist dahin zu wirken, dass an jedem Orte eine Industrieschule errichtet und eine Gemeindebaumschule angelegt werde. In ersterer erhalten die Mädchen Unterricht im Stricken, Nähen, Flicken; in letzterer wird den Knaben vorzüglich praktische Anweisung in der Obstbaumzucht gegeben.

§ 17

In jeder Gemeinde ist ein Lokalschulfond zu errichten, worüber eine eigene Verordnung erfolgen wird.

 

Titel III
Von der Schulzeit und dem Schulbesuche

§ 18

Das Schuljahr umfasst 9 Monate; in der Regel 6 Monate für den Winter- und 3 Monate für den Sommerkurs. Die Gestattung einer ausnahmsweisen Abkürzung dieser Schulzeit steht auf Antrag des Schulkommissärs nur dem Regierungsamte zu.

Der Anfang des Schuljahres wird auf den 3. November festgesetzt; eine ausnahmsweise frühere oder spätere Eröffnung des Winterkurses kann nur mit Einwilligung des Schulkommisariats stattfinden. Die 3 Monate des Sommerkurses bestimmt die Lokalschulbehörde mit Einverständniss des Schulkommissariats.

Anfangs eines jeden Winterkurses sind die Eltern und Vormünder an die ihnen obliegenden Pflichten einer sorgfältigen christlichen Erziehung der Kinder und an die Vortheile eines fleissigen Schulbesuches von der Kanzel aus eindringlich zu erinnern.

Vor Beginn jedes Kurses hat der Lokalschulinspektor dem Lehrer ein vollständiges Verzeichniss der schulpflichtigen Kinder zur Eintragung in die Schultabellen zu übergeben.

Die im Lande sich aufhaltenden fremden Kinder sind wie die einheimischen schulpflichtig. Der Ortsvorsteher hat daher dem Lokalschulsinspektor den Aufenthalt der fremden Kinder immer ohne Verzug anzuzeigen. Kinder anderer Konfessionen unterstehen gleichfalls dem Schulgesetze; zum Besuche des katholischen Religionsunterrichts und kirchlichen Gottesdienstes sind sie nicht verpflichtet. Das vollständige Schülerverzeichniss ist von der Lokalbehörde den betreffenden Eltern, Vormündern und Dienstherren zur Kenntniss zu bringen.

§ 19

Der Eröffnungstag des Schulkurses ist von der Kanzel vorher zu verkünden, und der Kurs selbst durch den Pfarrgeistlichen durch entsprechende Einleitung zu eröffnen.

§ 20

Alle Kinder beiden Geschlechtes sind vom angetretenen 6. Jahr bis zum angetretenen 14. Jahr schulpflichtig. Die Aufnahme in die Schule geschieht je bei Eröffnung der Sommerschule; die Entlassung aus derselben je am Schlusse des Winterkurses.

§ 21

Ein freiwilliger Schulbesuch über das 14. Altersjahr ist mit Einverständniss der Lokalschulbehörde zulässig.

Der Uebergang eines Schülers aus der Elementarschule in eine höhere Bildungsanstalt während der Dauer der Schulpflichtigkeit ist mit Vorwissen des Schulkommissariats gestattet.

§ 22

Der Unterricht hat täglich fünf Stunden theils Vor-, theils Nachmittag zu dauern.

Für die erste Abtheilung der ersten Klasse kann die Unterrichtszeit aus pädagogisch zweckmässigen Rücksichten abgekürzt werden.

Nebst den Sonn- und Feiertagen ist wöchentlich ein halber Tag Vakanz.

§ 23

In einer dreiklassigen Schule von mehr als 60 Schülern kann von dem Regierungsamte auf Antrag des Schulkommissariats ein Abteilungsunterricht gestattet werden.

In diesem Falle hat die II. und III. Klasse täglich 3 Stunden Vormittags; die I. Klasse 3 Stunden Nachmittags Unterricht zu erhalten.

§ 24

Die Sommerschule ist mit der II. und III. Klasse wenigstens an 3 Wochentagen je 2 Stunden, mit der I. Klasse täglich 4 Stunden zu halten.

Da die Sommerschule nicht bloss die Wiederholung des im Winter gelernten, sondern neue Fortschritte zum Zwecke hat, so darf die gesetzliche Schulzeit weder an der Zahl der Tage, noch der Stunden Abbruch erleiden. Die Bestimmung dieser Schultage und Stunden ist den Lokalschulbehörden überlassen.

§ 25

Der regelmässige Austritt aus der Werktagsschule hängt davon ab, dass die Kinder die Kenntnisse eines mittelmässigen Schülers der III. Klasse besitzen; die Prüfungskommission kann für einzelne Schüler nach Umständen einen Schulbesuch auf ein weiteres Jahr anordnen.

§ 26

Die aus der Elementarschule entlassenen Schüler haben, wenn sie nicht höhere Bildungsanstalten besuchen, sofort die Sonn- und Feiertagsschule bis zum angetretenen 18. Lebensjahr zu besuchen. Die Prüfungskommission kann für einzelne Schüler wegen Unfleisses oder ungeordneten Betragens den Schulbesuch auf ein weiteres Jahr anordnen. Der Unterricht ist an Sonn- und gebotenen Feiertagen durch anderthalb Stunden zu halten.

In Gemeinden, wo nur ein Lehrer ist, muss dergestalt im Unterricht abgewechselt werden, dass das eine Mal die Mädchen, das andere Mal die Knaben Unterricht erhalten; wo zwei Lehrer sind, hat der Unterricht für beide Geschlechter getrennt jeden Sonn- und Feiertag statt zu finden.

An den vier Hauptfesttagen und Quatembersonntagen ist Vakanz.

Tiefere Einprägung des in der Werktagsschule Erlernten mit zweckmässiger Erweiterung des Unterrichtkreises, namentlich bezüglich der Geschäftstüchtigkeit der männlichen Jugend ist Hauptzweck der Sonntagsschule.

§ 27

Denjenigen jungen Leuten, welche dem Besuche der Sonntagsschule oder Schriftenlehre widersetzlich sich entziehen, kann der Umtrieb öffentlicher Gewerbe sowie die Ehebewilligung von dem Regierungsamte zeitweilig verweigert werden.

Titel IV
Von den Hindernissen des Schulbesuches und den Strafen muthwilliger Versäumnisse

§ 28

Unter die gültigen Ursachen, welche das Erscheinen eines Kindes in der Schule verhindern, gehört das Erkranken desselben. Auch können andere rechtmässige Ursachen eintreten, welche den Schulbesuch eines Kindes auf einige Zeit verhindern. Sobald ein die Schule besuchendes Kind entweder erkrankt oder solche Umstände vorhanden sind, welche dessen Ausbleiben aus der Schule herbeiführen, so ist von den Eltern oder Vormündern desselben selbst sowohl dem Pfarrgeistlichen als dem Lehrer über das eingetretene Hinderniss unverzüglich Anzeige zu erstatten.

Die in solchem Falle unterlassene Anzeige wird einem muthwilligen Schulversäumnisse gleich geachtet und gleich demselben bestraft. Wenn die vorgegebene Ursache über das Ausbleiben eines Schülers dem Pfarrgeistlichen nicht zureichend oder sonst ungegründet erscheint, so steht demselben nach gepflogener Rücksprache mit dem Ortsvorsteher und Säckelmeister die Befugniss zu, entweder eine nähere Untersuchung über den Grund oder Ungrund der vorgegebenen Entschuldigung vorzunehmen oder nach den Umständen auch ohne dieselben zu bestimmen, dass das Schulkind entweder sogleich wieder oder nach Umfluss einiger Zeit in der Schule zu erscheinen habe. Die Eltern und Vormünder sind schuldig, der Verfügung des Pfarrgeistlichen Folge zu leisten.

§ 29

Wenn dringende und besonders wichtige Ursachen eintreten, steht dem Pfarrgeistlichen die Befugniss zu, einen Schüler bis zu drei Tagen von dem Schulbesuche frei zu lassen; eine längere Dispens kann nur von dem Schulkommissariate erteilt werden.

§ 30

Unter die ganz ungiltigen Ursachen der Schulversäumnisse gehört die so häufig eingebrachte Ausrede, dass die Kinder zu den Feldarbeiten oder Viehhüten müssen verwendet werden.

Die Eltern, welche einen vorübergehenden Vorteil der bleibenden Wohlfahrt ihrer Kinder vorziehen, sind mit derlei Entschuldigungen keiner Rücksicht würdig. Auch der Eintritt in einen Dienst ist einem zum Schulbesuche verpflichteten Kinde nur dann zu gestatten, wenn der Hausvater, in dessen Dienst das Kind eintreten will, sich anheischig macht, dass er dasselbe von dem Schulbesuche durch die vorschriftsmässig Zeit nicht abhalten wolle.

§ 31

Nachdem mittelst der gegenwärtigen Vorschriften und durch die sonst gestatteten billigen Beschränkungen den Hindernissen eines regelmässigen Schulbesuches ein hinreichendes Ziel gesetzt ist, so sind dagegen die mutwilligen Schulversäumnisse mit unnachsichtlicher Strafe abzuwandeln. Für jedes Ausbleiben aus der Schule, wenn dasselbe ohne zureichenden Grund erfolgt ist, haben die Eltern des Kindes 4 bis 12 Kreuzer Strafe zu erlegen. Diejenigen, welche aus der Sonntagsschule oder Christenlehre muthwillig zurückbleiben, haben für jedes unnötige Versäumniss 12 Kreuzer Strafe zu bezahlen.

§ 32

Sämmtliche während einer Woche vorkommenden Versäumnisse sind von dem Lehrer unter Ansetzung des Strafbetrages in eine Tabelle zu verzeichnen und an dem Schlusse der Woche dem Ortsgeistlichen zur Verfügung zu übergeben. Die Strafgelder sind sofort durch den Ortsvorsteher für den Lokalschulfond einheben zu lassen; im Falle es bei der der Einhebung Anstände gibt, ist das Regierungsamte um die Eintreibung anzugehen. Der Ortssäckelmeister hat der Prüfungs-Kommission die Rechnung über den Ertrag der Schulstrafen vorzulegen.

§ 33

Wenn Eltern oder Vormünder oder Schulpflichtige sich einer boshaften Widersetzlichkeit gegen die Schulordnung oder einer mutwilligen Beleidigung des Lehrers schuldig machen, so sind dieselben dem Regierungsamte anzuzeigen und nach Massgabe der bestehenden Gesetze zu bestrafen.

Titel V
Von den Schulprüfungen

§ 34

Die Schulprüfung ist vor Beendigung eines jeden Winterkurses überall nach einer zwischen dem Regierungsamte und dem Schulkommissariate gemeinschaftlich zu treffenden Verabredung vorzunehmen. Ausser den Mitgliedern der Lokal-Schulbehörde hat der Schulkommissär und ein Abgeordneter des Regierungsamtes der Prüfung beizuwohnen.

Die Prüfungskommission hat ihr vornehmliches Augenmerk dahin zu richten, dass in den Schulen nach dem vorgeschriebenen Lehrplane verfahren werde.

§ 35

Beim Ende der Prüfung kann sich die Kommission über den Gehalt und Werth der Schule, jedoch in der Regel nicht über die Auszeichnung einzelner Schüler vor den Anwesenden aussprechen.

Hierauf werden die Namen derjenigen Schüler, welche von dem ordentlichen Schulbesuche entlassen sind, abgelesen und die Entlassungszeugnisse erteilt.

§ 36

Nach dem Schlusse der Prüfung hat die Kommission alle zur Abschaffung eines gründlichen Schulberichtes notwendigen Umstände zu erheben, insbesondere hat sie zu untersuchen, ob gegen die Person des Lehrers gegründete Beschwerden obwalten oder ob der Lehrer auf seiner Seite zu wirklichen Beschwerden veranlasst sei.

§ 37

Sowohl die Schulprüfung wie die damit verbundene Untersuchung sind mit kluger Umsicht und jenem Anstand vorzunehmen, welchen die Wichtigkeit und der Zweck des Geschäftes erfordert. Ernst und Strenge ist nur dann anzuwenden, wenn wohlwollende und gütige Ermahnungen vergeblich gewesen sind.

§ 38

Mit den Sonntagsschülern ist von dem Pfarrer an einem von ihm zu bestimmenden Tage im Beisein der Ortsvorgesetzten jährlich eine öffentliche Prüfung am Schlusse des Winterkurses vorzunehmen, wobei die Entlassung derjenigen Schüler, welche das vorgeschriebene Alter erreicht und hinreichende Kenntnisse dargelegt haben, zu geschehen hat.

§ 39

Ebenso ist auch am Schlusse des Sommerschulkurses von der Lokalschulbehörde eine Prüfung mit den Werktagsschülern vorzunehmen. Von dieser Prüfung sowohl als von derjenigen der Sonntagsschule ist der Schulkommissär vorläufig in Kenntniss zu setzen, damit dieser, wo er es nothwendig findet, dabei erscheinen könne.

Der Schulkommissär soll diesen Prüfungen wenigstens alle zwei Jahre einmal beiwohnen.

Titel VI
Von den Schullehrern.

§ 40

Die Schullehrer sind entweder Provisoren oder definitiv angestellte Lehrer.

§ 41

Die Lehrer und Provisoren sowie die mit gutem Erfolge geprüften Schulamts-Kandidaten sind von der Militärpflicht und der persönlichen Aushebung befreit; im Falle des Austrittes oder der Entlassung aus dem Schuldienste während des militärpflichtigen Alters haben sie der Militärpflicht genüge zu leisten.

§ 42

Die Ausbildung derjenigen, welche sich dem Berufe eines Schullehrers widmen wollen, hat in der Regel in einem öffentlichen Schullehrer-Seminar Deutschlands zu geschehen. Das Regierungsamt kann jedoch zur Erteilung dieses Unterrichtes auch einzelne hierfür befähigte Geistliche oder Schullehrer ermächtigen.

Das Nähere über die Ausbildung der Schulaspiranten hat das Regierungsamt zu bestimmen.

§ 43

In der Regel können nur Inländer als Schulamtskandidaten auftreten; mangels geeigneter Individuen im Lande werden auch Kandidaten aus den deutschen Bundesstaaten zugelassen.

§ 44

Kein Schulamtskandidat kann zu einer wirklichen Anstellung eher gelangen, als bis er eine Prüfung in sämmtlichen Lehrgegenständen, dann im Gesang und Orgelspiel mit gutem Erfolge abgelegt und sich über ein gutes, religiöses und sittliches Betragen ausgewiesen hat.

§ 45

Jeder Schulamtskandidat wird für die ersten zwei Dienstjahre nur als Provisor angestellt; nach Umfluss dieser Zeit kann er sich der praktischen Lehrerprüfung zur Erlangung einer definitiven Anstellung unterziehen.

§ 46

Das Regierungsamt hat die näheren Bestimmungen über die theoretische und praktische Lehrerprüfung zu erlassen und die Prüfungskommission zu ernennen.

§ 47

Die Provisoren werden von dem Regierungsamte angestellt, aus Dienstesrücksichten beliebig versetzt und wegen mangelhafter Dienstleistung oder vorschriftswidrigen Betragens entlassen.

Die definitiven Lehrer werden von der fürstlichen Hofkanzlei auf Grund eines Vorschlages des Regierungsamtes angestellt; sie können aus Dienstesrücksichten auf eine andere Stelle mit wenigstens gleichem Gehalte und wegen Dienstvergehen auf eine Stelle mit geringerem Gehalte von dem Regierungsamte versetzt werden. Die Entlassung eines definitiven Lehrers erfolgt durch die fürstliche Hofkanzlei in folgenden Fällen:

a) Wenn ein Lehrer sich eines Verbrechens oder einer Polizeiübertretung schuldig macht, welche ihn um die öffentliche Achtung bringt;

b) wenn er unsittliche Handlungen vor den Kindern begeht, oder öffentlich Aergerniss gibt;

c) wenn er Schulkinder grob misshandelt;

d) wegen eines seines Standes unwürdigen oder mit seinem Berufspflichten unvereinbarlichen Benehmens;

e) wegen Unverträglichkeit, wegen Ungehorsams oder Vernachlässigung seiner Dienstpflichten oder wegen unordentlichen Lebenswandels, wenn Mahnungen fruchtlos geblieben sind.

§ 48

Will ein Lehrer oder Provisor aus dem Schuldienst austreten, so hat er sein Entlassungsgesuch bei dem Regierungsamte anzubringen, der Dienst ist ordnungsmässig fortzusetzen, bis die Entlassung von dem Regierungsamte erteilt ist. Nach Umfluss von sechs Wochen, vom Tage der Einreichung des Gesuchs, muss die Entlassung ertheilt werden.

Titel VII
Von den Schullehrer-Konferenzen

§ 49

Zur Beförderung der theoretischen und praktischen Fortbildung der Lehrer und Provisoren werden alljährlich im Frühlinge und Herbste zwei Konferenzen unter Leitung des Schulkommissärs regelmässig am Amtssitz abgehalten, woran sämmtliche Lehrer und Provisoren Teil zu nehmen haben. Die Landesgeistlichen sind dazu einzuladen.

§ 50

Jedesmal werden Fragen aus dem Gebiete der Schulkunde rechtzeitig bekannt gegeben werden, welche von den Lehrern und Provisoren bis zur nächsten Konferenz schriftlich zu beantworten und an den Schulkommissär einzureichen sind.

§ 51

Das Regierungsamt kann längere Fortbildungskurse für die Provisoren und Lehrer wegen mangelhafter Dienstleistung anordnen.

§ 52

Jeder Lehrer und Provisor erhält für die ordnungsmässige Teilnahme an den Konferenzen und Lehrkursen eine Taggebühr von 1 fl. 12 kr. aus dem landschäftlichen Schulfond.

§ 53

Die jenigen, welche ohne hinreichend gerechtfertigte Ursache nicht erscheinen, haben eine Geldbusse, welche das dreifache der bestimmten Taggebühr ausmacht, in den landschäftlichen Schulfond zu bezahlen.

§ 54

Ueber die Abhaltung der Konferenzen und Lehrkurse hat das Regierungsamt das Nähere zu bestimmen.

Titel VIII
Von dem Schullehrergehalte

§ 55

Die Gehalte der Schullehrer werden aus Gemeindemitteln und Lokalstiftungen bestritten. Der landschaftliche Schulfond gibt dazu einen verhältnismässigen von dem Regierungsamte zu bestimmenden jährlichen Beitrag.

§ 56

Wenn eine Schule fünfzig oder weniger Schüler zählt, beträgt

der Provisorengehalt ……       200 fl

der Lehrergehalt…………      250 fl

Bei Schulen von mehr als fünfzig Schülern beträgt

der Provisorengehalt……        250 fl

der Lehrergehalt………….     300 fl

Der Stand der Schülerzahl zur Zeit der in Gemässheit dieses Gesetzes eintretenden Gehaltserhöhung oder der künftigen Besetzung einer Schulstelle ist entscheidend.

§ 57

Der in § 56 normirte Gehalt bildet das Minimum; bereits höher stehende Schullehrer-Gehalte erleiden durch diese Bestimmungen keine Verringerung.

§ 58

Der Organisten- und Messnerdienst kann mit dem Schuldienste verbunden werden, sofern es dem Schulinteresse nicht nachtheilig ist.

Der Organisten- und Messnergehalt darf in den Normalgehalt des Lehrers nicht eingerechnet werden.

§ 59

Jedem Schullehrer gebührt nebst dem Gehalte eine angemessene Dienstwohnung oder eine entsprechende Entschädigung für Hausmiethe.

§ 60

Jeder Schullehrer bezieht von der Gemeinde jährlich 3 Klafter Scheitholz ohne Entgelt; das Holz ist ihm von der Gemeinde frei beizustellen und wird in den Normalgehalt nicht eingerechnet.

Ist der Schullehrer zugleich Gemeindebürger, so bezieht er ausserdem sein Bürgerholz.

§ 61

Für ausgezeichnete Leistungen der Schullehrer im Schulsache werden aus der Landeskasse jährliche Gratifikationen von 20-36 fl. bestimmt; bei der dem Regierungsamte zustehenden Zuerkennung ist namentlich auf die Konferenzarbeiten Rücksicht zu nehmen.

§ 62

Ueber die Unterstützung und Pensionierung untauglich gewordener Schullehrer werden eigene Bestimmungen erfolgen

Titel IX
Von der Besetzung der Schullehrerstellen.

§ 63

Von jeder eintretenden Erledigung eines Schuldienstes ist durch das Pfarramt und Schulkommissariat dem Regierungsamte Anzeige zu erstatten und ein Antrag wegen einstweiliger Verwesung des Dienstes beizufügen.

§ 64

Das Schulkommissariat hat einen genauen Ausweis über das Diensteinkommen beizufügen und dabei namentlich auf den Ertrag des Organisten- und Messnerdienstes so wie auf die Möglichkeit der Vereinigung dieser Dienste Rücksicht zu nehmen. Ausserdem ist in dem Berichte anzugeben, wem die Verleihung dieser Nebenverdienste nach Urbarien oder nach sonstiger Uebung zustehe.

§ 65

Das Regierungsamt wird alsbald nach eingelangter Anzeige die erfolgte Diensterledigung unter Bezeichnung des Diensteinkommens und Anberaumung eines vierwöchentlichen Anmeldungstermines öffentlich bekannt machen.

§ 66

Die Bewerber haben die Ausweise über ihre Befähigung und zugleich ein glaubwürdiges Zeugniss über ihren letzten Aufenthalt, sittliches Prädikat und Dienstverhalten, wenn sie als Provisoren oder sonst Dienste geleistet haben, dem Gesuche beizulegen.

§ 67

Wenn eine Schulstelle, mit welcher der Organisten- und Messnerdienst vereiniget ist, durch Begebung oder sonst künftig erlediget wird, so ist auch der Organisten- und Messnerdienst ohne weitern Anspruch des bisherigen Besitzers für erledigt anzusehen.

Titel X
Schlussbestimmungen.

§ 68

Das Schulgesetz findet auch auf die im Lande stehenden Schwester-Schulen Anwendung, soweit nicht besondere vertragsmässige Abkommnisse mit den Obern der Schulschwestern eine Ausnahme begründen.

Die Gehalte der Schulschwestern werden wie bisher von Fall zu Fall durch Verträge festgesetzt.

§ 69

Die Rekurse gegen Verfügungen des Regierungsamtes in Schulsachen gehen an die fürstliche Hofkanzlei und sind binnen acht Tagen von der Zustellung an einzureichen.

§ 70

Das gegenwärtige Gesetz tritt vom Tage der Bekanntmachung in Kraft, von wo an die Schulordnung von 5. Oktober 1827 sowie alle widersprechenden spätern Verordnungen ausser Wirksamkeit gesetzt sind.

Wien, am 8. Februar 1859

Johann Fürst von und zu Liechtenstein

L.S

Franz Strak, fürstlicher Wirtschaftsrat.

 

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[1] Kein Originaltitel.