Rheinberger bewirbt sich um die Stelle eines Klavierlehrers und legt Zeugnisse von Leonhard und Lachner bei.


Brief Josef G. Rheinberger an Hohe Direction mit Zeugnissen
8. Mai 1858, München


Hohes Directorium!

Da Herr Musikdirector D i e t r i c h in Bonn die ihm übertragene Klavierlehrerstelle am kg. Musikconservatorium nicht angenommen hat, diese Stelle somit wieder erledigt ist, so habe ich geglaubt, mich um dieselbe bewerben zu können. Ich habe mein Gesuch unmittelbar beim kg. Ministerium eingereicht, um, falls die Stelle schon in der allernächsten Zukunft besetzt werden sollte, meine Bewerbung noch innerhalb eines etwa gesetztenTermines an das kg. Staats=Ministerium gebracht zu haben.
Indem ich mich verpflichtet erachte, euer Hohen Direction hiervon Nachricht zu geben, bitte ich Solche, mein Bewerbungsgesuch Ihres Ortes wohlgeneigtest unterstützen zu wollen.

Euer Hohen Direction
Ergebenster
Rh[einberger]
München, den 8.5.58.

Zeugniss

Herr Joseph Rheinberger

geb. aus Vaduz

war vom Jahre 18 51/52 bis Ende des Schuljahres 1854 Zögling des kgl. Conservaoriums für Musik in München, u. in dieser Eigenschaft als Schüler des Unterz. Der Genannte hat sich während dieser Zeit sowohl durch ganz vorzügl. musikalische Anlagen, als auch durch seinen musterhaften Fleiss u. untadeligen Lebenswandel auf's rühmlichste ausgezeichnet, u. sich überhaupt eine umfassende musikal. Bildung erworben, sodass ihn sein Lehrer als einen überaus tüchtigen u. solid gebildeten Clavierspieler aus der Anstalt entlassen konnte; nicht nur was mechanische Ausbildung anbelangt, sondern auch namentl. in Bezug auf geistige Auffassung u. ehrenwerthe classische Richtung. Nach seinem Austritt aus der Anstalt ist derselbe hier u. da auch öffentl. sowohl als Componist als als Pianist aufgetreten, u. hat ihr stets Ehre gemacht. Der Unterz. hat später öfter Gelegenheit genommen, seinen

ehemaligen Schüler auch als Lehrer Solchen zu empfehlen, die einen gründlichen Clavier-Unterricht suchen u. zu würdigen wissen, u. dabei immer die Genugthuung gehabt, auch das pädagogische Talent des Gen. vollkornmen anerkannt zu sehen. Mit gutem Gewissen u. in der Überzeugung, die Sache ächter Kunst dadurch zu fördern, erlaubt er sich sonach hierdurch, Herrn Rheinberger auch allen Denjenigen warm u. dringend zu empfehlen, in deren Bereich es liegen könnte, Selbigem auch zu einem ausgebreiteterem Wirkungskreise zu verhelfen, wie er seinen Fähigkeiten u. Leistungen entsprechend dürfte.

Solches bezeugt nach bestem Wissen

München, den 8ten Mai, 1858 J. Emil Leonhard.


[Anmerkung Wanger/Irmen: Lachners Zeugnis aber war in Vaduz nicht mehr aufzutreiben. Er stellt ein neues Dokument aus. Rheinberger übersendet es mit folgenden Zeilen am 25. Mai 1858:]

Der allerehrfurchtsvollst Unterzeichnete erlaubt sich nachträglich zu seiner aller sub missesten Eingabe v. 9ten d.M. das angeschlossene Zeugniss des Hr. GMD Lachner vom Heutigen mit der allerunterthänigsten Bitte um Rückgabe dieses wie der früheren Zeugnisse, vorzulegen":

25. Mai 1858

Zeugniss

Dem Herrn J.Rh. bezeuge ich der Wahrheit gemäss, dass ich ihn als ebenso theoretisch wie praktisch durchgebildeten Künstler kennen zu lernen vielseitige Gelegenheit gehabt habe, dass er namentlich als Klavierspieler Ausgezeichnetes leistet und im Gebiete der Composition schon mehrere höchst achtungswerthe Proben von Talent abgelegt, und demzufolge jedweder Empfehlung und Berücksichtigung aufs Vollständigste würdig bezeichnet zu werden verdient.

München, den 25. Mai 1858

L.S. Franz Lachner

General-Musik-Director

 

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