Vincenz Lachner ist begeistert von Rheinbergers Oper und will sie in Mannheim als Novität sobald wie möglich zur Aufführung bringen.


Vincenz Lachner schreibt an Rheinberger:


Geehrter Meister!

Mit diesem, mir aus vollem Herzen kommenden und in seiner ganzen Bedeutung ausgesprochenen Worte begrüsse ich Sie, nachdem ich soeben den letzten Takt Ihrer Oper gelesen.

Wer wie ich in dem traurigen Berufe eines Theaterkapellmeisters der Jetztzeit zwanzigmal Spreu und darunter, wenn es hoch kommt, einmal Weizen für seine Tenne erhält, der weiss das Glück zu schätzen, einem Werke zu begegnen, das gleicherweise den Mann von tiefem Gemüthe, warmer Empfindung, geistvoller Erfindung, wie die geübte Hand einer meisterhaften Technik bekundet!

Es drängt mich, Ihnen meinen aufrichtigsten Glückwunsch, meine volle Anerkennung auszudrücken, ehe ich Ihnen das Werk selbst zurückschicke, das ich noch einmal durchgehen möchte.

Mit Spannung sehe ich dem morgigen Tage entgegen, an dem ich Ihre gütig versprochene Nachricht erwarte, dass die 7 Raben am Dienstag aufgeführt werden sollen. Denn wenn ich auch über den hohen Werth der Musik völlig im Klaren bin, so bin ich mir doch der dramatischen Wirkung nicht überall bewusst.

Auch ersetzt die lebendigste Einbildungskraft und die grösste Erfahrung keineswegs die lebendige Darstellung. Es ist meine ernstliche Absicht, Ihr Werk hier zur Aufführung zu bringen, und zwar so bald als möglich, etwa in der 2ten Hälfte September. (Im Monat Juli ist das hiesige Theater geschlossen)

Sollte die Oper etwa in der nächsten Zeit nicht gegeben werden können und mir dadurch die Gelegenheit zu einer persönlichen Behandlung dieser Angelegenheit geraubt werden, so bitte ich Sie schon jetzt, mir den Preis für die Partitur mitzutheilen, wobei ich mir die Bemerkung erlaube, dass die hies/ige/ Bühne nach ihren finanziellen Kräften nicht unter die eigentlichen Hoftheater zu zählen ist. Der Ausgabe- und Einnahmeetat desselben stellt sich auf Ca. 150.000 fl. - Dagegen glaube ich Ihnen eine relativ gute Aufführung versprechen zu können. Die 3 Frauenrollen finden gute Vertreterinnen und die Männer sind mindestens nicht schlecht.

Wenn ich morgen, zu meinem grossen Leidwesen, keine Nachricht von Ihnen bekomme, schicke ich Ihnen den Clavier-Auszug Dienstag zurück, womit ich den gesteckten Termin nicht überschreite.

In der angenehmen Hoffnung, Ihnen persönlich meinen Dank und aufrichtige Hochachtung bezeigen zu können, bin ich Ihr ergebenster

V. Lachner

Mannheim, 6. Juni 69

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