Walter Feger beklagt sich bei der liechtensteinischen Gesandtschaft in Wien, dass er als liechtensteinischer Briefmarkenhändler vom Briefmarkenkonsortium keine Briefmarken bekommt


Maschinenschriftliches Schreiben an die Gesandtschaft Wien, gez. Walter Feger, mit Randbemerkungen von Gustav Flesch[1]

7.12.1920, Vaduz

Seiner Durchlaucht Prinzen Eduard von und zu Liechtenstein, Wien

Euer Durchlaucht! [2]

Über Veranlassung meines Bruders, Hochw. Herrn Hofkaplan Alfons Feger in Vaduz, erlaube ich mir nachstehend Stellung zu nehmen, gegen den mir von Seiten des Briefmarkenkonsortiums gemachten Vorwurf: ich hätte durch Unterangebote in Liechtensteinbriefmarken das Land geschädigt. Ich hätte Luftofferten gemacht und dadurch die Briefmarkenhändler im Glauben gehalten, dass selbe die Liechtensteinmarken durch mich billigst erhalten könnten.

Ich möchte gleich jetzt schon bemerken, dass ich, nachdem mir diese Vorwürfe von Seiten eines Konsortiumsmitgliedes, des Herrn Oberlehrer [Emil] Risch von Triesen, in öffentlicher Versammlung gemacht wurden, ich selben beim hiesigen Landgerichte klagte – in erster Linie, weil diese Vorwürfe völlig unwahr waren und mich in meinem Ansehen schädigten, dann aber auch, um endlich der Bevölkerung klaren Wein in dieser Sache einzuschenken. Die Verhandlung hatte, nach Vernehmung der in erster Linie in Betracht kommenden gegnerischen Zeugen, das Resultat, dass ein Existieren von Unterangeboten meinerseits nicht bewiesen werden konnte, weil tatsächlich solche niemals existierten, wiewohl einige der gegnerischen Zeugen glaubten behaupten zu dürfen, solche einmal gesehen zu haben. Wenn solche wirklich existieren würden, wäre es gewiss dem Gegner ein Leichtes gewesen, selbe vorzulegen. Ich habe dem f.l. Landgerichte sämtliche Zirkulare vorgelegt, welche ich an meine Kunden zum Versandt brachte.

Seit der ersten Erscheinung der Liechtensteinmarken im Jahre 1912 befasse ich mich mit dem Vertrieb derselben, wenn damals nur erst im kleinen; nach und nach gewann mein Geschäft grösseren Umfang. Am 31. Okt. 1919 waren Euer Durchlaucht so liebenswürdig, mir über mein Ersuchen, durch die f.l. Regierung ein Quantum von zwanzigtausend Satz der Ausgabe 1919 der Liechtensteinmarken zu übermitteln. Nach Bildung des Briefmarkenkonsortiums wandte ich mich, um mein Geschäft weiter ausüben zu können, an den Leiter desselben, Herrn Flesch, damals in Prachatitz [3] wohnhaft. Ich erhielt denn auch erstmals am 24. März ds. Jhrs. von Herrn Flesch die Zusicherung, dass ich beliefert werden würde und auch später des Öftern das Versprechen, dass ich mich gewiss zufrieden geben könne, denn er werde mich als Liechtensteiner Bürger speziell berücksichtigen. Anlässlich eines Aufsuchen meinerseits bei Herrn Flesch in Salzburg sagte mir selber fest ein Quantum von ca. fünfundzwanzigtausend komplette Sätze Liechtenstein Marken zu und zwar mit einer Kreditgewährung, bis ich genügend Marken verkauft hätte, um die bezogenen fünfundzwanzigtausend Satz zu bezahlen. Ich zeigte damals Herrn Flesch einen meiner Prospekte und fragte ihn damals und ausserdem mehrmals später und früher, ob ich einen bestimmten Preis ansetzen soll, [4] worauf er es mir freiliess, die Preise so anzusetzen, wie ich es für gut denke. Es war mir nicht daran gelegen, etwas zu unternehmen, was der Marke bezw. dem Lande geschadet hätte und ersuchte dann auch Herrn Flesch um diesbezgl. Mitteilungen, erhielt jedoch hierauf niemals eine klare Antwort. Zudem musste Herr Flesch wissen, dass ich als Briefmarkenhändler Prospekte, welche er übrigens sah, Inserate etc. erscheinen lassen musste. Es wäre mir also freigestanden meine Preise zu machen und trotzdem unterliess ich dies und machte erst dann Preise, nachdem die Liechtensteinmarken schon in aller Welt zu erhalten waren und ich auch endlich vom Konsortium ein Quantum von nicht mehr wie eintausend Satz erhielt. [5] Ich bestellte s. Zt. beim Konsortium ein Quantum von zweihunderttausend Satz [6] und hatte auf dieses Quantum Bestellungen, trug mich an, dieselben Preises zu bezahlen, [7] wie ein anderer Engroshändler und hätte also diese Bestellung dem Lande vorerst mindestens einen Betrag von zwei Millionen deutscher Reichsmark eingebracht. Ich möchte hier als Fachmann bemerken, dass jeder Sammler und Händler hofft, die Marken dort zu bekommen, wo selbe verausgabt werden und die Marken auch lieber kauft, als wenn er die Liechtensteinmarken in Wien [8], kaufen muss. Dieses unkaufmännische Vorgehen hat vielleicht dem Konsortium, zumindest aber sehr schwer der Marke, auch für die Zukunft und folgegerichtlich dem Lande Liechtenstein geschadet. Ich werde denn auch nicht nur als Geschäfts- & Fachmann, sondern auch als Liechtensteiner, nicht nachlassen, bis der Verkauf der Liechtensteinmarken in dieser Weise vor sich geht, wie es fast in jedem andern Lande der Fall ist, wie es der natürlichste Weg ist und die Marke selbst darunter nicht leidet. Es ist keine geringe Verantwortung, welche durch die Geschäftsgebahrung des Konsortiums entsteht: wodurch dem Lande jährlich Millionen entzogen werden. Jeder unparteiische Fachmann wird übrigens in gleicher Weise urteilen müssen.

Abgeordneter [Emil] Risch wurde vom hiesigen Landgerichte freigesprochen und zwar lediglich auf Grund des Wahrscheinlichkeitsbeweises; ein Wahrheitsbeweis konnte nicht erbracht werden. Gegen dieses Urteil habe ich Berufung eingelegt. Wie Euer Durchlaucht bekannt sein dürften, wurde Seitens des Konsortiums mit einem Schweizer Briefmarkenhändler ein Vertrag abgeschlossen, demzufolge letzterer ein Quantum von zweihundertfünfzigtausend Satz zu sfrs. drei abnehmen soll. Dieser Vertrag wurde nicht eingehalten und zwar lediglich, weil [Wilhelm] Wittlacil sagte, er könne die Marken nicht verkaufen, da ich ihn unterbiet. Es wäre Sache des Konsortiums gewesen, auf Einhaltung des Vertrages zu bestehen oder zumindest mich dafür verantwortlich zu machen, [9]  was nicht geschehen ist. Ein Fachmann wird bestätigen, dass ein Verkauf von kursierenden Briefmarken mit einem Aufschlag von einigen hundert Procent [10] eben in das Bereich der Unmöglichkeit gehört und die Händler und Sammler keine Idioten sind, welche eine kursierende und im verausgabenden Lande nicht zu erhaltende Marke, mit diesem Aufschlage kaufen. Übrigens vernehme ich, dass nun die betr. St. Galler Firma gegen das Konsortium einen Prozess wegen Vertragsbruch eingeleitet hat.

Über die „segensreiche“ Arbeit des Konsortiums für die Liechtensteinbriefmarke und damit für das Land Liechtenstein selbst, wissen die Fachblätter aller briefmarkensammelnden Staaten zu berichten. Die Behauptung, solche Artikel entstammen einer liechtensteinischen Feder, entspricht nicht der Wahrheit, da sich gewiss niemand ins eigene Fleisch schneiden will. Massgebende Firmen des Auslandes schreiben mir, dass die Liechtensteinmarken, [11]weil Konsortiummarken nicht führen und dasselbe von jeder realen Firma erwarten. Die „flotte“ Geschäftskorrespondenzerledigung des Konsortiums beweisen bei mir zahlreichst eingehende Anfragen, wonach bereits vor Monaten beim Konsortium erfolgte Geldsendungen auf Markenbestellungen keine Beantwortung finden. [12]

Ich erlaube mir noch zum Schlusse auf den Artikel in No 58 des Liechtensteiner Volksblattes vom 21. Juli 1920 zurückzukommen, wonach Euer Durchlaucht meine Markenausstellung als zu hoch und in unwahrscheinlichsten Mengen sich bewegend darstellen. Des weitern meine Vorsprache bei Herrn Dr. [Wilhelm] Beck als Controlleur in der Markenangelegenheit als Schauermärchenerzählung darstellen. Von informierter Seite erfuhr ich, dass diese Notiz über Veranlassung des Herrn Flesch erschien, [13] welcher mir schon früher sagte, dass die Auflage der Neuausgabe mindestens dreiviertel Millionen Satz, [14] betrage und kann ich eben nicht verstehen, dass ein liechtensteinischer Briefmarkenhändler, der dieselben Preise, wie ein ausländischer Händler bezahlt, hievon nicht zweihunderttausend Satz erhalten kann, wodurch das Land sofort Geld erhalten und die Marke, weil auf natürlichen Wegen käuflich, an Ansehen gewonnen hätte.

Durch die Nichtbelieferung trotz vielfach wiederholten Versprechungen von Seiten des Herrn Flesch, als Leiter des Konsortiums und Seiner Durchlaucht Prinzen Carl von Liechtenstein, erlitt schliesslich auch ich einen bedeutenden Schaden.

Ich wäre Euer Durchlaucht sehr verbunden, wenn über Veranlassung Eurer Durchlaucht nur endlich ein entsprechendes Quantum der Liechtensteinmarken gegen Baarzahlung zugewiesen würden, denn ich vermag auch heute noch nicht Bestellungen, die vor Monaten geschahen, zu erledigen, eben weil ich die Liechtensteinmarken [15] als Liechtensteiner nicht bekommen kann.

Genehmigen Euer Durchlaucht meine vorzügliche Hochachtung

Ergebendst

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[1] LI LA SF 03/1921/391. Registraturvermerk Gesandtschaft Wien: Zahl 643/2. Der fürstliche Gesandte Eduard von Liechtenstein leitete das Schreiben an Gustav Flesch zur Stellungnahme weiter. Dessen Rückäusserungen sind als Randvermerke in Bleistift auf dem Original vermerkt. Rückvermerk: „Markenangelegenheit Walter Feger. Wird der philat[elistischen] Verschleissstelle in Salzburg zur Äusserung gegen Rückschluss der Exhibites übermittelt. Wien, am 14. Dezember 1920. Der fürstl. Gesandte: Liechtenstein.“ Flesch nahm in einem Schreiben vom 20.12.1920 zu den Vorwürfen von Walter Feger Stellung.
[2] Einleitende Bemerkung von Flesch: „Feger off[eriert] P. [?] 10 % über Nominale, P. schickt darauf 1000 M. an Feger. Monate vergehen dann schreibt F.[Feger] an P. Marken rechnet aber bedeutend höher (12 oder 14 M) worauf P. sein Geld rückfordert.“
[3] Prachatice (deutsch Prachatitz) Stadt in Südböhmen.
[4] Randbemerkung Gustav Flesch: „Beck sagte er 150%“.
[5] Randbemerkung Gustav Flesch: „100‘000 gingen [nach] Vaduz, er hätte 25‘000 haben können.“
[6] Randbemerkung Gustav Flesch: „= ca. 9 Millionen“.
[7] Randbemerkung Gustav Flesch: „dann brauchte er nicht Kredit für 25‘000 Satz“.
[8]Randbemerkung Gustav Flesch: „[hier] werden „Herr Fachmann“ die Marken der ganzen Welt gehandelt“.
[9] Randbemerkung Gustav Flesch: „geht wohl nicht, aber man gab ihm keine Marken“.
[10] Randbemerkung Gustav Flesch: „war nicht einige 100 %, sondern 75%“.
[11]Randbemerkung Gustav Flesch: „warum will er solch „schlechte“ Marke“.
[12]Randbemerkung Gustav Flesch: „[Ferdinand] Nigg!!“
[13]Randbemerkung Gustav Flesch: „ist unwahr“.
[14]Randbemerkung Gustav Flesch: „nein 480‘000 Satz“.
[15] Randbemerkung Gustav Flesch: „in Mark erhältlich“.