Nach Einschätzung von Regierungschef Gustav Schädler "hintertreiben" die Schwestern vom Kostbaren Blut den Verkauf von Gutenberg seitens der fürstlichen Domänenverwaltung an die Gemeinde Balzers


Maschinenschriftliches Schreiben der Regierung, gez. Regierungschef Gustav Schädler, an die fürstliche Kabinettskanzlei in Vaduz [1]

6.9.1924

Hochverehrter Herr Kabinettsdirektor [Josef Martin]!

Mit dem geschätzten Schreiben vom 20. August 1924 [2] hat die fürstl. Kabinettskanzlei mitgeteilt:

„Die Domänenverwaltung wird nunmehr beauftragt, nach vorstehendem mit der Gemeinde Balzers den Kaufvertrag abzuschliessen und die ew. Frau Oberin [Anna Berger] des Ordens vom kostbarsten Blute in Gutenberg [3] in freundlichster Form aufzuklären, dass das Entgegenkommen der Gemeinde gegen den Orden unter den obwaltenden Umständen, speziell auch im Hinblicke auf den mit der fürstlichen Verwaltung seitens des Ordens bestehenden Pachtvertrag, [4] welcher beiderseits eine einjährige Kündigung vorsieht, als genügend befunden werden muss.“

Nach sicheren Nachrichten ist dieser fürstliche Auftrag bis heute nicht vollzogen und die Gutenberger Schwestern sollen sich eifrig bemühen, hinter dem Rücken der Regierung die fürstliche Entschliessung zu hintertreiben.

Wir müssen hiegegen energisch protestieren und ersuchen Sie, sehr geehrter Herr Kabinettsdirektor, Weisung zu geben, dass der Kaufvertrag mit der Gemeinde Balzers gemäss dem fürstlichen Auftrag nunmehr sofort abgeschlossen wird. [5]

Empfangen Sie, hochverehrter Herr Kabinettsdirektor, den Ausdruck meiner vorzüglichsten Hochachtung und Wertschätzung.

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[1] LI LA RE 1924/3971 ad 2434.
[2] Schreiben der Kabinettskanzlei an die fürstliche Domänenverwaltung Vaduz vom 20.8.1924, zur Kenntnis an die Regierung, die Zentralkanzlei und die Zentralbuchhaltung (LI LA RE 1924/3971 ad 2434 (Aktenzeichen der Kabinettskanzlei: No. 54/7)).
[3] Vgl. die Bewilligung der Regierung für die Schwestern vom Kostbaren Blut in Rankweil für die Niederlassung auf Gutenberg bei Balzers vom 11.9.1920 zwecks Führung einer Haushaltungsschule und allfälliger Errichtung eines Waisenhauses (LI LA RE 1920/4100 ad 1062).
[4] Das fürstliche Haus in Gutenberg samt zugehörigem Wirtschaftsgebäude und Grundstücken wurde der Kongregation von der fürstlichen Domänenverwaltung gemäss Schreiben vom 24.8.1924 um einen jährlichen Mietzins von 100 Franken angeboten. Die Miet- bzw. Pachtdauer betrug 10 Jahre und sollte danach stillschweigend weiterlaufen. Im Übrigen stand den Vertragsparteien das einjährige Kündigungsrecht jederzeit frei. Gemäss einem Schreiben der Domänenverwaltung an die Kabinettskanzlei datierte der Pachtvertrag vom 30.11.1920 und lief vom 1.10.1920 bis zum 1.10.1930 (LI LA RE 1924/0854 ad 2434 (Aktenzeichen der Domänenverwaltung: Z. 146/1924)).
[5] Zur erfolgten Unterfertigung des Kaufvertrages mit der Gemeinde Balzers durch Fürst Johann II. vgl. das Schreiben der Regierung an die fürstliche Domänenverwaltung vom 3.3.1925 (LI LA RE 1925/0909).