Bischof Georg Schmid von Grüneck mahnt die Gemeinde Triesen, ihr Präsentationsrecht für die dortige Pfarrpfründe bis Ende Januar 1922 auszuüben, widrigenfalls er sich genötigt sehe, vom Recht der freien Ernennung Gebrauch zu machen


Maschinenschriftliches Schreiben des bischöflichen Ordinariates in Chur, gez. Generalvikar Laurenz Matthias Vincenz, an die liechtensteinische Regierung [1]

10.1.1922, Chur

An die Tit. frstl. Liechtenstein’sche Regierung, Vaduz

P.P. [praemissis praemittendis] [2]

Die Pfarrei Triesen hat leider bis heute keine Pfarrwahl vorgenommen. Gemäss kirchenrechtlicher Vorschrift beträgt die Frist für eine Präsentation 4 Monate nach Bekanntgabe der Vacatur. [3] Nun hat Hochw. Herr Pfarrer [Urban] Marock bereits am 15. Aug. seine Resignation eingereicht. [4] Trotz wiederholter Aufforderungen hat aber Triesen bis heute nichts getan. [5] Wir haben nun heute nochmals an die Gemeindevorstehung Triesen geschrieben in dem Sinne, dass der Hochw.ste Bischof [Georg Schmid von Grüneck] die Frist zu einer Präsentation noch verlängere bis Ende dieses Monates; sollte bis dahin keine Präsentation erfolgen, sei der Hochw.ste Bischof genötigt, von dem Rechte der freien Ernennung, das er für diesen Fall hat, Gebrauch zu machen.

Da die Tit. frstl. Regierung sich auch um diese Pfarrwahl bemüht hat, wird es von Interesse sein, diese Verfügung zu kennen. Der Hochw.ste Herr Landesvikar [Johann Baptist Büchel] ist davon unterrichtet. Wir sind dankbar für alle Bemühungen, welche die obschwebende Angelegenheit zu einem guten Ende führen können. – [6]

Wir teilen ferner mit, dass wir öffentliche Gebete angeordnet haben, damit die Wahlen zum Landtag zum Wohle des Landes ausfallen. [7]

Genehmigen Sie den Ausdruck vorz. Hochachtung,

für das bisch. Ordinariat:

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[1] LI LA RE 1922/0157. Briefkopf: „Ordinariatus Episcopalis Curiensis“. Eingangsstempel der Regierung vom 11.1.1922.
[2] Der gebührende Titel sei vorausgeschickt.
[3] Zum damals geltenden kirchlichen Patronatsrecht vgl. Can. 1448-1471 CIC 1917.
[4] Der Triesner Gemeindevorsteher Oskar Bargetze informierte die Regierung mit Schreiben vom 1.9.1921 über die Resignation von Pfarrer Urban Marock, welcher am 15.9.1921 die Gemeinde zu verlassen gedachte (LI LA RE 1921/3951).
[5] Mit Kundmachung vom 13.9.1921 wurde von der Regierung – auf Ansuchen der Gemeinde Triesen, welcher das Präsentationsrecht für die dortige Pfarrpfründe zustand – die vakante Stelle zur Wiederbesetzung ausgeschrieben. Bewerber hatten sich beim bischöflichen Ordinariat in Chur dem Konkurs zu unterziehen und ihre Gesuche innerhalb von 14 Tagen beim Landesvikar in Bendern oder bei der Regierung einzubringen (LI LA RE 1921/4045 ad 3951; L.Vo., Nr. 73, 14.9.1921, S. 4 („Kundmachung“)). Auf die Stelle bewarb sich am 22.9. Pfarrvikar Johann Buinger von der Pfarrei Ergisch im Wallis (LI LA RE 1921/4232 ad 3951). Das bischöfliche Ordinariat in Chur bzw. der Churer Bischof sprach sich jedoch gegen Buinger aus, wie Regierungschef Josef Ospelt der fürstlichen Kabinettskanzlei am 18.10.1921 mitteilte: „Der hochwürdigste Herr Bischof hat neuerlich mündlich diese Auffassung mir gegenüber vertreten, indem er ausführte, dass Buinger zwar ein guter Prediger und talentierter Mann sei, sich auch nicht eigentlich etwas strafbares habe zu Schulden kommen lassen, aber von Zeit zu Zeit sich doch so betrage, wie es sich für einen ernsten Priester nicht schicke. Herr Buinger müsse noch einige Zeit mit Aushilfsstellen zufrieden sein und der hochwürdigste Bischof beabsichtigte, ihn in der Diözese Basel, wo gegenwärtig grosser Priestermangel herrsche, unterzubringen“ (LI LA RE 1921/4580 ad 3951). Im Schreiben an die Regierung vom 12.10.1921 empfahl das bischöfliche Ordinariat den Schaaner Bürger Josef Wachter, Pfarrverweser im Kanton Schwyz, als geeigneten Seelsorger für Triesen (LI LA RE 1921/4539 ad 3951).  
[6] Vgl. u.a. das Antwortschreiben der Regierung an das bischöfliche Ordinariat in Chur vom 2.2.1922: Die Gemeinde Triesen hatte zunächst die Pfarrerwahl auf den 2.2. in Aussicht genommen, diese aber wieder verschoben, „weil heute ihr früherer Seelsorger, der hochwürdige Herr Pfarrer Marok als Leiche in der Gemeinde liegt“ (LI LA RE 1922/0157). Am 5.3.1922 wurde schliesslich der aus Schaan stammende Anton Frommelt, Professor in Schwyz, von der Triesner Gemeindeversammlung mit 107 von 150 gültig abgegebenen Stimmen gewählt (Schreiben der Gemeindevorstehung Triesen an die Regierung vom 6.3.1922 unter LI LA RE 1922/1083 ad 0157). Zu dieser Wahl bemerkte das bischöfliche Ordinariat der Regierung gegenüber am 29.3.1922: „Die Kirchgemeinde hatte das Präsentationsrecht für diesmal verloren, weil sie die vom Kirchengesetz bestimmte Frist zur Ausübung ihres Rechtes unbenutzt hat verstreichen lassen. Gleichwohl wollen wir dem hochw. Herrn die kirchliche Sendung zukommen lassen, müssen aber dazu bemerken, dass der Antritt vor Schulschluss nicht erfolgen kann. Der HH. Prof. Frommelt hat für die Maturitätsprüfung das Zeichnungsfach übernommen & kann als solcher nicht ersetzt werden“ (LI LA RE 1922/1462 ad 0157). Von November 1920 bis Oktober 1922 fungierte P. Otto Frey als Pfarrprovisor in Triesen. 
[7] Die Hauptwahlen zum Landtag fanden am 5.2.1922 statt, die Stichwahlen am 16.2.