Der Landtag kommt den streikenden Postangestellten teilweise entgegen


Handschriftliches Protokoll der Landtagssitzung [1]

22.5.1922

6. Gesuch der Postangestellten um Frankengehalt.

Der Präsident [Fritz Walser] erklärt, der Antrag der Kommission sei durch den Streik bereits überholt, es liege ein weiterer Antrag vor, da er selber im Postdienste tätig sei, trete er den Vorsitz an den Vizepräsidenten Dr. Beck ab.

Dr. [Wilhelm] Beck übernimmt den Vorsitz und bemerkt, es lägen zwei Kommissionsanträge vor, der erste betreffe die Zeit vom 1. März dieses Jahres bis 1. Mai, der zweite, welcher nicht in der Tagesordnung gedruckt sei, vom 1. Mai 1920 an. Die Anträge werden verlesen und die Aussprache darüber eröffnet.

Abg. Fritz Walser referiert zunächst über den zweiten Antrag: Dieser sei durch den Streik der Postbeamten veranlasst worden. Er und [Hermann] Erni in Triesen seien nicht am Streik beteiligt gewesen. Die Streikenden seien von der Gewerkschaft in Feldkirch unterstützt worden. Sie hätten strikte Forderungen gestellt, wie sie aus dem Volksblatt schon allgemein bekannt seien. Als souveräner Staat konnte unser Land mit der Gewerkschaft nicht verhandeln, wohl aber mit den Beamten. Die Postangestellten fühlten sich beleidigt, weil sie den Landesbeamten im Gehalte nicht gleichgestellt seien. Dr. Zingerle habe geraten, von einer Bestrafung abzusehen, womit die Kommissionsmitglieder nur mit schwerem Herzen sich einverstanden erklärten. Regierung und Kommission hätten prinzipiell und finanziell nicht auf die Forderungen eingehen können.

Regierungskommissär Durchlaucht Prinz Karl [von Liechtenstein] bemerkt, er möchte zu diesem bedauerlichen Streik als Schlusswort auch etwas sagen. Es sei merkwürdig, wie in unserer Zeit alle Rechtsbegriffe auf den Kopf gestellt würden. Beamte fühlen sich gebunden gegenüber Sozialdemokraten und nicht dem Dienstherren. Sie haben den Eid gebrochen. Sogar Männer von Jahren seien dabei gewesen. Künftig wird die Regierung nicht nur bei Streikausbruch, sondern auch bei Streikdrohung die Sache nicht ungestraft abgehen lassen. Der Herr Regierungskommissär dankt den Herren Postrat Dr. Zingerle und Postmeister [Fritz] Walser im Namen des Landes und der Regierung für die unschätzbaren Dienste, die sie in dieser Sache dem Lande geleistet haben.

Abg. Walser antwortet, er habe dabei nur seine Pflicht getan.

Abg. [Gustav] Schädler führt aus, Postbeamte sollen gleich bezahlt werden wie Staatsbeamte, denn Ungerechtigkeiten empfinde man bitter. Eine Bezahlung, wie sie war, war keine. Sie tun auch ihre Pflicht wie die andern. Er empfehle besonders die Briefträger, diese hätten im Unterlande einen weiten Weg zu machen und brauchten jährlich 2 bis 3 Paar Schuhe. Auch im Oberland sei einer, der einen weiten Weg zu machen habe und dabei noch seine Mutter unterhalte und die Wohnung bezahlen müsse. Man solle die Postbediensteten bezahlen wie die Landesbeamten.

Abg. Walser sagt, die Postangestellten seien in der letzten Sitzung durch den Abg. Schädler gekränkt worden, aber heute habe er es wieder gutgemacht. Beamte und Lehrer hätten viele Jahre her mehr Grund gehabt auf Gehaltserhöhung als die Postangestellten. Er beantrage, die Regelung des Amtspauschales der Regierung und Kommission zu überlassen.

Abg. Schädler entgegnet, er habe die Arbeit der Postangestellten auch damals geschätzt, aber verlangt, sie sollen unter Landtag und Regierung zu stehen kommen wie Beamte und Lehrer.

Abg. Dr. Beck erklärt, wir lassen uns von sozialdemokratischen Gewerkschaften des Auslandes nicht diktatorisch vorschreiben. Wir kennen die Not und es sei unser Wunsch, möglichst Liechtensteiner in den Postdienst zu nehmen. Wenn’s den andern nicht gefalle, sollen sie gehen.

Abg. [Emil] Risch möchte die Ausländer im Postdienst möglichst durch Inländer ersetzen. Jene seien die Unruhestifter, man solle die Poststellen ausschreiben und junge Leute heranbilden. Ausländer sollte man nicht ganz in Pension nehmen.

Abg. Walser meint, nach Verhältnis der Dienstjahre werden wir belastet werden. Das Prinzip der Gleichstellung mit Staatsbeamten sei nur möglich, wenn lauter Liechtensteiner da wären. Die Schweizer hätten schon jetzt mehr Lohn.

Abg. Beck wünscht, dass einige junge Leute in der Schweiz für den Postdienst ausgebildet würden.

Abg. Dr. [Eugen] Nipp ist auch für die Ausbildung junger Liechtensteiner für die Post, er frägt an, ob nicht auch Postdiener als Postbeamte übernommen werden könnten. Er glaube jedoch nicht, dass die jetzigen Fremden auszuliefern wären. Man könne Realschüler in der Schweiz ausbilden lassen.

Abg. [Josef] Sprenger fragt an wegen der Postfahrt, Futter und Pferde habe man jetzt.

Bei der nun folgenden Abstimmung wird der 1. Kommissionsantrag, wie er in der Tagesordnung gedruckt ist, [2] einstimmig angenommen. Ebenso wird der 2., sogenannte Zusatzantrag einstimmig angenommen. Dieser lautet wie folgt:

„Die Postbeamten und -diener sollen vom 1. Mai 1920 an gleich den liechtensteinischen Landesbeamten gestellt und sollen deren Bezüge von diesem Zeitpunkte an durch die Landeskasse in Franken ausbezahlt werden. Die Auszahlung aller Bezüge in Kronen durch die Postdirektion Innsbruck ist von diesem Datum an einzustellen.
Die Einreihung der Postbeamten und -diener in die Gehaltsklassen und Stufen des liechtensteinischen Gehaltsgesetzes nach Verhältnis ihres Dienstgrades und der Dienstjahre soll durch die vorgesetzte Postdirektion im Einvernehmen mit der fürstlichen Regierung erfolgen.
Die Regelung der Amtspauschale wird der fürstlichen Regierung im Einvernehmen mit der Finanzkommission überlassen.“

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[1] LI LA LTP 22.5.1922, S. 6-10.
[2] Der Antrag der Finanzkommissio lautete (Zit. nach L.Vo. 26.5.1920, S. 4):
Gesuch der Postangestellten in Liechtenstein um die gleiche Franken-Teuerungszulage wie dieselbe den Landes-angestellten gewährt wird.
(Referent: Emil Risch.)
Das Gesuch hebt hervor, dass mit den bisher bewilligten 40 Franken für die Postbeamten und 20 Franken für die Briefträger pro Monat ein Auskommen unmöglich sei. Auch das gegenwärtig bewilligte Amtspauschale für Miete, Beheizung, Beleuchtung, Reinigung des Amtslokales und zur Anschaffung von Kanzleimaterial etc. stehe mit der heutigen Teuerung in gar keinem Verhältnisse. Deshalb ersuchen sie, das Land wolle diese Auslagen ganz auf sich nehmen und monatlich oder auch vierteljährlich nach vorgelegter Rechnung der Postämter begleichen, da eine Pauschalierung wegen der fortschreitenden Teuerung nicht angehe. Ferner ersuchen sie um die Erhöhung der Frankenzulage ab 1. März 1920. Die Finanzkommission würdigt die vorgebrachten Gründe und empfiehlt dem Landtag folgenden Antrag zur Annahme:
1. Die Postbeamten erhalten ab 1. März 1920 an eine Frankenzulage pro Monat von 80 Franken.
2. Die Briefträger (und Postablagehalter) erhalten ab 1. März 1920 ab eine Frankenzulage pro Monat von 40 Franken.
3. Die Postämter beziehen ab 1. März 1920 für Miete, Heizung und Beleuchtung des Amtslokales und zur Anschaffung des Kanzleimaterials ein Amtspauschale von monatlich 20 Franken.
Punkt 1 und 2 des Antrages der Finanzkommission wurden dahin abgeändert, dass die Postbeamten und -Diener den Landesangestellten gehaltlich gleichgestellt werden sollen.“