Übereinkommen zwischen der Schweiz und Österreich-Ungarn betr. Zollabfertigung im Eisenbahnverkehr (Vollzug von Art. 18 f. des Staatsvertrags vom 27. August 1970)


Übereinkommen zum Vollzuge der Art. 18 usf. des Staatsvertrages zwischen Österreich-Ungarn, Bayern und der schweizerischen Eidgenossenschaft vom 27. August 1870, über die Herstellung einer Eisenbahn von Lindau über Bregenz nach St. Margrethen, sowie von Feldkirch nach Buchs

vom 2. August 1872

Nachdem unterm 30. Juni und 1. Juli 1871 in Buchs die nöthigen kommissionellen Vereinbarungen über die Räumlichkeiten für die vereinigten Zollämter in Buchs und St. Margarethen getroffen worden sind, haben nunmehr die Abgeordneten der betheiligten Staaten, und zwar für Österreich:

Herr Oberfinanzrath P. Eberle

und für die Schweiz:

die Herren: Bundesrath [Wilhelm Mathias] Naeff und Nationalrath [Johann] Zündt,

über den Zolldienst in den Eisenbahnstationen Buchs und St. Margarethen Nachstehendes festgesetzt:

Art. 1. Die in den Eisenbahnstationen zu St. Margarethen und Buchs des schweizerischen Kantons St. Gallen aufgestellten österreichischen und schweizerischen Zollämter werden in der für solche Ämter üblichen Weise mit dem Wappenschilde ihres Staates mit der entsprechenden Aufschrift versehen.

Art. 2. Die Zuweisung und Abgränzung der für den Zolldienst bestimmten Localitäten geschieht auf Grund der in den am 30. Juni und 1. Juli 1871 in Buchs getroffenen commissionellen Vereinbarungen und im Einvernehmen mit den beiderseitigen Zollverwaltungen ausschliesslich durch die Verwaltung der Vereinigten Schweizerbahnen.

Art. 3. Die in den Eisenbahnstationen St. Margarethen und Buchs aufgestellten österreichischen Zollämter werden mit den vollen Abfertigungsbefugnissen eines Hauptzollamtes 1. Klasse ausgestattet und zur Anwendung des abgekürzten Zollverfahrens (Ansageverfahrens) ermächtigt werden.

Sie werden die zollamtliche Abfertigung der Frachtgüter, Postsendungen und Reiseeffecten nach den in Österreich bestehenden Vorschriften mit allen gesetzlich zulässigen Erleichterungen vollziehen.

Art. 4. Bei der zollamtlichen Abfertigung ist darauf zu sehen, dass die Waaren unmittelbar aus der Hand der einen Zollverwaltung in die Hand der andern übergehen.

Die zollamtliche Untersuchung der Waaren ist zuerst von den Beamten des Staates, aus welchem die Waaren austreten, und dann von den Beamten des Staates, in welchen der Eintritt stattfindet, vorzunehmen, jedoch soll diese Amtshandlung zur Abkürzung des Verfahrens von den Beamten beider Staaten, soweit dies thunlich ist, gleichzeitig oder doch in unmittelbarer Aufeinanderfolge vorgenommen werden.

Den Angestellten der zusammengelegten Ämter ist gestattet, bei der Zollabfertigung des andern Amtes und bei der Verpackung der Gegenstände in die abgehenden Bahnwägen anwesend zu sein.

Sofern eine Umladung der Waaren unterbleibt, geschieht die Abnahme des zollamtlichen Verschlusses durch die Beamten des betreffenden Staates nur in Anwesenheit der Zollbeamten des andern Staates, welche sofort ihren Verschluss anlegen.

Art. 5. Jeder der beiden dieses Übereinkommen schliessenden Staaten verpflichtet sich, die Auflassung der Sicherstellungen, welche ihm für den Austritt der Durchfuhrgüter aus dem eigenen Gebiete oder für den Wiederaustritt ausländischer unverzollter Waaren geleistet worden sind, und die für Ausfuhren nach den bestehenden Gesetzen gebührende Nachsicht oder Rückvergütung von Abgaben erst dann eintreten zu lassen, wenn durch eine von dem Eingangsamte des andern Staates ausgestellte Bescheinigung nachgewiesen wird, dass die Waare bei diesem Amte gestellt und angemeldet worden ist.

Diese Bescheinigung haben die Ämter auf dem kürzesten Wege mittelst Ansatzes auf den gegenseitigen Amtspapieren auszustellen.

Art. 6. Die beiderseitigen Ämter werden sich gegenseitig ihre Wahrnehmungen über Vorgänge, welche eine Verletzung der gegenseitigen Zollinteressen oder bestehender Ein-, Aus- oder Durchfuhrverbote erkennen oder besorgen lassen, in kürzestem Wege mittheilen, und im Allgemeinen zusammenwirken, um Unterschleife bei dem zollpflichtigem Verkehr auf den genannten Bahnhöfen und auf der von denselben zur österreichisch-schweizerischen Gränze führenden Eisenbahnstrecke, sowie überhaupt Vergehen gegen die Zollvorschriften des andern Staates zu verhindern, oder - wenn dieselben bereits vollzogen worden sind - zur Entdeckung zu bringen.

Die Oberbeamten beider Ämter, sowie die denselben vorgesetzten Organe der beiderseitigen Zollverwaltungen, dann die eigens zu diesem Zwecke delegirten höheren Beamten sind berechtigt, in die Zollregister und Registerbeilagen, soweit sich dieselben auf den gegenseitigen Verkehr beziehen, Einsicht zu nehmen und Abschriften oder Auszüge daraus zu erheben.

Art. 7. Den österreichischen Zollämtern in den Bahnhöfen zu St. Margarethen und Buchs steht das Recht zu, wegen Übertretungen der österreichischen Zollvorschriften, die im Bahnhofe oder auf der Bahnstrecke vom Bahnhofe bis zur österreichischen Zollgrenze begangen worden sind, das ordentliche Gefällstrafverfahren einzuleiten oder mit der Ablassung von der Vollziehung des Gefällsstrafverfahrens gegen Erlag der in den österreichischen Gefälls-Strafgesetzen bestimmten Beträge vorzugehen.

Sie sind berechtigt Waaren und Effecten, welche mit den Übertretungen der österreichischen Zollvorschriften in Verbindung stehen, behufs der Geltendmachung der Haftung für den Betrag des Zolles und für die Vermögensstrafe mit Beschlag zu belegen und an die competente österreichische Behörde abzuliefern.

Den österreichischen Behörden steht das Recht zu, die in den Bahnhöfen zu St. Margarethen und Buchs oder auf der von denselben bis zur österreichisch-schweizerischen Grenze führenden Eisenbahnstrecke vorgekommenen Übertretungen der österreichischen Zollvorschriften zu untersuchen und nach dem österreichischen Strafgesetze über Gefällsübertretungen abzuurtheilen, so wie die mit Beschlag belegten Gegenstände als haftend oder verfallen zu erklären.

Art. 8. Die schweizerischen Behörden werden den Angestellten der österreichischen Zollämter in St. Margarethen und Buchs denselben Schutz und denselben Beistand gewähren, wie den Angestellten der eigenen Zollämter.

Sie werden wegen Übertretung der österreichischen Zollvorschriften oder der in Österreich-Ungarn bestehenden Ein-, Aus-, oder Durchfuhrverbote auf Ansuchen der österreichischen Behörden

1) Zeugnisse und Sachverständige vernehmen,

2) amtliche Besichtigungen pflegen und den Befund beglaubigen,

3) Angeschuldigten die Vorladungen und Erkenntnisse der österreichischen Behörden behändigen lassen.

Behufs polizeilichen Schutzes wird auf Begehren der österreichischen Beamten der schweizerische Zollbeamte sofort die unter seinem Befehl stehenden eidgenössischen Grenzwächter zur erforderlichen Dienstleistung anweisen, ohne dass dafür der österreichischen Zollverwaltung besondere Kosten entstehen.

Art. 9. Die Unterthans-, Heimaths- und Dienstverhältnisse der bei den österreichischen Zollämtern in St. Margarethen und Buchs bediensteten Beamten und Angestellten erleiden während des Aufenthaltes und der Dienstesbestimmungen auf eidgenössischem Gebiete keine Veränderung; dieselben verbleiben in Bezug auf Disziplin, Dienstverbrechen und Dienstvergehen, d. i. solche strafbare Handlungen und Unterlassungen, welche sich auf die Ausübung ihres Amtes oder Dienstes beziehen, lediglich den Behörden und Gesetzen des österreichischen Kaiserstaates unterworfen und sind in solchen Fällen auf Verlangen dieser Behörden auszuliefern, nach Massgabe des zwischen den beiden contrahirenden Staaten bestehenden Staatsvertrages.

Weder die in Rede stehenden Beamten und Angestellten selbst, noch ihre ebenfalls im heimathlichen Staatsverbande bleibenden Angehörigen dürfen in der Schweiz für Militärdienste oder zur Theilnahme an irgend einem andern Waffendienste in Anspruch genommen werden.

Sie geniessen die Zollfreiheit für ihre Übersiedlungseffecten, sowie für die zu ihrem Gebrauche bestimmten fertigen Uniformen und Armaturstücke, können zur Entrichtung von Vermögens- oder Einkommensteuern oder directen Communalabgaben, zur Dienstleistung bei Schwurgerichten, Gemeindeämtern u.s.w. nicht angehalten werden, haben aber die auf unbeweglichem Eigenthum lastenden Abgaben, sowie Zölle, Verzehrungssteuer u.s.w. gleich den Angehörigen des Kantons St. Gallen zu entrichten.

Über Mitbenutzung communaler öffentlicher Anstalten bleibt Verständigung mit den betreffenden Communalbehörden vorbehalten.

Art. 10. Die Beamten und Angestellten der österreichischen Zollämter in St. Margarethen und Buchs haben die Strafgesetze und Polizeivorschriften der schweizerischen Eidgenossenschaft und des Cantons St. Gallen zu beobachten, in welcher Beziehung sie der Gerichtsbarkeit der schweizerischen Behörden unterworfen sind.

Im Falle die Verhaftung eines bei den österreichischen Zollämtern in St. Margarethen und Buchs bediensteten Beamten oder Angestellten wegen Vergehen oder Verbrechen durch die schweizerischen Behörden verfügt wird, soll die zunächst vorgesetzte österreichische Finanzbehörde sogleich von dieser Verfugung in Kenntniss gesetzt werden.

Art. 11. Das den österreichischen Zollämtern in den Bahnhöfen zu St. Margarethen und Buchs zugewiesene Aufsichtspersonal (Finanzwache) trägt in der Regel nur im Dienste an der Zollstelle und bei Begleitung der Bahnzüge die vorgeschriebene Uniform.

Bewaffnetes Personale wird nur zur Bewachung der Güter und Cassen bei Nachtzeit und zur Begleitung der Züge verwendet werden.

Den Vorgesetzten der österreichischen Zollämter und der Finanzwache steht das Recht zu, bei der Inspicirung derselben in St. Margarethen und Buchs die vorgeschriebene Uniform und das Seitengewehr zu tragen.

Art. 12. Nach Verfluss von 3 Jahren kann dieses Übereinkommen auf Verlangen einer der beiden contrahirenden Regierungen einer Revision unterworfen werden.

Art. 13. Die Genehmigung der vorstehenden Bestimmungen bleibt den beiderseitigen Regierungen vorbehalten.

So geschehen zu Bern, den 2. August 1872.

Eberle, k.k. Oberfinanzrath.

Naeff, Bundesrath

Zündt, Nationalrath.

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