Simon Büchel an Ulrich Öhri über den Kauf eines Pferdes zum Transport von Torfschollen, Geburten, Hochzeiten und Todesfälle im Unterland, die noch fehlende Innenausstattung in der Ruggeller Pfarrkirche, den Bau eines Armenhauses in Eschen und eines „Gerichtsgebäudes“ in Vaduz sowie die Errichtung eines neuen Schwefelbades in Nofels durch Johann Biedermann


Handschriftliches Originalschreiben des Simon Büchel und seiner Frau Magdalena, Schellenberg, an die Familie Ulrich Öhri, Spencer (Nebraska) [1]

15.02.1904, Schellenberg

Lieber Ulrich und Frau [Marie Balbina [Öhri [-Gstöhl]]!

Schon lange wäre es meine Pflicht gewe-
sen Dir zu schreiben, aber wirklich muss [2] ich
sagen bereits aus lauter Arbeit konnte ich
nicht, den ich habe mir ein Pferd gekauft
u. bin bereits Tag u. Nacht am Torfschollen
Fuhrwerken, aber heute haben wir Fassnacht
u. wie Dir noch bekannt Bettag. Was uns
anbetrift ist Gottlob alles gesund u. munter.
Ich habe endlich die Pfotografi von Dir und Deiner
Familie bekommen, was uns alle sehr freute,
ich werde Dir auch die unsrige schicken, aber erst
im Frühjahr, den meine Frau würde gegenwärtig
der Aperat allein brauchen. Nun will
ich Dir diesmal die Neuigkeiten mit-
theilen die ich noch weiss, in Ruggel
ist der Valatis Toni [Johann Anton Büchel] gestorben, der
Andreas Biedermann, u. der Alte [3]
Amerikaner [Johann Hoop]. Küfermartis Toni [Anton Biedermann] hat mit
Valatis Tonis Filomena [Philomena Biedermann [-Büchel]] geheiratet. Jetzt
haben die Ruggeller einen Kirchthurm,
aber noch keine Glocken, und keine Altäre. [4]
Die Bauerei geht sehr langsam. Hier
auf Schellenberg giebts nicht viel Neues
Dem Kaiser Karl [Karl Kaiser] ist heute der erste Sohn
geboren, bisher hat er vier Mädchen.
Der Johann Gopp hat bisher nur ein
Sohn. Der Engelwirth [Jakob Meier] in Nendeln hat
drei Söhne [Franz, Rudolf, Emil], und 2 Töchtern [Wilhelmina, Olga]. In Eschen
ist ein neues Armenhaus erbaut
worden, und zwar ein sehr schönes. [5] In
Vaduz ist ein grosses Gerichtsgebäude [6]
neu erbaut worden. Der Badwirth Johann
Biedermann hat wieder ein neues Bad erbaut
beim Schmid Häle in Nofels und wird das
Schwefelwasser mit Röhren dorthin geleitet,
gegenwärtig ist Ihm seine Frau auf den
Tod krank, es ist wirklich ein armer Mann
wenn sie sterben würde. Satler Manga [7]
Sep [Josef Büchel] ist letzte Woche ein Mädchen geboren.
Der Müller [Andreas] Hanselmann ist vons Jakobs Hanses
Sep [Franz Josef Hasler] in Gamprin geschlagen worden. Der Sep
ist Grimialisch verurtheilt zu 14 Tag Arest u. zirka
1000 fl Geld zu bezahlen. [8] Jetzt ist Hanselmann
wieder gesund. Auf Schellenberg hat Franz
Josef Öhri mit Albertina Goop, Johan Öhri [Johann Öhri]
mit Madilda Bühler [Mathilda Öhri [-Bühler]] von Mauren, Eduard
Büchel
von Gamprin mit Maria Öhri [Maria Büchel [-Öhri]] von
Schellenberg, Johann Wohlwend von Schellenberg
mit Filomena Maier geheiratet, lustige
Fasnacht nicht wahr. Der Alte Ridlipur ist
gestorben, jetzt ist Fabis Luis bei 5 Kindern
allein im Ritli. Jetzt glaube habe ich
wirklich alle Neuigkeiten die ich weiss
geschrieben. Wir sind Alle Gott sei
Dank gesund, was wir von Euch auch
hoffen, möchte wünschen, wir könnten wieder
einmahl eine Woche miteinander Most
u. Brantwein trinken, ich rechne wir
würden mit erzählen dann noch nicht fertig [9]
Zürne nicht lieber Ulrich, dass ich so lange
nicht geschriben, u. schreibe mir bald
wieder. Bald kommt der Frühling und
dann müssen wir wieder ins Ried,
ich werde Dir aber vorher noch einmal
schreiben.

Achtungsvollst grüsst
Euch

Simon und Magdalena
Büchel

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[1] LI LA PA 016/3/06/08. Brief in Kurrentschrift.  
[2] Ursprüngliche Fassung: „muẞ“. Das Eszett wird im Folgenden zu „ss“ umgewandelt.
[3] Seitenwechsel.
[4] Die Fertigstellung des Inneren der Ruggeller Pfarrkirche St. Fridolin zog sich wegen der schlechten Finanzlage über Jahre hin. Erst im Mai 1911 konnte die Weihe des Hochaltars vorgenommen werden, dabei läuteten noch die beiden Glocken aus der alten, inzwischen abgerissenen Kapelle. 1913 wurde ein Vertrag mit der Glockengiesserei Gebrüder Grassmayr in Feldkirch über den Guss von vier Glocken abgeschlossen. Vgl. Cornelia Herrmann, Kunstdenkmäler Liechtenstein, Bd. I, S. 303 u. 314.
[5] Nachdem die Eschner Armen und Bedürftigen zunächst in Mauren untergebracht waren, wurde 1903/1904 in Eschen ein eigenes Armenhaus nach Plänen der Gebrüder Näscher, Chur, erbaut. Die Betreuung der Bewohner übernahmen die Zamser Schwestern. Vgl. Cornelia Herrmann, Kunstdenkmäler Liechtenstein, Bd. I, S. 108-109.
[6] Gemeint ist wohl das 1903/1905 nach Plänen des fürstlichen Architekten Gustav Ritter von Neumann, Wien, erbaute Regierungsgebäude in Vaduz. Vgl. Cornelia Herrmann, Kunstdenkmäler Liechtenstein, Bd. II, S. 311 ff.
[7] Seitenwechsel.
[8] Zum Strafverfahren gegen Franz Josef Hasler wegen des Verbrechens der schweren körperlichen Beschädigung vgl. LI LA J 007/S 023/058.  
[9] Seitenwechsel.