Emma Rheinberger an Alois Rheinberger über die Weihnachtszeit und den Bau einer Krippe, die Wein- und Obsternte in Vaduz sowie den Besuch bei der kranken Schwester Hermine Rheinberger


Handschriftliches Originalschreiben der Emma Rheinberger, Vaduz, an Alois Rheinberger, Nauvoo (Illinois) [1]

25.12.1908 („Weihnachten“), Vaduz

Lieber Herr Vetter!

Es ist nach 3 die
erste Weihnachten wieder, die ich daheim
verbringen, an der ich Ihnen von daheim
im Namen des ganzen roten Hauses herzl.
Gruss entbieten darf. – Und nicht allein
komme ich heute zu Ihnen, mit den Bildchen
unsrer lb. Eltern [Peter Rheinberger, Theresia Rheinberger [-Rheinberger]]. Nach Jahre langen, ver-
gebenen Bestrebungen, einer guten photo-
graphischen Immitation, ist es uns diesen
Sommer endlich gelungen, die lb. Eltern sind
auf diesem Bildchen trefflich wiedergegeben.
O Du fröhliche, o Du selige, Gnadenbring-
ende Weihnachtszeit! Das Wort „Weih-
nachten“ enthält ein eigener [2] Heimats-
zauber, ich habe die letzten 3 Weihnachten
fern von der Heimat verbracht, – mit tief
empfindsamen Missen verbracht. – Mein [3]
Arosa-Stübchen wurde mir dabei freilich
dann zu doppelt vertrautem Freunde, – es lernte
Freud u. Leid kennen. – Das erste mal nun wie-
der daheim, war es vor Weihnachten eine
wichtige Zeit für mich, ich wollte ja meine
Lieben überraschen mit einem einzig schönen
Christbäumchen u. einem Weihnachtskripplein
dass das Herz erwärmen sollte. – So begann ich
denn an dem Stall von Betlehem zu bauen in
heisser Arbeit schon lange vorher; Hammer u.
Säge wollten oft in fast verzweiflungsvollem
vergebenen Mühen den Dienst versagen, beson-
ders beim Dach der armen Wohnung, bald hatte
ich ein orientalisch‘, bald ein liechtensteinisches
Dach gebaut u. dies Alles leise, leise u. ganz
heimlich nur, damit keines meiner Lieben etwas
davon merkte. – Endlich, – o der Wonne – Christ-
kindchen konnte kommen, die Wohnung, wenn auch
arm, doch mit viel Liebe gebaut, war fertig.
Ich hatte 1 Meter hohes Häuschen von Tannen-
rinde vor mir u. als Christkindchen in seinem
kl. Kripplein hinein gebettet, die Hirten, Ochs
u. Eselein einquartiert war, ergriff es mich [4]
selbst in seligem, fröhlichem Weihnachts-
jubel. – [5] Meine Lieben hatten am Weihnachts-
abend dann die Äuglein mächtig aufgerissen,
was der Emmaus doch nicht Alles zu stande
brächte. –  Ich hoffe u. wünsche von Herzen, dass
auch Sie, dass jedes einzelne Ihrer lb. Kinder
u. Enkel die Herabkunft des lb. göttl. Hei-
landes recht, recht gnadenreich empfunden,
u. wir alle wünschen inniglich, der Segen
Christkindchens ruhe auch im neuen Jahr
[6] über Ihrem u. Ihrer Kinder Haus.

Ich schulde Ihnen wohl noch einen freundl.
Kartengruss u. für den letzten güt. Brief dankte
ich nur geschwind pr. Karte. – Darf ich Sie u.
Ihre lb. Angehörigen alle doch in froher Ge-
sundheit antreffen heute? – Sie haben wieder
einen arbeitsreichen u. hoffentl. auch Ernte-
reichen Sommer hinter sich. – Waren Sie doch
noch recht befriedigt mit dem Weinergeb-
niss? – In Vaduz durfte man den lieben Gott
für seinen Weinsegen noch recht dankbar sein,
der Maienschnee, welcher so viel Hoffnung zu-
sammenbrach, liess nicht mehr diese Ernte er- [7]
warten. – Nur hatte bis zur Weinlese die Trau-
benfäulniss erschreckend überhand genommen, so
dass wir zuletzt in Ermanglung der nötigen
Gefässe für die faulen Früchte “Kartoffelsäcke[8]
sogar dazu verwenden mussten. – Aus diesen
faulen Trauben wird nämlich bei uns mit riesi-
gem Erträgniss
[9] Branntwein gebrannt.
Die Obsternte in Vaduz war 1908 eine ganz gran-
diose, kaum dagewesene, um wenige Heller ver-
kaufte man einen Haufen Obst. Wir bekamen aus
der Bünd der Grosseltern gegen 100 Centner.
Die heimatliche Frist geht bei mir schon wie-
der zur Neige, Ende Januar muss ich wieder hi-
nauf in die Schneeberge gegen Arosa ziehen,
doch ich ziehe mit Gott u. mit ihm vermögen
wir vieles. – Im November waren wir bei unsrer
lb., immer noch kranken Schwester Hermine [Rheinberger] u. muss-
ten mit Herzeleid konstatieren, dass ihr Be-
finden ein ziemlich unverändertes. – Der lb. Gott
verhängt über das rote Haus unfasslich viel u.
bitter Weh, – doch sein Wille sei geliebt!

Sagen Sie ihren lb. Kindern u. Enkel jedem einzeln
warmen Gruss von uns u. seien sie jeden Tag
Gottes getreuem Schutz u. Hut empfohlen!

In Treuen / Olga [Rheinberger], Egon [Rheinberger] u. Emma Rheinberger.

Bitte, bitte, lb. H. Vetter 1 Ave [10] in einem Anliegen. [11]

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[1] LI LA AFRh Ha 18. Brief in lateinischer Schrift.
[2] Durchstreichung.
[3] Seitenwechsel.
[4] Seitenwechsel.
[5] Durchstreichung.
[6] Durchstreichung.
[7] Seitenwechsel.
[8] Unterstrichen.
[9] Unterstrichen.
[10] Unterstrichen.  
[11] Dieser Satz nachträglich am Rand der 4. Briefseite eingefügt.