Karolina Lampert [-Schädler] an ihre Schwester Juliana Sele [-Schädler] über die Arbeit am Webstuhl mit ihrem Sohn Julius Lampert, den Schulbesuch der Tochter Theresia Lampert, die Sehnsucht nach den Verwandten in Triesenberg, den kalten Winter und die niedrigen Lebensmittelpreise in Freeport (Illinois)sowie die Zuschriften von Josef Gassner und des geistlichen Herrn Emilian Sele


Handschriftliches Originalschreiben der Karolina Lampert [-Schädler], Freeport (Illinois), an ihre Schwester Juliana Sele [-Schädler], und die übrigen Geschwister in Triesenberg [1]

28.11.1879, Freeport (Illinois)

Liebe, theure Geschwisterte!

Schon lange, lange hätte ich schreiben
sollen, aber ich hatte immer so viel
Arbeit, u. damit habe ich es immer
aufgeschoben. Mein Julius [Lampert] hat
schon oft gesagt, ach Mutter
schreib doch, sonst meinen sie wir
wären alle Tod. Wir haben
vom Jos. Gassner [2] auch einen
Brief erhalten, welcher uns recht
herzlich freute u. mein Julius
ist eben auch im Begriffe zu schrei-
ben. Ich bin mit meinen Kindern
gesund u. wohl, und es geht uns
recht gut, mein Julius hat mir [3]
bis jezt am Webstuhle geholfen
Arbeiten u. die Theresia [Lampert] geht immer
in die Schule. Der Julius möchte
wohl recht gerne höhere Schulen besu-
chen, aber es käme mich zu hart an seine
Trennung, es hat wohl hier in Freport
hohe Schulen aber keine katholische
u. unser Pfarrer will es gar nicht haben,
dass er diese Freischulen besucht. Der
Joseph Gassner hat ihm geschrieben, er
möchte nach Deutschland kommen u. jezt
spricht er immer davon er würde lieber
heute schon, als erst morgen [4] schon
gehen, wen ich ihn liesse. Liebe schwester
glaube nicht, dass wir euch alle vergessen
können, die Sehnsucht nach euch allen, u. das
wir unser kurzes Leben beieinander
beschliessen ist mein sehnlichster Wunsch,
sollte das nicht geschehen, so werden wir
uns auf der anderen Welt wieder
finden. [5]

Wir haben hier einen zimlich kalten
Winter, die Lebensmittel sind sehr billig
nur das Holz und die Kohlen sind theuer,
es ist aber genug Arbeit u. Verdienst.
Liebe Schwester schreibe mir recht bald,
wie es euch allen geht, ist die Base Agatha
wieder gesund, was macht die Base am
Wangerberg u. der Vetter, von meinen
anderen Geschwister höre ich gar nichts.
[6] Wier werden bald unsere Bilder
nehmen lassen u. dan werde ich auch
welche schiken, der Jos. Gassner will
auch welche haben. Ich habe auch einen
Brief vom geistl. H. Seli [7] erhalten es geht
ihm recht gut. Liebe Schwester bete für
uns, dass Gott alles zum guten lenke
u. dass wir mit Gottes Hilfe noch
einmal zusamen kommen, dan werde
ich Dir alles mündlich mitheilen. [8]

Liebe Schwester güsse mir den Lehrer
u. seine Frau u. Ferdinand, sage ihm
ich werde auch an Joseph schreiben.
grüsse mir alle meine Freunde
u. Verwandte u. Vetter u. Basen
besonders meine Geschwisterte.
Liebe Schwester lebe wohl, u. sei
tausendmahl von uns allen
gegrüßt u. ich Verbleibe

Deine Dich nie vergessende

Schwester Karolina Lampert

schreibe recht bald u. viel

Was macht dem Vinzenz Schädler
seine Frau u. Kinder [9]

______________

[1] LI LA PA 188/013. Brief in Kurrentschrift.
[2] Ursprüngliche Fassung: „Gaẞner“. Das Eszett wird im Folgenden zu „ss“ umgewandelt.
[3] Seitenwechsel.
[4] Durchstreichung.
[5] Seitenwechsel.
[6] Durchstreichung.
[7] Wohl der Geistliche Emilian Sele von Triesenberg, welcher 1876 in die USA auswanderte.
[8] Seitenwechsel.
[9] Dieser Satz wurde am oberen Seitenrand hinzugefügt.