Karolina Lampert [-Schädler] an ihre Schwester Juliana Sele [-Schädler] über deren Auswanderungspläne, den höheren Verdienst und die ausreichende Arbeitsgelegenheit für Handwerker in Amerika, den Arbeitslohn von Remigius Eberle, die Klagen von Johann Eberle über die Hitze in Freeport (Illinois) sowie die Übernahme der Reisekosten für die Auswanderung


Handschriftliches Originalschreiben der Karolina Lampert [-Schädler], Freeport (Illinois), an ihre Schwester Juliana Sele [-Schädler], Triesenberg,mit einem Nachtrag des Sohnes Julius Lampert [1]  

Juli 1881, Freeport (Illinois)

Vielgeliebte Schwester!

Da ich in Deinem lezten Briefe
zu meiner grössten [2] Freude ver-
nommen habe, dass Du zu uns kommen
willst, so kann ich nicht mehr länger
warten mit schreiben, den unsere
Freude ist zu gross auch kann ich es
mit Worten nicht ausdrüken.
Ich habe meine Hoffnung schon längst
aufgegeben, dass wier einander
auf dieser Welt noch einmal sehen,
aber nun werde ich von neuem
noch einmal aufleben, den das war
schon längst mein sehnlichster Wunsch
und ich hoffe, dass mir diese Freude [3]
nicht entrissen wird, o, möchte es der
liebe Gott so leiten, dass mein Wunsch
erfüllt wird. Das Du hier für euch
beide das Essen verdienen kannst,
dafür lass mich sorgen, ich habe genug
Arbeit für uns beide, folglich auch
genug zu Essen, auch hast Du in allen
meinen Briefen gesehen, dass ich hier
mehr verdienen kan als ich brauch u.
das kanst Du auch, u. hast es noch viel
besser und leichter als dort, u. es wird
Dich gewiss nicht reuen. Der J. Eberli [Johann Eberle]
hat mir auch gesagt, dass mein lieber
Bruder [Johann Baptist Schädler] u. Schwester kommen wollen,
aber sie haben noch gar nichts an
mich geschrieben, der Schwager
Lorenz [Eberle] hat dem J. Eberle Auftrag
gegeben, dass er ihm schreibe wie
es hier wäre mit der Arbeit. [4]
Sie haben alle Arbeit genug, der
Remigi [Remigius Eberle] arbeitet auf dem Lande
u. bekomt 2 Thaler den Tag u. die Kost
der Johan schaft hier in der Stadt u.
hat 1 Th. 80 Sent den Tag bis jezt er wird
aber später mehr bekommen. 1 Thaler
ist 5 Franken u. 80 Sent 4 Fr. das macht
9 Fr. per Tag, es wird viel gebaut hier
dieses Jahr u. genug arbeit für jeden
Handwerker. Liebe Schwester ich habe
Dier am 9 Aprill einen Brief geschickt,
[5] u. dieser hast Du wahrschein-
lich nicht erhalten, den Du hast in dem
lezten Briefe nichts erwähnt u. vor
3 Wochen habe ich wieder geschrieben,
in welchem ich Dier vieles mittheilte.
Liebe Schwester wenn es Dier ernst
ist, so kommet alle im Herbst bevor
es kalt wird, denn es ist viel besser [6]

das ist der 2te
den im Frühling kommt gleich die grosse
Hitze, und dass macht die neuen Anköm-
linge zu viel schwitzen, der J. Eberli
beklagt sich jeden Tag; wier haben aber
auch recht heisses Wetter, ich wolte
Ihr hättet ein wenig von unserer
Hitze dan würde es dort nicht schneien
es war auch viele Sommer nicht mehr
so heiss hier, es ist aber recht fruchtbar
u. gibt wieder Getreide im Überfluss.
Liebe Schwester bald hätte ich uns alle
vergessen, wier sind nämlich alle
gesund u. wohl u. freuen uns schon
alle Tage auf Deine Ankunft, die
Kinder waren fast ausser sich for Freude
als ich Deinen Brief las. Liebe Schwester
Du brauchst ja dort keinen Boden
verkaufen, da das Kind [7] einen Vormund
hat, dieser kan ihn ja Gelegentlich
verkaufen, und wen Dier das Geld nicht [8]
langt so schreibe so schnell Du kanst, dan
schicke ich Dier das Reise Billet von
dort bis nach Freeport. Ich werde Dier
über alles schreiben, was du auf die
Reise mit nehmen sollst, im fall es Dier
ernst ist, Du wirst aber auch den Bruder
nicht zurük lassen u. die Schwester wen
sie ein wenig Lust haben, aber zwingen
kann man niemand, den wen der liebe
Gott einer mit Krankheit oder gar
durch einen Sterbefall heimsuchen
sollt, oder das sie noch andere Klagen
hätten, könten sie am Ende einem
noch Vorwürfe machen. Mich hat
schwer der liebe gott hier schwer
heimgesucht u. geprüft, Dich aber dort
auch, er findet einen überal, arbeiten
muss man hier, aber man wird dafür
gut bezahlt, und hat dabei gutes Essen
den die Lebensmittel sind alle [9]
billig, die Katharina wundert sich
imer was man für ein grosses Stück
Fleisch bekommt für wenig Geld. Es hat
aber immer doch noch welche wo zu
klagen haben u. meinen, das gebratene
Fleisch sollte ihnen ins Maul fliegen,
aber solche Leute findet man überall
wo zu klagen haben, u. wen sie auch
im Fleisch u. Butter sitzen würden
ja selbst im Himmel würden sie noch
jammern wen sie könten. Die Katharina
ist recht munter u. es gefällt ihr recht
gut. Sie sagt immer sie würde dem reichsten
Triesnerberger nicht tauschen, sie kann
noch immer so viel verdienen was sie
zu essen brauchen, u. ihr Mann verdient
jede Woche 10 Th. er schaft als Steinhau-
er, ich habe es mit der Kathrina wie
Du, sie ist mir so lieb wie eine [10]
Schwester, es geht kein Tag vorüber dass
wier nicht beisamen sind es geht ihnen
recht gut. Ich will nun schliessen in
der Hoffnung dass meine Freude u. mein
Wunsch erfüllt wierd grüsse mir meine
Geschwisterte, der Bruder möchte
mir auch schreiben und die Th. [Theresia Eberle [-Schädler]] auch grüsse
mir alle Basen u. Vetter u. alle
Verwandte u. ich Verbleibe Deine
Dich nie vergessende Schwester

Karolina Lampert

Liebe Kresenz!

lasse der Mutter keine Ruhe
mehr bis sie mit Dier zu uns kommt
den Du hast es hier viel besser,
u. besonders wen Du grösser bist
wir grüssen Dich alle vielmal
gute Nacht schlaf gut. [11]

Liebe Pathin!

Ich will Dir auch noch ein paar
Zeilen schreiben [12] wie wir
aus Deinem letzen Brief vernommen
haben hast Du im Sinne zu uns zu
kommen, welches wir aber nicht glauben
können, denn unsere Freude wäre zu
gross. Liebe Tante ich bedanke
mich vielmahls für das schöne Geschenk
und werde jedesmal an Dich denken
so oft ich dieses Buch zur Hand nehme
und ich hoffe dass ich Dir später all-
es vergelten kann. Und verzeihe mir
mein schlechtes Schreiben. Ich grüsse alle
meine Verwandten und besonders Dich
und meine Cousine. Dein Dich treu liebendes
Pathenkind Julius Lampert.

______________

[1] LI LA PA 188/022. Brief in Kurrentschrift.
[2] Ursprüngliche Fassung: „gröẞten“. Das Eszett wird im Folgenden zu „ss“ umgewandelt.
[3] Seitenwechsel.
[4] Seitenwechsel.
[5] Durchstreichung.  
[6] Seitenwechsel.
[7] Wohl Kreszenz Sele, die Tochter der Juliana Sele [-Schädler].
[8] Seitenwechsel.
[9] Seitenwechsel.
[10] Seitenwechsel.
[11] Seitenwechsel.
[12] Durchstreichung.