Der Landtag bekräftigt nach einer kontroversen Debatte die staatliche Unabhängigkeit Liechtensteins


Protokoll der Konferenzsitzung des Landtages, gez. Schriftführer Johann Georg Hasler und Schriftführer Wendelin Beck [1]

15.3.1938

2. Stellungnahme zu den innen- und aussenpolitischen Begebenheiten

Reg.Chef [Josef Hoop]: Über die Vorgänge in Österreich sind die Herren Abgeordneten orientiert. Wir sind jetzt Nachbarn von Grossdeutschland geworden und dieses Moment hat bei uns eine gewisse Beunruhigung geschaffen, wie in der benachbarten Nachbarschaft auch. Irgend eine Befürchtung, dass die Grenzen Liechtensteins verletzt würden, ist von vorneherein unbegründet gewesen. Wir haben nichts zu gewärtigen. Auch ist seitens Deutschland erklärt worden, dass es die Grenzen der Schweiz respektiert. Es gehen auch Gerüchte, dass liechtensteinische Personen sich an dieser Umwälzung in Österreich erfreuen und glauben, dass auch Liechtenstein ein Bestandteil vom Deutschen Reiche werde. Ich habe diese Auffassung nicht und glaube, dass die Verhältnisse in Liechtenstein nicht der richtige Nährboden für den Nationalsozialismus sind und über kurz oder lang wird der Taumel, der heute diese Leute beherrscht, aufhören. Ich bin überzeugt, dass durch die Berührung mit dem benachbarten Vorarlberg verschiedene Illusionen über den Nationalsozialismus zerstört werden. Wenn man die Verhältnisse mit den liechtensteinischen vergleicht, so muss jeder zum Schluss kommen, dass wir etwas eintauschen würden, das wir nachher bereuen würden. Vom Staate aus habe ich die Meinung, ist der einzig richtige Vorgang, wenn wir mit dem neuen Nachbar im besten Einvernehmen leben und auf gutem Fusse stehen. Es wird uns das auch gelingen. Wir zählen unter denjenigen, die in Deutschland regieren, viele Freunde und im benachbarten Vorarlberg auch. Ich persönlich kenne eine ganze Anzahl der heutigen Machthaber. Mit Deutschland ein gutes und freundschaftliches Verhältnis zu unterhalten, halte ich für ein Gebot der Klugheit und Selbstverständlichkeit. Etwas anderes ist, nicht ausseracht zu lassen, dass die Beunruhigung unser Budget etwas beeinflusst. Bei der Sparkasse war die letzten Tage ein grosser Andrang und es sind grosse Geldabhebungen erfolgt. Die Sparkasse hat die Auszahlungen gemacht. Eine Einbusse wird der Staat auch erleiden bei den Gründungsgeschäften. Das internationale Kapital wird sich in Zukunft nicht mehr so vorbehaltlos nach Liechtenstein getrauen, weil es sich vor der Nachbarschaft des nationalsozialistischen Deutschland fürchtet. Einen weiteren Einnahmenentgang werden wir erleiden durch den Ausfall der Einbürgerungen. Auch werden sich hier keine mehr niederlassen. Man wird sich also inskünftig nach der Decke strecken müssen. Wir müssen evtl. mit der Schweiz verhandeln, dass sie uns in verschiedenen Belangen noch wohlwollender zur Seite steht als bisher.

Präsident [Anton Frommelt]: Ich bin auch der Meinung, dass vom Ausland her für uns keine Gefahr zu befürchten ist, aber im Inlande könnte aus Unüberlegtheit und Gegensätzlichkeit das Feuer entfacht werden und etwas entstehen. Hier müssen wir alles tun, was zur Beruhigung und vernünftigen Verantwortung notwendig ist.

[Ferdinand] Heidegger: Ich glaube, dass das nur ein momentaner Rausch ist in Österreich und das wird dann von selber hören.

Reg.Chef: Ich habe heute die Mitteilung bekommen, dass der liechtenst. Arbeiterverband vor hat, im ganzen Lande Versammlungen zu halten und die Arbeiterschaft aufzuklären und sie auf den liechtensteinischen Gedanken zu festigen. Andere Berufe werden zweifellos auch diesen Standpunkt einnehmen. Ich könnte mir nicht vorstellen, wie der Liechtensteiner sich mit diesem Gedanken befreunden könnte, wenn jeder Liechtensteiner Militärdienst machen muss etz. Es ginge uns Liechtensteiner auch zweifellos nicht mehr so gut.

[Ludwig] Ospelt: Für harmlos halte ich die Sache nicht, hauptsächlich wegen der jungen Leute. Diese sind ganz vernarrt in dieses Zeug hinein. Sie denken natürlich nichts dabei und nicht an die Folgen.

Risch Ferdi: Dass es für die Einnahmen Folgen hat, ist sicher. Es sind bereits schon drei Ausländer von Schaan fort, die etwa 600 Fr. Steuer bezahlt haben.

Reg.Chef: Ich bin von Bern angefragt worden, ob es richtig sei, dass die Opposition am letzten Sonntag Abend in Tisis eine Versammlung abgehalten und beschlossen habe, den Zollvertrag zu kündigen. [2]

Dr. [Otto] Schädler: Wenn von der Opposition die Rede ist, so muss ich sagen, dass ich jetzt das erste Mal von einer Versammlung höre. Von Seite der Opposition hat keine solche Versammlung stattgefunden und das Gerücht ist rein aus der Luft gegriffen.

Präsident: Die Schweiz ist sehr interessiert, was die Parteien vorzukehren gedenken. Die schweizerischen Leute sind hier und schauen selber, was hier geht und steht.

[Franz Xaver] Hoop: Die schweizerische Grenzwache an der deutschösterr. Grenze empfindet es sehr, dass die Liechtensteiner sie mit dem Heil Hitler-Grusse grüssen. Man sollte hier Abhilfe schaffen können.

[Peter] Büchel: Sie empfinden es als Provokation und Herausforderung. Man muss aber vorsichtig vorgehen, dass man nicht mit dem Verbieten Öl ins Feuer giesst.

Präsident: Es ist eine interne Beunruhigung von bewussten Leuten. Ich halte dafür, dass diese Arbeiterversammlungen beruhigend wirken. Wir wollen in die Auslandsangelegenheiten nichts dreinreden. Wir sind imstande, mit ruhiger Überlegung den Leuten zu sagen, macht keine Dummheiten. Ich habe die sichere Meinung, wenn morgen 200 Leute heraufkommen mit einer Blechmusik, so würden viele Hände und Füsse in die Höhe strecken. Festgestellt ist, dass in keiner Partei solche Gedanken genährt werden.

Reg.Chef: Diese Momente haben in Bern eine gewisse Beunruhigung hervorgerufen. Es ist übrigens im Ct. St. Gallen ähnlich. Wäre das möglich, dass der Landtag heute erklärt, dass er auf dem Boden des bisherigen Vertragsverhältnisses steht und die Souverainität wahren will.

Dr. Schädler: Jeder Abgeordneter hat den Eid auf die Verfassung geleistet. Dieser Eid beinhaltet auch die Stellungnahme des Abgeordneten. Die Partei hat zu dieser Frage keine Stellung bezogen.

Präsident: Aber Sie kennen die Mentalität dieser Leute. Es wäre interessant, zu wissen, ob tatsächlich eine Gefährdung da wäre. Wir müssen in Bern sagen können, dass auch die Parteien auf dem Boden der Selbständigkeit und des Zollvertrages stehen. Wenn wir das nicht sagen können, dann ist die Beunruhigung in der öffentlichen Meinung gegeben.

Dr. Schädler: Es ist nicht möglich, eine Erklärung abzugeben und dem Parteibeschluss vorzugreifen. Wenn die Partei nicht Stellung genommen hat zu den Geschehnissen der letzten Tage, so hat ein einzelner nicht im Namen der Partei Erklärungen abzugeben.

Präsident: Ich würde abraten, irgendwelche Parteibeschlüsse zu fassen in diesem Sinne.

Büchel: Ich habe die Meinung, dass sowohl bei der Bürgerpartei, wie der Volkspartei Elemente sind, die in einem "Dusel" Freude daran haben. Es hat auch solche, die früher schon sympathisiert haben, da kann man keine Partei verantwortlich machen. Parteibeschlüsse würde ich für höchst gefährlich halten. Aber jeder vernünftige Liechtensteiner soll das tun, was in seiner Möglichkeit liegt. Man muss möglichst beruhigen und auf die Folgen aufmerksam machen und aufklären. Die Leute müssen aufgeklärt werden, was sie jetzt haben und was ihnen bevorsteht.

Präsident: Meine Frage ist, ob man mit innerer Überzeugung die Erklärung abgeben kann, wir haben die feste Überzeugung, das liechtensteinische Volk wünscht eine Änderung der bestehenden Verhältnisse nicht. Das muss der Eindruck über Volk und Parteien sein. Wenn man diese Meinung nicht aus eigener Überzeugung sagen kann, dann ist es ein Zeichen, dass man nicht mit innerer Beruhigung reden kann. Die Schweiz wird sich die Konsequenzen daraus ziehen. Wenn wir nicht wissen, was wir wollen, dann wird die Schweiz sagen, was sie tut. Wenigstens sollte man erklären können, dass keine Partei die Meinung pflegt, die die Umgestaltung der inneren Verhältnisse beinhaltet. Nur der Eid auf die Verfassung ist in dieser Frage viel weniger bedeutend, als wie die Überzeugung, man will das nicht.

Dr. Schädler: Ich könnte mich in dieser Form, wie es gewünscht wird, nicht zu einer Erklärung bestimmen lassen und zwar deshalb nicht, weil in unseren Reihen nicht dieselbe Grundverfassung besteht, wie in den Reihen der Bürgerpartei. Unsere Partei setzt sich aus Landesbürgern zusammen, die nicht als die bezeichnet werden können, die im Laufe der letzten 10 Jahre in den vollen Genuss der Gleichberechtigung gekommen sind. Dass diese Vergangenheit in den Leuten Erbitterung auswühlt, ist jedem verständlich. Dieses Ausgeschlossensein aus allen Stellungen, die der Staat zu vergeben hat, hat im Laufe der letzten 10 Jahre eine schwere innere Unzufriedenheit hervorgerufen. Dass diese Unzufriedenheit nicht auch ein gewisser vorbereitender Boden für neue Ideen darstellt, muss man eingestehen. Auf Grund dieser gestörten inneren politischen Verhältnisse kann ich die Erklärung in dem gewünschten Umfang nicht abgeben, ohne dass die Partei eindeutig Stellung bezogen hat. Das muss ich wirklich unterstreichen, dass die letzte Vergangenheit viele Wunden geschlagen hat, die bis heute noch nicht verheilt sind und dass diese Wunden sich in dieser Einstellung bemerkbar machen, wäre möglich.

Präsident: Das würde heissen, wir reservieren unsere Stellung.

Dr. Schädler: Ich reserviere die Stellung, bis die Partei Stellung bezogen hat.

Beck Wendelin: Ich bin nicht so weit gekommen über diese Tage. Ich habe nie verhehlt, dass ich Demokrat bin. Aber man hat auch Stimmen gehört, wir haben ja keine Demokratie. Die Hipo [Hilfspolizei] ist auch eine SA. Ich sage frei und offen, ich bleibe dem demokratischen Grundsatz treu. Aber die letzte Zeit sind Ereignisse in Liechtenstein gewesen, die für eine andere Idee den Boden vorbereitet haben.

Präsident: Diese Erklärungen sind für mich sehr ernster Natur. Ich hätte geglaubt, dass in Liechtenstein jeder so gesonnen wäre, dass er überzeugt wäre, dass es keine grosse Überlegung brauchen würde, zu sagen, der Standpunkt, wie er ist, muss gehalten werden. Was wäre aber eine Umgestaltung der Sache heute? Das ist sehr bald gemacht und dann, was geschieht? Aus was entspringt dieser Wunsch. Aus nichts anderem, als das zu sein, was andere sind. Das Volk aber muss über unseren Interessen stehen. Im Volke hat man ja nie einen Unterschied gemacht. Man hat verschiedene Subventionen ausgeschüttet ohne Unterschied der Parteizugehörigkeit. Ich erwähne die Arbeitsstellen des Landes. Die Leute sind untereinander gemischt. Handeln kann es sich nicht um das Gross des Volkes, sondern um politische Umstellungen. Mag nun die Partei der Ansicht sein wie sie will, ich glaube kaum, dass die Gerechtigkeit der Zukunft anders aussehen würde. Ich möchte zurückweisen, dass man einen Teil des Volkes als nicht zum Volke gehörig erachtet hätte und ihm Verdienst etz. entzogen hätte. Auch in der Beamtenschaft und Lehrerschaft sind heute noch Leute, die sich offen zur Opposition bekennen. Mich hat tatsächlich diese Reserve sehr beunruhigt und nachdem es nach reiflicher Überlegung von Seite des Obmannes der Partei geschieht, so ist das für mich ein sehr ernster Standpunkt.

Dr. Schädler: Ich habe betont, dass es meine persönliche Einstellung ist. Dafür trage ich persönlich die Verantwortung und ich möchte nicht haben, dass andere mit einer Verantwortung belastet werden, für die ich allein verantwortlich bin. Ich kann eine Erklärung nicht anders abgeben auf Grund der Vergangenheit und der psychologischen Schichtung in der Partei. Wenn die Partei einen anderen Standpunkt einnimmt, so ist es einfach. Das Eine muss ich betonen, dass bis heute noch nicht die Befriedung eingetreten ist.

Risch Ferdi: Das ist in der anderen Partei auch nicht. Es werden Unverschämtheiten verlangt.

Dr. Schädler: Wahr ist, dass in den letzten 10 Jahren nicht ein einziger Beamter aus der Opposition normiert worden ist. Das weiss ein jeder, das kann ein jeder kontrollieren. Wahr ist auch, dass die wenigen Beamten, die sich zur Opposition bekennen, die Überzeugung haben, dass, wenn sie sich umstellen, für sie der Weizen blühe. Jene, die eine Schwenkung nicht vorgenommen haben, haben kein leichtes Leben gehabt. Dann ist der Ukas herausgekommen. [3] Die kleinsten Dinge sind gemeldet worden und so haben sie sich in keiner Versammlung mehr zu zeigen getraut. Es wurde ein Spitzeltum betrieben.

Präsident: Was mich beunruhigt, ist die Tatsache, dass Sie feststellen, Sie reservieren sich mit der erwähnten Begründung. Das ist ungefähr der Standpunkt Österreichs vor einer kurzen Zeit. Ich verstehe, dass Sie keine Erklärung abgeben können für die Partei, aber ich weiss auch welche Konsequenzen es hat, wenn Sie mit dieser Reserviertheit und dieser Begründung an die Partei gehen. Ich bin nicht so, dass ich diesen Schleier nicht durchblicken könnte. Ich kann es nicht fassen, dass in dieser gespannten Lage dieser Standpunkt eingenommen und verantwortet werden kann.

Dr. Schädler: So autoritär regiert ist unsere Partei nicht, dass unpräzisierte und reservierte Erklärungen des Parteivorsitzenden widerspruchslos die Partei in ein gewisses Fahrwasser hineinbringt.

Präsident: Es ist aber nicht zu vergessen, dass die Stellungnahme des Vorsitzenden einer Partei ausschlaggebend ist. Sie Herr Doktor sind nicht so, dass Sie nicht eine Einflussnahme geltend machen können. Ihre Reserve bedeutet ein Positivum.

Dr. Schädler: Ich habe auf Verfassung und Gesetz den Eid geleistet und weiss, was der Eid bedeutet und ich glaube, das sollte jedem genügen.

Präsident: Ich bin der Meinung, dass bestimmt die Herren in Österreich nicht eidbrüchig sein wollen. Man erklärt und formuliert die Sache auf eine geeignete Art u. Weise. Ich möchte Ihnen nicht vorhalten, dass Sie morgen eine Revolution machen, aber es ist für mich eine schwere Beunruhigung, dass man nicht eine klare Stellungnahme zu den heutigen Verhältnissen sagt.

Beck Wendelin: Ich möchte auf das heutige Wahlgesetz hinweisen. Das war eine Entrechtung der heutigen Opposition. Sodann sind wir nur durch 4 Abgeordnete vertreten, obwohl wir die schwache Hälfte des Volkes sind. Das ist nicht richtig.

Präsident: Das Parteileben ist etwas, das Auswüchse in sich hat. Mir scheint diese Frage und die heutige Situation sollte keine Parteistellung in den Vordergrund stellen. Ich meine, man sollte nicht diese Situation benützen, um Begründungen aufzustellen, die man wohl in ruhiger Zeit stellen kann. Ich hätte bestimmt gemeint, man könnte ruhig diese Erklärung abgeben. Das liechtensteinische Volk hat in Anerkennung der liechtensteinischen Wirtschaft keinen Grund, in diesem Falle irgendwelche andere Stellung zu beziehen.

Büchel: Ich habe die gleiche Ansicht wie der Präsident. Die Ausführungen, wie sie Dr. Schädler gemacht hat, hat das deutsche Militär schon diskutiert in Feldkirch. Die Oppositon sei derart unter einem Druck und unterjocht und die Liechtensteiner werden mit Sehnsucht auf den Tag der Befreiung warten. Der es zu mir gesagt hat, ist ein Volksparteiler. Die Situation ist heute so ernst, dass es in der Geschichte festgehalten werden wird. Es soll sich jeder seiner Verantwortung bewusst sein. Ich bin alt, mir spielt es keine Rolle, ein Jahr früher oder später. Aber ich verfechte bis auf den letzten Moment meine Ansicht. Was geben wir preis, wenn wir unsere nachfolgende Generation dem Militarismus ausliefern, wir verkaufen unser Land. Für mich gibt es nur ein "Entweder Oder", Leben oder Sterben. Der Abg. Wendelin Beck hat die Demokratie angezogen. Heute darf man aber noch mitreden, nachher ist dann Gleichschaltung. Heute will man die ganze Institution preisgeben. Man will uns einem Gross-Staat ausliefern. Mir macht es nichts mehr, aber bis auf den letzten Atemzug kämpfe ich für das, was wir heute haben.

Beck Wendelin: Ich habe wiederholt darauf hingewiesen, wir sollten miteinander auskommen. Wenn das in die Wirklichkeit umgesetzt wird, stehen wir als Liechtensteiner besser als Deutsche. Mit Diktatur habe ich mich nie befreundet. Wenn einer noch ärmer und die Not noch so gross ist, wenn er wenigstens noch schimpfen kann.

Präsident: Die wirtschaftlichen und militärischen Momente sind zur Genüge dargetan worden. Wir haben es in der Hand, wenn wir ruhig sind, dann geht es an uns vorüber. Wenn man aber hier anfängt, Spektakel zu machen, dann ist es auf der anderen Seite vorbei. Ich würde das ganz ausschalten vom Parteistandpunkte, nachdem es sich um eine so wichtige Sache handelt. Der Herr Doktor wird mir zugeben, wenn irgend etwas geht, so ist es ganz klar, was geschieht. Wir stehen nur mehr vor der Alternative, entweder Liechtensteiner zu sein oder keine mehr. Wenn man den Liechtensteiner umbringt, dann hat er keine Möglichkeit mehr, Parteien zu machen. Es handelt sich um Sein oder Nichtsein und da sollte ein Liechtensteiner von der Partei absehen. Wenn wir die Frage prinzipiell behandeln, dann können wir keine Reservate machen. Die parteipolitischen Momente sollten nicht damit verknüpft werden. Ich bin nicht derjenige, der deutsche Kultur und deutschen Sinn ablehnt, aber wir sind imstande, deutsche Kultur in unserer eigenen Beständigkeit zu betreiben und zu verfolgen. Ein paar unüberlegte Leute könnten uns zum Verhängnis werden.

Dr. Schädler: Ich war von Anfang an der, der die Parteien aus der Welt schaffen wollte. Es ist aber nicht gegangen, wie ich es gemeint habe. Dann sind die Friedensverhandlungen [4] gekommen und dort werden sich einzelne Herren an die letzten Besprechungen im Löwen erinnern, dass 8 Mann sich auf einen Standpunkt geeinigt haben. Die Antwort war, dass ein Dreiervorschlag gekommen ist. Die heutige Situation lebt noch von dem. Den Frieden hat man nicht verankert, wie er wünschenswert gewesen wäre. Einwandfrei muss festgestellt werden, es ist auf unserer Seite alles getan worden, was getan werden konnte.

Präsident: Ich glaube, dass heute de facto diese Dinge irrelevant sind. Es handelt sich hier nun um das Entweder Oder. Kann eine politische Streitigkeit der Grund sein, das Kind mit dem Bade auszuschütten. Wenn man am Alten hängt und die wirtschaftliche Situation als vernünftig angesehen hat, dann kann ein Parteistandpunkt in keiner Weise vorgeschoben werden, selbst dann nicht einmal, wenn diese Gründe den Tatsachen entsprechen würden. Ein Liechtensteiner, der sich entrechtet fühlt, hat noch keinen Grund zu sagen, wir hören auf, Liechtensteiner zu sein. Alle die erwähnten Friedensverhandlungen sind unter der Fahne des Parteigegensatzes gescheitert. Der Herr Doktor hat die ersten Friedensverhandlungen nicht mitgemacht. Solange die Partei als Partei einander gegenübersteht, ist es eine gewisse Machtbestrebung. Wenn man verantwortungsvoll schafft, kann es dem Volke doch gleich sein. Das eine betone ich, wenn wir heute an einen Umbau schreiten, dann haben wir total umgebaut, denn dieser geht nicht anders vor sich als mit fremder Hilfe. Ich fühle mich verpflichtet, meine Meinung zu sagen. Wenn etwas zu machen ist, so ist heute nicht die Zeit, einen Totalumbruch zu machen. Jeder, der Kinder zu Hause hat, muss sich überlegen. Der Liechtensteiner hat bis jetzt noch jene friedliche Gesinnung gehabt, dass er seine Kinder nicht für die Kanonen aufzieht. In dieser ernsten Überlegung kommt nicht mehr die Partei in Betracht. Und auch das nicht, was man als Unrecht empfunden hat.

[Philipp] Elkuch: Ich glaube, dass man in diesem Zeitpunkte Parteiinteressen ab der Seite stellen sollte, es ist jetzt zu gefährlich. Unsere Vorfahren und Väter sind hier gesessen und haben unser Land zu wahren gewusst. Wir dürfen nicht diejenigen sein, die das Vaterland verkaufen. Wir wären die verlassensten in Deutschland. Durch das Fürstenhaus ist die Schönheit des Landes gekommen. Die Parteiinteressen müssen wir auf der Seite lassen.

Präsident: Die ganze Diskussion ist herausgewachsen aus dem Umstande, dass wir in Bern über den Stand der Dinge in Liechtenstein Bericht erstatten müssen. [5] Es wird morgen wieder von Bern die Frage gestellt werden, welche Aussichten gebt ihr für die nächste Zukunft. Ich bin der letzte, der in Bern eine Lüge gebraucht.

Hoop: Ich habe die Meinung, dass es bei einer Versammlung durchgeht, wie man den Leuten vorgibt.

Beck Wendelin: Am Berg mag es auch einzelne Junge haben, aber der grosse Haufen will Liechtensteiner bleiben.

Präsident: Das eine müssen wir uns bewusst sein, der geringste Anlass genügt, und die Grosszahl hebt Hände und Füsse in die Höhe wie anderswo. Die Psychose fernzuhalten, ist schwer. In einer Zeit, wo es nicht gefährlich ist, kann man parteimässig zanken. Heute aber müssen solche Gedanken zurückgedrängt werden. Ich muss auch wiederholen, dass heute nicht die Zeit ist, zum Forderungen aufzustellen. Ich würde es für mich als ein Verbrechen ansehen, einen anderen Gedanken in mir zu tragen, als Liechtensteiner zu bleiben. Wenn wir nicht einmütig der Meinung sind, dann bin ich hoffnungslos, dann wäre es gescheiter, man schickt ein Telegramm. Ich kann nicht mitmachen in einem solchen Prozess.

[Franz Josef] Marxer: Nachdem die Sache so ernst ist, glaube ich, wir wollten einig sein. Besser werden wir es nirgends bekommen. Ich möchte bitten, Einigkeit zu wahren, dann können wir schaffen und Liechtensteiner bleiben.

Dr. Schädler: Es sind schöne Worte gefallen von der Einigkeit und Einheit. Wenn man das erreichen will, dann muss man an die Befriedung einen objektiven Beitrag leisten. Worte verfangen nicht. Die Verhältnisse müssen sich ändern und zwar sehr. Wenn keine Aussichten da sind, dann wird die heterogene Auffassung im Volke immer grösser werden und eine kleine Einigkeit am grünen Tische nützt nichts.

Hasler verweist auf den schönen Verlauf der Bürowahlen und das Entgegenkommen. [6]

Präsident: Es war in der letzten Zeit ein Verhältnis, dass man sich freuen konnte. Ich verstehe das psychische Moment, aber das eine kann ich nicht verstehen, dass man sich nicht einmal darüber hinwegfinden kann in dieser ernsten Stunde. Jede Partei hat das Recht einer Machtbestrebung. Aber jetzt, wo ganz Anderes als Parteisachen auf dem Spiele stehen, habe ich erwartet, dass man einmal diese Erklärung bekommt: Wir wollen Liechtensteiner bleiben. Doch diese Erklärung fehlt mir noch. Ich fasse die Situation ganz ernst. Wenn sich nicht Jeder als Liechtensteiner fühlt und Reservate macht, dann ist es schlimm bestellt. Ich habe nicht das Recht, über Ihr Wort zu verfügen, aber als Abschluss hätte ich erwartet, dass Sie sagen, wir bleiben Liechtensteiner und nichts anderes. Ich bin nicht als derjenige bekannt, der auf Extremen herumgeritten wäre. Dass man hier die Partei in den Vordergrund schiebt, ist bedauerlich. Die Union kann Forderungen machen, aber das "dann" ist dann nicht zu unterschätzen.

Dr. Schädler: Liechtensteiner muss man sein, sagt der Präsident. Dieser Standpunkt ist von je her mein Standpunkt gewesen und das Bekenntnis zu Liechtenstein ist in mir sehr tief gewurzelt gewesen, aber nie in der Form, dass es Liechtensteiner A und B gibt. Solange diese Differenzierung besteht, so kann man nicht zugestehen.

Präsident: Wenn es Liechtensteiner A u. B gibt, dann sind Sie ein Liechtensteiner A.

Dr. Schädler: Ich kenne jene Kreise, die mir den Auftrag gegeben haben, heute hier zu sein. Da möchte ich absolute Klarheit haben, will man diesen Unterschied verewigen oder beseitigen.

Präsident: Es ist heute nicht die Stunde dafür da, dass man dieses Entweder-Oder stellt. Ich hätte mir erwartet, dass zuerst Liechtenstein und dann die Partei kommt.

Dr. Schädler: Es hängt zusammen. Wir sind alle zusammen Liechtensteiner. Unsere Partei hat nur ein Recht gewünscht, eine zahlenmässige Vertretung im Landtag und Behörden.

Präsident: Was ist die Auswirkung für die Behörden. Was sich auswirkt, ist das öffentliche wirtschaftliche Leben.

Dr. Schädler: Die Landeswerke sind als solche je und je anerkannt worden. Ich verstehe nicht, dass der Präsident diese psychologischen Momente nicht verstehen will.

Präsident: Heute ist eines notwendig und für den Moment muss das Parteimässige auf die Seite gestellt werden. Ich bin mir voll bewusst, dass Liechtenstein, sei die Lagerung wie sie wolle, es nicht in der Hand hat, die Verhältnisse zu gestalten. Heute sind im Lande ein paar Elemente imstande, das zu schaffen, was die Zukunft ist. Wenn wir nicht ruhig und einheitlich zusammenstehen, dann wird das eintreffen. Wenn wir uns dessen bewusst sind, dürfen wir nicht kleine Sachen vor die grossen stellen.

Risch Ferdi: Das Liechtensteiner A und B wird zu stark aufgebauscht. Gerade in Triesenberg sind die meisten viel beschäftigt gewesen, die gegen die heutige Regierung sind. Und in welche Gemeinde ist in den letzten Jahren am meisten Geld geflossen betr. Arbeitsbeschaffung und was ist sonst noch hinaufgekommen an Subventionen, Unterstützungen etz. Auch in Balzers ist viel getan worden, wo Viele gegen die Regierung sind. Es ist nicht so, wie der Herr Doktor tut. Diese Unruhe muss erst geschaffen werden.

Beck Wendelin: Es ist viel geleistet worden am Berg. Aber mit der Berücksichtigung der Arbeiter ist oft unrecht vorgegangen worden. Den letzten Sommer war es besser, aber ein Jahr vorher ist es unrecht zu und her gegangen.

Risch Ferdi: Wenn wir heute in dieser kritischen Zeit nicht einig sind, so entgehen uns noch mehr Einnahmen. Wer von uns will die Verantwortung übernehmen.

Beck Johann: Was die Parteilichkeit betrifft, so muss gesagt werden. dass die meisten von der anderen Richtung Arbeit hatten. Wir sind aber heute nicht als Parteimitglieder da, heute müssen wir sagen und bekennen, ob wir Liechtensteiner bleiben wollen oder nicht.

Dr. Schädler: Wenn dieser Standpunkt immer so loyal gehandhabt worden wäre, dann wäre die Diskussion auch einfacher. Ich erinnere an den Vogelsang-Skandal, [7] wie die Behandlung desselben vor sich gegangen ist. Ich erinnere mich, wie sehr man dort auf persönliche Ehrenkränkung hinausgegangen ist. Das war alles eher als im Interesse der Staatsbürger. Damals hat man den Mut nicht gefunden, zwischen den Schuldigen und Unschuldigen zu unterscheiden. Man hat den Unterschied verwischen wollen. Das hat gute Nerven gebraucht. Man muss das mitbedenken, dass man heute nicht nur von Liechtensteinern spricht, sondern dass man die Liechtensteiner als solche ausnahmslos respektiert. Damals hat das Gift in die Leute hineingefressen. Nicht nur die unmittelbar Beteiligten, sondern auch die Freunde sind mitgekränkt worden. Damals ist die Objektivität nicht vorhanden gewesen. Ein [Sally] Isenberg hat mehr Rechte im Land gehabt als ich. [8] Man muss verzeihen können, aber vergessen nicht.

Präsident: Aber diese Momente dürfen nicht schuld sein, dass man wegen persönlicher Sachen das Ganze wagt. Es ist keiner unter uns, der nicht in der Politik etwas Unangenehmes erfahren hätte. Ich glaube nicht, dass der Umstand, einmal ein Unrecht erfahren zu haben, die Berechtigung gibt, ein Gleiches zu tun.

Reg.Chef: Ich bin ganz bestürzt über die Diskussion. Ich hätte das nie erwartet. Ich bin nicht in der Lage, hiezu Stellung zu nehmen. Das ist so schwerwiegend und so enorm, dass ich als Vertreter vom Fürsten [Franz I.] keine Stellung beziehen kann. Wenn diese Diskussion in die Öffentlichkeit kommt, und wir über diese Sitzung morgen in Bern reden müssen, dann naht das Verhängnis. Wer es verantworten kann, der soll es. Ich kann es nicht. So geht es rapid abwärts. Wer es verantworten kann, der soll es.

Präsident: Wir sind beieinander und als Männer unter uns muss man verstehen, was ausgesprochen wird. Das eine betone ich, diese Dinge dürfen nicht Grund einer Entscheidung über das Wohl und Wehe der Heimat sein. Es muss die einheitliche Meinung vorhanden sein. Wer da nicht mitmacht, so kann das nicht verantwortet werden. Der Liechtensteiner ruht auf dem, was Geschichte ist. Entspringen kann so etwas nur einer Ungeschicklichkeit und Dummheit. Wir sind da als Männer und wir müssen in ruhiger Überlegung die Situation nehmen, wie sie ist. Die heutige Diskussion ist bestimmt nicht für die Öffentlichkeit. Ich bin der letzte, der morgen nach Bern gehen und eine Lüge tun will. Wir sind den höheren Verhältnissen nicht gewachsen. Wenn wir aber nicht mehr Liechtensteiner sind, einem anderen Staate möchte ich hier auf diesem Boden nicht mehr angehören. Ich bitte persönlich den H. Dr. Schädler, seine Stellungnahme klar zu sagen, ob er sich nicht zu dieser Erklärung aufraffen kann,- nichts anderes als Liechtenstein. Wenn die persönlichen Momente nicht zurückgestellt werden, dann bin ich derjenige, der vom Ernst der Situation und der Sache überzeugt ist. Dann ist es ungefähr Freitag Abend.

Dr. Schädler: Ich habe eingangs erklärt, dass ich nicht in der Lage bin, die parteimässige Erklärung abzugeben. Meine Stellung ist kraft meines Eides festgelegt. Wenn man die Eidesformel durchliest, wird man sich über deren Inhalt im Klaren sein. Auf einer anderen Grundlage ist eine Befriedung des Volkes mit Worten nicht durchführbar, das möchte ich ausdrücklich betonen. Es sind psychologische Momente ausschlaggebend im Volke und wenn man diese nicht berücksichtigt, dann bessert man auch nichts.

Präsident: Aus dieser Meinung höre ich immer das Wort, es muss jetzt etwas geändert werden. Jetzt aber etwas vorzukehren, wäre eine Umgestaltung. Wenn der Stein ins Rollen kommt, so hält von keiner von uns ihn mehr auf.

Reg.Chef: Das beinhaltet nicht folgendes, dass ein liechtensteinischer Abgeordneter auf Anschluss Liechtensteins an ein anderes Land hinarbeitet. Das steht jedem Abgeordneten frei und hält sich das im Rahmen der Verfassung. Die Antwort von H. Dr. Schädler ist das, was der Präsident eindeutig gefragt hat.

Präsident: Mit dieser Erklärung ist alles noch möglich. Hier kommt es nicht auf den Buchstaben an, sondern die Gesinnung muss viel weiter gehen. Wir sind also auf einem toten Punkte angelangt, der zu ernsten Bedenken Anlass gibt. Ich beantrage, am Nachmittage noch einmal zusammen zu kommen. Ich bin ganz ausserstande, etwas von der heutigen Tagesordnung zu behandeln, bevor diese Frage abgeklärt ist.

Mittagspause 1/2 12 Uhr.

Präsident: Wir sind am Vormittag zur Überzeugung gekommen, dass von aussen her eine Gefahr nicht besteht, dass aber intern im Lande gewisse Befürchtungen sein könnten und dieses Moment ist durch die Aussprache am Vormittag etwas verschärft worden. Es hat sich die ganze Aussprache dahin zusammengefasst, dass in dieser Lage das Parteileben als solches ausschlaggebend sein wird für die Gestaltung der Zukunft und für die Lösung der momentanen Verhältnisse. Die Herren sind wahrscheinlich über Mittag beisammen gewesen und sind nun in der Lage, etwas klarer über die Situation zu berichten.

Dr. Schädler: Ich habe mit einigen Parteifreunden Fühlung genommen und diese haben sich auf den Standpunkt gestellt, dass gegenwärtig die Frage der Unabhängigkeit überhaupt nicht in Frage gestellt werde von niemand und stehe auch nicht zur Diskussion. Wenn jedoch gewisse innerpolitische Bedenken bestünden, die die Frage der Unabhängigkeit etwas unsicher machen, so wäre das nur auf die gegenwärtige parteipolitische Lage zurückzuführen und eine Klärung dieser Lage wäre nur dadurch möglich, dass ein Zustand absoluter Gleichberechtigung in jeder Hinsicht geschaffen würde und dass dieser Zustand möglichst bald sichtbare Formen annehmen soll. Das ist das Resultat meiner Aussprache.

Präsident: Neues wird in diesem Falle nicht viel gesagt. Also bedingt. Wenn - dann. Eine Erklärung ohne diese Bedingung wird also nicht abgegeben.

Dr. Schädler: Nein, sie wird nicht abgegeben werden können, weil die Auffassung besteht, dass eine Unabhängigkeit im Innern nicht vorhanden ist und wieso sollte eine Unabhängigkeit nach aussen bestehen können. Zuerst müssen absolut die Grundsätze der Gleichberechtigung Formen annehmen.

Präsident: Das ist ungefähr das, wie es in Österreich gegangen ist. Zuerst das, dann das und dann ist das andere leichter erreichbar. So ist der geschichtliche Vorgang gewesen in Österreich. Die Stellung hier der Partei gegenüber Österreich darf nicht verglichen werden. Es hat hier keine Konzentrationslager, keine Ausschliesslichkeit in der Arbeit ist aus Parteiinteressen geschehen und man hat geschafft für das Land. Die grossen Bestrebungen sind alle für die Gesamtheit da gewesen. Ich für mich persönlich bin der Meinung, dass in diesem schweren Momente ein Umbau gleich einem Umbruch ist. Dieser Umbruch hat in den letzten Tagen einen historischen Inhalt bekommen. Ich erachte die gegebene Antwort als nicht klar. Private Interessen und Interessen der Partei gehören zurückgestellt, wenn es heisst, die liechtensteinische Autonomie zu erhalten. Wenn unter dem Druck dieser Verhältnisse das durchgesetzt werden muss, so halte ich das für einen Bruch der Traditionen. Für mich ist ein Umbau so viel, als der Anfang der Umstellung des Volkes. So schaue ich es an, wenn unter dem Druck der Verhältnisse das verlangt wird. Man hat gesagt, es seien leere Worte und man wolle jetzt Taten sehen. Jetzt aber etwas machen, Liechtenstein in der Gesetzgebung umstellen, halte ich für sehr gefährlich. Diese Umgestaltung [9] hat eine Hacke. Von diesem Moment an sind wir der eigenen Verhältnisse nicht Herr u. Meister und es ist dann das los, wie es anderswo auch ist.

Büchel: Der Herr Doktor hat gesagt, die Unabhängigkeit stehe nicht zur Diskussion. Dem ist nicht so. Der Reg.Chef. und Präsident müssen morgen nach Bern und sie sollten dort sagen können, dass wir unabhängig bleiben wollen. Das sollten sie unterstreichen und mit Überzeugung betonen können. Nur dann hat es überhaupt noch einen Zweck, noch nach Bern zu fahren. Folglich steht also die Unabhängigkeit zur Diskussion. Ich würde glauben, wir sollten heute sauberen Tisch haben. Entweder bin ich aufs Letzte gewillt, die Unabhängigkeit zu verteidigen oder aber das andere kommt von selbst. Wenn wir uns heute nicht aufraffen können, dann ist das Ende da.

Reg.Chef: Das Ende nähert sich sehr rasch. Es finden, wie mir heute mitgeteilt worden ist, bereits Besprechungen wegen der Gründung einer nationalsozialistischen Partei im liechtensteinischen Unterland statt.

Büchel: Das Land geben wir kampflos nicht preis und tun, was uns möglich ist, aber nicht mit Waffen. Ich habe für mich nicht viel zu verlieren, aber wir geben die ganze kommende Generation preis. Das Unglück lässt sich verhüten, wenn allseits guter Wille vorhanden ist, aber nähren lässt es sich auch.

[Emil] Batliner: Gestern Abend hat im Radio ein Schweizer geredet und hat dem Volke die Verhältnisse geschildert. Er hat gesagt, wir haben Parteien und wir haben uns bekämpft und bekämpfen uns jetzt noch, aber wenn die Frage der Selbständigkeit kommt, dann sind wir alle einige Schweizer. So sollte man bei uns auch sein, wenn einer noch Liechtensteiner ist und Gefühl hat. Wir wollen Liechtensteiner bleiben bis aufs Letzte. Eine Umwälzung hätte für unsere Zukunft grosse Folgen. Das wirkt sich in einem kleinen Lande noch schlimmer aus. Ich sage aufrichtig, wenn einer noch liechtensteinisches Gefühl hat, so kann er die Bejahung dieser Frage nicht von der Hand weisen.

Dr. Schädler: Ich habe am Vormittag mehrere Punkte angeführt, warum in Kreisen der Opposition eine Unzufriedenheit besteht. Ich habe auch angeführt, dass gerade die Unzufriedenheit am meisten den Nährboden für die Entwicklung bildet, wie sie in der letzten Zeit in Österreich sich gestaltet hat. Wenn diese Unzufriedenheit nicht ausgeschaltet wird, dann besteht kein Heilmittel, um diese Entwicklung aufzuhalten. Die Voraussetzung wird sein, eine Befriedung nicht nur am grünen Tisch, sondern eine Befriedung, die bis in die letzten Volksteile geht, herbeizuführen. Mit Worten allein ist das nicht möglich. Die Leute, die viel mitgemacht und politischen Schikanen ausgesetzt waren, sind mit Worten und leeren Händen nicht zu beruhigen. Sie sagen sich, es ist mir ganz egal, aber diese Entwicklung will ich nicht mehr mitansehen. Wenn aber Ansätze da sind, wenn Beweise da sind, dass man es ernst meint, dann kann man etwas erreichen. Sonst sehe ich in dieser Hinsicht nicht viel Positives. Es ist nicht richtig, wenn man heute auf einen anderen Staat hinweist, da ist eine andere Entwicklung. Dort sind die Vorbereitungen ganz andere gewesen. Dort war der Druck ganz anders und deshalb hat er sich explosivartig entladen. Es ist im Staate selber ein namenloses Elend gewesen. Eine reine Analogie einzuschalten, ist verfehlt. Hingegen soll man den Mut auch aufbringen zu sagen, was gefehlt worden ist, soll beseitigt werden. Wenn dieser Mut nicht aufgebracht wird, kann man nicht denen die Verantwortung aufladen, den Unzufriedenen, sondern dagegen zu arbeiten haben die, welche die Machtmittel in der Hand haben.

Präsident: Wenn der Herr Doktor sagt, das Unrecht sei gutzumachen, so muss gesagt werden, dass man das auch sonst kann und hiezu verpflichtet ist. Man darf aber heute als Liechtensteiner, selbst wenn ihm ein Unrecht passiert wäre, nicht sagen, es ist mir Wurst und gleich, so oder so. Der ist schon so weit, dass er den Staat untergraben will. Dass alles befriedigt werden kann, wird nicht möglich sein. Es sind so viele mit offenen Händen, die man nicht zu befriedigen vermag. Wenn ich eine Analogie gezogen habe, so ist es nicht die Analogie der Verhältnisse. Vorbereitet halte ich manches in unserem Lande. Ein kleiner Anstoss und dann ist die Geschichte genau so wie anderswo. Es geht bei uns in viel schnellerer Zeit. Ich glaube, dass weder Dr. Schädler noch wir imstande sein werden, allen denen die Erwartungen zu erfüllen. Die grosse Masse, die erwartet, sind die Arbeiter und diese wissen, wenn sie heimattreu sind, dass sie keinen Grund haben, eine derartige Gesinnung zu haben: Es ist mir Wurst was. Vom Himmel fällt das Geld auch in einem anderen Reiche nicht. In diesem Falle handelt es sich um die Unmöglichkeit, jedem das, was er sich wünscht und hofft, geben zu können. Es ist eine politische Machtbestrebung da. Diese zu ändern bei den heutigen Verhältnissen, erscheint mir so, dass wir anfangen Beamtungen umzubauen. Hiebei gibt es ein Durcheinander und dabei kommt die ganze Geschichte. Dann haben wir einen wunderbaren Proporz. Ich halte dafür und möchte zur Erwägung stellen im Interesse des Landes, ob der geeignete Zeitpunkt da ist, Verfassung und derartige Dinge in gefährlicher Zeit auf Geratewohl umzubauen. Im anderen Falle haben wir das, dass das Volk nicht mehr gespalten ist in Volks- und Bürgerpartei, sondern Nationalsozialismus und Bürgertum. Ich kann meine Gedanken niemandem aufzwingen, aber ich möchte bitten zu bedenken, dass diese Stunde die ungeeignetste ist, eine Umgestaltung herbeizuführen. Das wird mir auch Dr. Schädler zugeben müssen.

Reg.Chef: Wir müssen morgen nach Bern und es ist die Frage an uns gestellt worden, wie stellt ihr euch ein zur weiteren Lage, wollt ihr weiter bei der Schweiz bleiben. Wenn der einhellige Wille der Liechtensteiner vorhanden ist, wird man unserem Lande Verständnis entgegenbringen. An den Präsidenten ist von der Schweiz die Frage gestellt worden, was erwartet ihr von uns. Wenn wir morgen kommen und sagen, wir haben geredet über die Selbständigkeit und Mitglieder der Opposition sind nicht in der Lage gewesen, sich auf den Standpunkt eines unabhängigen Liechtensteins zu stellen, dann ist es fertig. Dann nimmt das Verhängnis in kurzer Zeit den Lauf, dass die Haare zu Berg stehen. Ich mache auf den Ernst aufmerksam. Wenn man es nicht einsieht, so prophezeie ich aus vollster Überzeugung, dann ist der Anfang vom raschen Ende da. Ich weiss mehr, als ich sagen kann, aber ihr werdet an mich denken. Ich möchte die Abgeordneten der Opposition bitten, dieses Opfer zu Liechtenstein zu bringen.

Präsident: Du teilst also mit mir die Meinung, dass eine momentane Umgestaltung nicht angezeigt ist.

Reg.Chef: Ja, die Luft ist geladen von Nervosität. Wie geht es der Sparkasse. Das muss man bedenken. Von London, von Paris kommen stündlich Anfragen. Unten stehen die Automobile und laden ein. Wenn euch das nicht genug ist, dann messt ihr den Ernst der Lage nicht. Wenn noch eine Umstellung im Inneren kommt, so braucht es naive Laien zu glauben, dass es keine Folgen habe.

Dr. Schädler: Ich muss immer wieder darauf hinweisen, dass wohl ein Appell gerichtet worden ist, aber dass man unseren Standpunkt nicht zu verstehen scheint. Ich betone nachdrücklich, wenn hier nicht eine Korrektur stattfindet, so werden die Ereignisse den Weg gehen sowieso. Das sind problematische Erwägungen.

Präsident: Man hat von einer Korrektur geredet. Es muss aber einleuchtend sein, dass eine Umgestaltung der Regierung den Umbruch herbeiführt. Das erachte ich für mich als Sicherheit. Wenn man heute in dieser kritischen Situation etwas Derartiges verlangt, für den jetzigen Augenblick, dann verlangt man den Umsturz.

Dr. Schädler: Die Krise ist ohne weiteres lösbar. Warum wird der Landtag erst heute in dieser wichtigen Frage zusammengerufen?

Präsident: Ich kann ruhig sagen, ich habe diese Erklärung für derart selbstverständlich erachtet, dass diese Behandlung der ordentlichen Geschäftserledigung vorausgeht, und dann das Traktandum behandelt werden könne. Ich habe vorausgesetzt, dass unter dem Druck dieser Verhältnisse eine derartige Meinungseinheit vorhanden sein werde, dass die Frage der Selbständigkeit nicht müsste überlegt werden.

Dr. Schädler: Ich muss betonen, dass mich am Morgen die ganze Aussprache eigentümlich berührt hat, dass schon die Frage angeschnitten worden ist. Ich war nicht vorbereitet.

Präsident: Das habe ich gemacht, weil ich nichts anderes erwartet habe, dass jeder Liechtensteiner diese Erklärung abgibt und das könnte morgen in Bern gemeldet werden. Ich habe geglaubt, dass eine solche Frage keinem Liechtensteiner unvorbereitet komme. Ich hätte nicht geglaubt, dass wir uns einen Tag an dieser Frage unterhalten müssen. Ich glaube, diese Begründung dürfte eingesehen werden und sie dürfte genügen. Wir haben doch in Liechtenstein keinen Grund, künstlich etwas grosszuziehen. Ich glaube, dass man mehr als 75 % der Liechtensteiner nicht fragen müsste, ob sie Liechtensteiner sein und bleiben wollen.

Reg.Chef: Könntet Ihr nicht die Erklärung abgeben, Ihr steht auf dem Boden der liechtenst. Selbständigkeit und Souverainität und erwarten, dass Verhandlungen eingeleitet werden, wegen einer inneren Befriedung.

Beck Wendelin: Ich bin Demokrat und bleibe es auch. Aber als Demokrat habe ich die letzten Jahre Sachen erfahren müssen, die ich als Demokrat nicht mehr billigen kann. Wir können es nicht mehr aufhalten, wenn nicht eine Befriedung stattfindet. Da muss unbedingt auf eine Befriedung hingeschafft werden. Eine Diktatur anerkenne ich nie. Die Hipo habe ich vom rein demokratischen Standpunkte aus nicht gerne gesehen. [10] Das war einer Demokratie unwürdig. Ein Vierteljahr vorher hat man die Bestellung von drei Polizisten gewusst.

Reg.Chef: Das ist erfunden und erlogen. Wir haben es nicht einmal gewusst.

Büchel: Ich habe die Polizisten vorher nicht gekannt und sie erst als Polizisten kennen gelernt. Es haben Leute vorher auch auf ihr Risiko einen Kurs gemacht. Wenn andere etwas herumschwatzen, ist das etwas anderes.

Dr. Schädler: Ich kenne einen, der dazu ausersehen war, er hat dann einen Unfall gehabt und ist dann ausgeschieden worden. Nachträglich ist der Betreffende doch in den Staatsdienst gekommen.

Reg.Chef: Es ist geradezu lächerlich, dass man wegen solchen Sachen, die recht gegangen sind, dass man alle Liechtensteiner unter die Pickelhaube steckt und dass man die Souverainität vom Lande aufs Spiel setzt.

Dr. Schädler: Es kommt darauf an, wers auf Spiel setzt. Ich habe betont, dass eine Unzufriedenheit besteht und wenn man nicht beweisen kann, dass man es anders macht, werden die Dinge den Lauf nehmen.

Risch Ferd.: Aber es wird Ihnen Doktor nicht möglich sein, alle zu befriedigen.

Dr. Schädler: Der Herr Regierungschef hat bereits gesagt, was bereits passiert ist.

Risch Ferdi: Es ist eine Gemeinheit, wenn heute nicht friedlicher gearbeitet wird.

Präsident: Ich glaube, dass diese Aussprache über einzelne Fälle zu weit führen würde. Ich bin dafür, dass man sich aussprechen soll, aber heute steht etwas ganz anderes in Frage. Das nenne ich Kleinigkeiten dem Heutigen gegenüber. Es sind zu Viele, die die Hände offen halten, man kann nicht alle Wünsche befriedigen.

Beck Wendelin: rügt die einseitige Anstellung der Polizisten.

Präsident: bemerkt, dass auch er nicht Sicherheitsorgane anstelle, die gegen ihn seien.

Dr. Schädler: Diese Begründung mag eine gewisse Berechtigung haben, aber eine solche Anstellung, wenn sie so einseitig erfolgt, da können Sie nicht verhindern, dass sie kritisiert wird. Es ist eine grosse Unzufriedenheit da und es ist nicht richtig, wenn man sie abstreitet.

Präsident: Es wird vieles diskutiert. Aber es sollte hier im Landtage nicht als offizielle Begründung angeführt werden, wenn man einsieht, und einsehen muss, dass das Gegebene so ist. Man hat ja bei allen Akkordvergebungen Unparteilichkeit walten lassen u.s.w.

Reg.Chef: Bei jeder einzelnen Anstellung stelle ich die Akten zur Verfügung und die Herren wollen sie durchsehen. In keinem einzigen Falle sind nicht die besten genommen worden. Wenn wir das System herbeiführen werden, das vor der Grenze des Landes steht, ich weiss nicht, ob wir das Bessere eintauschen. Dann brauchen wir dann keine Polizisten und Beamten mehr anstellen.

Ospelt: Der Fall ist so wichtig, dass man zu einem einhelligen Beschluss kommen sollte.

Präsident: Jeder von den früheren alten Herren hätte einen für einen Verbrecher angeschaut, wenn man das Liechtenstein in Frage gestellt hätte.

Hoop: Wir haben Leute in Ruggell, die ganz extreme Volksparteiler sind. Aber am letzten Sonntag haben sie sich entschieden gegen diese Sache ausgesprochen, die wollen nicht als Kanonenfutter gehen. Von der Obrigkeit aus sollte das nicht noch bewerkstelligt werden.

Dr. Schädler: Ich möchte einen einhelligen Beschluss nicht in Frage stellen. Ich habe meine Bedenken geäussert und solange diesen nicht Rechnung getragen wird, sehe ich keine Möglichkeit. Ich bin bereit, die Sitzung zu verlassen und dann wird es möglich sein, einen einheitlichen Beschluss herbeizuführen.

Präsident: Ich werde nicht abstimmen lassen. Ich fühle mich so nicht berechtigt und halte es unter der Würde, diese Frage heute zur Abstimmung zu geben. Ich würde mich genieren, dass ich diese Frage zur Abstimmung gestellt hätte, wollen wir noch Liechtensteiner sein. Von der Schweiz ist diese Frage an mich gestellt worden und morgen wird sie wieder gestellt werden. Und die Aussprache hat ergeben, dass sie nicht umsonst gestellt worden ist. Dass es einen Tag dauert, diese Frage zu einem unbefriedigenden Resultat zu bringen, ist kein gutes Omen. Wenn die Volksvertretung noch von sich aus und mit ganzem Herzen ohne jeden Rückhalt diese Erklärung abgeben kann, dann haben wir ein Zeichen, dass ein selbständiges Liechtenstein nicht mehr jenes Leben hat, das zu einem Leben berechtigt. Ich möchte in diesem Falle von einer Abstimmung abraten und möchte nicht in einem Protokoll haben, dass überhaupt über diese Frage abgestimmt worden ist.

Dr. Schädler: Ich bedaure aufrichtig, dass von Ihrer Seite überhaupt keine Vorschläge gemacht werden können.

Präsident: Unsererseits ist der Vorschlag gefallen, dass jetzt nicht die Zeit für so etwas sei.

Dr. Schädler: Heute ist es praktisch massgebend.

Präsident: Das Volk wird spontan von sich aus sagen, Liechtenstein ist Liechtenstein. Aber nicht heute kann darüber geredet werden, da jede Umgestaltung eine absolute Abfahrt bedeutet. Mit diesen Sachen hat man angefangen in Berchtesgaden. Nicht etwa aus parteipolitischen Gründen und Rücksichten, sondern weil es nicht verantwortet werden könnte, auf solche Verhandlungen einzutreten.

Dr. Schädler: Das Verlangen ist oft gestellt worden. Damals hat man den Ruf nicht gehört. Heute ist der Ruf so, dass er in eine ernste Stunde hineinfällt. Zur Aufrechterhaltung der Selbständigkeit ist die Befriedung notwendig.

Präsident: Die Leute, welche nicht befriedigt werden, werden wieder eine Partei bilden. Wenn morgen lauter Unionsangehörige zur Polizei kommen, so sind nur 7 Unzufriedene weniger und immer noch viele Unzufriedene. Das ist der Brotneid. Aber heute ist nicht die Stunde, über Brotneid zu reden, sondern um Sein oder Nichtsein. Es passt nicht, zur Lösung dieser Frage, solche Sachen als Bedingung zu stellen.

Dr. Schädler: Ich halte diese Frage nicht für so kleinlich. Wenn diese Frage nicht gelöst wird, wird die Unabhängigkeitsklausel nicht gelöst.

Präsident: Jeder ruhige Parteigänger einer anderen Richtung muss mir recht geben. Aber der Liechtensteiner soll sein Liechtenstein nicht nach Parteierfolgen beurteilen.

Dr. Schädler: Parteien sind da und die Unzufriedenheit ist da.

Ospelt: Es handelt sich um die Frage der Selbständigkeit. Man sollte meinen, dass man jetzt doch dafür sein muss, wenn man auch die Folgen kennt. Ich bin immer deutschnational eingestellt gewesen, aber das kann für die Zukunft nicht verantwortet werden.

Reg.Chef: Ich habe den Vorschlag gemacht. Das Festhalten an der Souverainität und Selbständigkeit auf der Basis der bisherigen Verträge der Schweiz, die erwartet, dass Verhandlungen eingeleitet werden über einen Ausgleich unter den bestehenden Parteien.

Schädler Alois (Reg.Rat): Ich muss bemerken, dass ich Volksparteiler gewesen bin, weil ich ein Demokrat bin. Ich war früher viel in der Schweiz und das hat mir sympathiert. Wenn man dann ins Land gekommen ist, hat man allerhand Zustände erleben müssen. Aus diesem Grunde bin ich Volksparteiler gewesen und nicht aus einem anderen Grunde. Auf der anderen Seite haben wir kleinliche Verhältnisse. Einer sieht dem anderen in den Hosensack hinein, sodass sich die Parteiverhältnisse ungünstig auswirken. Fehler hat es gegeben bei der Volkspartei und Fehler hat auch die heutige Bürgerpartei gemacht. Geärgert hat man sich seinerzeit wegen der Anstellung der beiden Brüder Sele. [11] Ich sage das nicht von mir aus. Sie gehen ja heute einander nichts mehr an, indem ein Jeder einen eigenen Haushalt führt, aber damals hat man es nicht verstanden, dass man aus einer Familie zwei angestellt hat. Ich missgönne diesen den Verdienst auch nicht. Solche kleinen Fehler kommen vor und man ist fanatisch und im Weiteren möchte ich bitten, dass man die Selbständigkeit wahren würde. Das ist das Erste und man sollte darüber keinen Streit haben. Man sollte für den Frieden sein. Wir müssen das vergessen, was vergangen ist und einander nichts vorhalten und dann kann man auf beiden Seiten die Leute beruhigen und die scharfen Elemente zurückhalten. Ich möchte wünschen, dass man jetzt endlich an ein Zusammenschreiten denkt und aufrichtig zusammenschreite.

Präsident: Ich danke für diese Ausführungen. Sie sind nicht der Meinung, dass als Bedingung sofort eine Umbildung stattfinden soll.

Reg.Rat Schädler: Nein, aber in nächster gegebener Zeit.

Präsident: Ich habe mich um die Forderungen deshalb nicht erkundigt, weil ich mir sage, dass sie für den heutigen Moment nicht erfüllbar sind. Nach meinem Dafürhalten ist die Terminsetzung etwas Unmögliches. Zur gegebenen Zeit ohne Gefährdung des Staates das zu machen, ist etwas anderes.

Dr. Schädler: Das Eine möchte ich festhalten, dass wenn die Unzufriedenheit nicht gleich bekämpft werden kann, die unzufriedenen Elemente die Sache fördern.

Präsident: Wir haben hier als Körperschaft eine Erklärung abzugeben. Da sollten keine Bedingungen gestellt werden. Das Reservieren einer persönlichen Meinung beunruhigt mich. Sie (zu Dr. Schädler) haben am Morgen, wo ich gesagt habe, was sagen Sie persönlich dazu, Liechtenstein muss Liechtenstein bleiben, gesagt, Eid ist Eid u.s.w. Die Verfassung kann aber geändert werden. Ich möchte heute die Erklärung haben, dass wir heute bereit sind, nicht etwas anderes daraus zu machen, sondern Liechtenstein soll Liechtenstein bleiben. Die Leute in Bern sind über das Kleinste informiert und der Schweiz ist es absolut nicht gleich, was dieses kleine Land macht. Sie werden sagen, wenn das Vertragsverhältnis aufrecht erhalten bleiben soll, so erwarten wir des Klarsten eine Versicherung, dass offiziell die absolute Meinung besteht, dass Liechtenstein bleibt, was es ist.

Büchel: Ich bin noch nie im Landtage so enttäuscht gewesen wie heute. Zu einem selbständigen Liechtenstein da gehört keine Bedingung dazu.

Dr. Schädler: Durch die Befriedung kann man die Selbständigkeit erhalten.

Büchel: Das ist ein Ultimatum. Das ist ein Verbrechen, dass im Landtage noch kein solches Verbrechen begangen worden ist.

Dr. Schädler: Zuerst muss man eine Befriedung herstellen. Wenn man keine Befriedung herstellt, dann opfert man das Land. Die, welche an der Macht sitzen, denken nicht an die Folgen.

Büchel: Sie stellen die Bedingung so, entweder befrieden oder wir wagen das Land.

Dr. Schädler: Führen Sie die Befriedung durch, so werden die unzufriedenen Elemente abwandern.

Büchel: Alle Hochachtung von früheren Politikern. Ich habe schon mit Verschiedenen diskutiert. Aber eine solche Frage hat man hier nie diskutiert. Vor anderen soll uns der Herrgott bewahren. Ich verstehe nicht, dass man politisieren kann auf einer solchen Grundlage.

Dr. Schädler tritt ab.

Präsident: In dieser Frage kann man keine parteipolitische Bedingung stellen. Es ist jedoch ganz richtig, wenn man diese Fragen überlegt. An diese Frage der Selbständigkeit in dieser Stunde die Bedingung stellen, heisst auf Deutsch: Entweder tut ihr, was wir wollen, oder ...

Elkuch: Wir haben die letzte Zeit gut gearbeitet und einander gut verstanden und wenn es noch länger gegangen wäre, hätten wir uns noch besser verstanden.

Büchel: Geht Ihr morgen zum Fürst u. nicht nach Bern.

Beck Wendelin: Das ist auch nicht der richtige Weg.

Präsident: Jetzt heisst es vernünftig zusammenstehen und nicht einander von der Parteiseite anzuschauen. Eine Umstellung halte ich momentan nicht für ratsam. Solange Dr. Schädler nicht sagt, Liechtenstein den Liechtensteiner, solange finde ich die Sachlage für sehr bedenklich. Er ist von sich aus persönlich verpflichtet, das zu tun, wenn er an seine Vorfahren denkt. Wenn solche Leute in dieser Stellung diese Erklärung nicht abgeben wollen, das vertrage ich nicht. Wir lassen uns nicht für den Narren halten. Wenn diese Bedingung gestellt wird, dann ist schon gebrochen mit der Heimat. Ich hätte geglaubt, dass man vom Landtage hätte erwarten können, dass man gesagt hätte, das ist eine dumme Frage. Das ist nun sehr betrüblich und sagt viel. Es geht nicht, eine Verantwortung gewaltsam anderen aufzuwälzen. Derjenige verkauft das Land, der es verkauft. Es gibt keinen Grund, der den Menschen berechtigt, über die Köpfe der Bevölkerung hinweg das Vaterland zu verkaufen. Ich bin derjenige, der gerne mit sich reden liesse.

Hoop: Ein ganz kleiner Prozentsatz kann das Land verkaufen.

Schädler Alois Reg.Rat: Man sieht, zu was es kommt. Die jungen Leute werden Kanonenfutter.

Beck Wendelin: Die Worte von Dr. Schädler muss ich unterstreichen, auf eine Befriedung im Lande muss getrachtet werden.

Präsident: Dass man jedem gibt, was er verlangt, ist zu allen Zeiten unmöglich.

Beck Wendelin: Dr. Schädler hat es auch nicht so gemeint.

Büchel: Mit dieser Frage sollte man keine Bedingungen verknüpfen.

Risch Ferdi: Es wäre vielleicht gut, Polizisten zur Grenzwache an die Grenze zu stellen wegen dem Ärger, den die Liechtensteiner durch ihren Hitlergruss den Grenzwächtern geben.

Reg.Chef: Ich habe gefunden, dass es am besten ist, wenn nur Schweizer unten stehen und habe das absichtlich nicht gemacht.

Präsident: So etwas ist jedenfalls im liechtenst. Landtag noch nie verhandelt worden.

Vogt Basil: Ich glaube Dr. Schädler ist unter einem Druck von versch. Seiten. Er wird von versch. Seiten antelefoniert.

Präsident: Wenn ich in dem Sinn um eine Meinung frage und diese mir dann vorbehalten bleibt, so ist das schlimm. Wenn irgend einer im Wirtshaus dumme Sprüche macht, ist das etwas anderes. Aber wenn im Landtag von dieser Seite das geschieht, so ist das ernst. Er wird doch wissen, warum er das sagt. Die Verfassungsmässigkeit haben die Österreicher auch bejaht. Ich habe am Sonntag den Herren in Bern erklärt: Die Behörde als Behörde, setze ich voraus, dass auch nicht die geringste Meinung herrscht, dass es nicht im bisherigen Status vorwärts geht. Wenn es sich um das Volk handelt, so sind lediglich ein paar, die herumspektakeln. Ich halte dafür, dass man die Reise nach Bern verschiebt.

Ospelt: Nach Bern würde ich fahren und die ganze Situation klären.

Reg.Chef: Nachdem Dr. Schädler diese Einstellung hat, ist es ausserordentlich ernst. Die Feldkircher wollen die Liechtensteiner haben. Die Gefahr ist vor der Tür.

Präsident: Es braucht gar nicht, 2-3 Mann können das Land verkaufen.

Vogt Basil: In Balzers ist nichts zu befürchten.

Präsident: Ich kann es nicht fassen, dass ein Liechtensteiner sich nicht mehr als Liechtensteiner bekennt u. erklärt.

Reg.Chef: Man wird die Leute aufklären müssen, aber wir sind in einer heiklen Situation. In dem Momente, da wir anfangen, kommen wir mit Deutschland in Widerspruch. In Österreich war es im Volke. Wenn bei uns eine Bewegung gegründet wird, Geld zur Verfügung hat und die Unterstützung von Feldkirch, dann fürchte ich sehr. Wir haben im Land etwa 1400 Deutsche und nach bekannten Grundsätzen müssen sie in die Arbeit des Nationalsozialismus einstehen. Wenn nicht eine innere Geschlossenheit aller Liechtensteiner vorhanden ist, dann sehe ich das Schlimmste.

Vogt Basil: Mit den Anstellungen könnte vielleicht die Regierung zeigen, dass sie geneigt ist, anders zu handeln. Ein sichtliches Zeichen sollte da sein.

Präsident: Wir können heute nicht ein paar fortschicken und andere vorstellen. Wenn man über Parteisachen spricht, dann macht es nichts, wenn das oder jenes Wort fällt, aber in einer so ernsten Sache sollten andere Worte fallen. Ich habe vorausgesetzt, schnell diese Erklärung im Landtage abzugeben und dann an das Tagesprogramm zu gehen. Es wird mir niemand zu Recht den Vorhalt machen, dass ich den Landtag nicht vorher einberufen habe. Man hat gemeint, es sei überhaupt kein Grund zu solchem Handeln vorhanden.

Reg.Chef: Nun, wie ist es unter uns. Kann man sagen, dass wir einig sind über diese Frage.

Alle anwesenden Abgeordneten sind sich in dieser Frage der Selbständigkeit und Unabhängigkeit völlig einig. [12]

______________

[1] LI LA LTP 1938/010.
[2] Am Abend des 13.3.1938 versammelten sich Mitglieder der Vaterländischen Union im nahen vorarlbergischen Tisis im "Löwen". Sie forderten die Kündigung des Zollvertrages mit der Schweiz und eine entsprechende Verbindung zu Deutschland. Die Tisner Zusammenkunft war nicht von der Parteileitung organisiert.     
[3] Die Regierung hatte die Beamten - soweit es die Opposition betraf - zu politischer Zurückhaltung aufgefordert, vgl. L.Na., Nr. 16, 24.2.1934, S. 2 ("Politik und Staatsangestellte").
[4] Von Oktober bis Dezember 1935 führten die beiden politischen Lager in Liechtenstein Friedensverhandlungen durch. Die Bürgerpartei war bereit, die Opposition von Volkspartei und Heimatdienst an der Regierung zu beteiligen und sie bei der Landtagswahl in einer Einheitsliste zu berücksichtigen. Die Friedensverhandlungen scheiterten jedoch.
[5] Vgl. dazu das Protokoll über die liechtensteinisch-schweizerische Konferenz im Eidgenössischen Politischen Departement in Bern vom 16.3.1938 (LI LA RF 179/130/022-025).
[6] In der Eröffungssitzung des Landtags vom 24.1.1938 wurde Otto Schädler von der Vaterländischen Union zum Vizepräsidenten des Landtags gewählt (LI LA LTP 1938/003).
[7] Der Journalist Carl von Vogelsang musste im Januar 1937 aus Liechtenstein flüchten, da seine Spitzeltätigkeit für die deutschen Behörden aufgedeckt wurde.
[8] Zwischen dem deutsch-jüdischen Emigranten Sally Isenberg und Carl von Vogelsang war 1936 eine heftige Pressefehde entbrannt. Im Rahmen der Aussöhnung zwischen der Bürgerpartei und der Vaterländischen Union 1938 wurde Isenberg schliesslich ersucht, Liechtenstein zu verlassen.
[9] Die Passage "halte ich [...] Umgestal" fehlt im als Editionsvorlage verwendeten Protokoll (LI LA LTP 1938/026) und wurde ergänzt nach dem Protokoll unter LI LA LTA 1938/S04.       
[10] Die Regierung beschloss im Mai 1937, zur Verstärkung der sieben vollamtlichen Polizisten zusätzlich 19 Hilfspolizisten aufzustellen. Die gesamte Polizeitruppe gehörte politisch der regierenden Bürgerpartei an.
[11] Anspielung auf Marzell Sele, Kanzlist beim Landgericht, und Gottfried Sele, Polizist. 
[12] Im Rahmen der Einbeziehung der Vaterländischen Union in die Regierung bekräftigten beide Parteien am 21.3.1938 die Aufrechterhaltung der bestehenden Verträge mit der Schweiz sowie die Erhaltung der Selbständigkeit unter der monarchischen Führung des liechtensteinischen Fürstenhauses (LI LA RF 180/443/001/007-008).