Alfons Goop wird über seine Tätigkeit in der Volksdeutschen Bewegung vernommen


Protokoll der Einvernahme, gez. Alfons Goop [1]

6.2.1946

Vor dem f.l. Richter Dr. Hermann Risch und dem Schriftführer Guido Frick.

Vorgeführt wird Dr. Alfons Goop, geb. am 15. Oktober 1910 in Schellenberg, dahin zust., rk., verheiratet, des Karl und der Serafina geb. Marxer, Philologe, bis 1943 Lehrer an der Sekundarschule in Eschen, derzeit in Haft hier, und gibt als Beschuldigter vernommen an:

Ich habe bereits ein kurzes Protokoll der Polizei gegenüber gemacht; [2] nachdem mir meine Angaben vor der Polizei aus der Anzeige vorgelesen werden, bestätige ich dieselben als richtig.

Des Verbrechens des Hochverrates kann ich mich nicht schuldig bekennen; allerdings wird heute meine Tätigkeit von damals anders beurteilt werden.

Im Juni oder Juli 1938 ungefähr wurde von Rudolf Schädler in Vaduz eine Versammlung einberufen zur Gründung einer neuen Pro-Deutschen Bewegung. Ich wurde dazu auch eingeladen, es kamen damals etwa 10-12 Mann zusammen. Es wurde die Volksdeutsche Bewegung damals gegründet. An jener Versammlung erklärte nun Rudolf Schädler, der Präsident der V.D.B.L. sei Dr. Otto Schädler, der allerdings in jener Versammlung nicht teilgenommen hat. Rudolf Schädler fügte auch hinzu, dass Dr. Otto Schädler aus bestimmten Gründen nicht hervortreten könne, ohne aber diese Gründe bekannt zu geben. Ca. 14 Tage später wurde von Rudolf Schädler wieder eine Versammlung ins rote Haus in Vaduz einberufen und damals wurde ich als Kreis- oder Bezirksleiter für das Unterland bestellt. Auch bei dieser Versammlung war Dr. Schädler wieder nicht dabei. Als dann eine 3. Versammlung im roten Hause stattgefunden hat und Dr. Schädler wieder nicht anwesend war, fragte ich den Rudolf Schädler, warum denn Dr. Schädler nicht komme? Dieser erwiderte mir wieder darauf, dass Dr. Schädler aus bestimmten Gründen nicht kommen könne; hierauf erklärte ich, ich möchte nun endlich diese Gründe kennen. Rudolf Schädler gab mir darauf zur Antwort, diese Gründe könne man mir nicht bekannt geben. Daraufhin habe ich die Versammlung vor ihrem eigentlichen Beginn verlassen und bin nach Hause gegangen. Von diesem Zeitpunkte ab bis zum Jahre 1940 hatte ich mit der V.D.B. nichts mehr zu tun. Ich weiss auch nicht, wann Ing. [Theodor] Schädler Landesleiter wurde. Ich habe mit diesem auch nie gesprochen, solange er in Liechtenstein war. Erst im Jahre 1940 kam Alois Wille in Vaduz und Hugo Meier in Mauren zu mir und fragten mich, ob ich nicht die Vertretung von Ing. Schädler als Landesleiter übernehme. Wille hat sich mir gegenüber als Stellvertreter des Landesleiters ausgegeben. Ich hatte den Eindruck, dass er sich der Sache nicht gewachsen fühle und deshalb die Stellvertretung abgeben wollte. Anfänglich war ich also lediglich Stellvertreter von Ing. Schädler. Ich sah dann jedoch bald ein, dass es mit Schädler nicht weitergehe, da er von Ravensburg aus die Situation in Liechtenstein nicht überblicken konnte und der nach wie vor restlos sich mit Anschlussgedanken abgegeben hat. Seine Methoden waren mir nicht sympathisch. Ausserdem war er durch den Putschversuch von 1939 schwer belastet und dadurch auch eine Belastung für die Bewegung. Schliesslich war es ja nicht gut möglich, dass sich der Landesleiter ständig im Auslande aufhielt. Ich habe dann den Ing. Schädler in Feldkirch getroffen und ihn vor die Alternative gestellt: entweder er oder ich. Daraufhin ist er dann von der Landesleitung zurückgetreten und ich habe die Leitung der V.D.B übernommen. Dies war im Jahre 1940 oder 1941.

Von der alten Bewegung ist nichts übernommen worden wie etwa z.B. Programm, Statuten oder so ähnliches. [3] Ich habe dann allerdings ein Programm, wenn man es so nennen will, aufgestellt, das aber lediglich 2-3 Punkte enthielt u. zwar: a) eine intensive Volkstumarbeit, b) eine Angleichung an die Gesetzgebung des Reiches in kultureller und sozialer Hinsicht.

Der Anschluss an das Reich war kein Programmpunkt, auch nicht der wirtschaftliche Anschluss. Vom Jahre 1941 an bestand die Haupttätigkeit der Bewegung in einer möglichst grossen Hilfe für die kämpfende Front. (Sammlungen u.s.w.)

Es war mir klar, das irgend ein Anschluss, auch nur in wirtschaftlicher Hinsicht, während des Krieges nicht in Frage kam und zwar für beide Seiten nicht. Einerseits wäre unser Volk nie bereit gewesen, die Opfer eines kriegführenden Staates mitzutragen, andererseits war für das Deutsche Reich Liechtenstein von keinerlei Bedeutung.

Dass Deutschland an offizieller Stelle von Liechtenstein nichts wissen wollte, zeigte bereits der Putsch vom Jahre 1939. Wenn das Deutsche Reich damals Liechtenstein hätte anschliessen wollen, hätte das wohl niemand verhindern können. Ausserdem hätte man so etwas schon aus propagandistischen Gründen nicht brauchen können. Von mir wurde nie darauf hingearbeitet einen Anschluss herbeizuführen. Es wäre dies auch wohl kaum möglich gewesen, nachdem die beiden damaligen Regierungsmitglieder Dr. [Josef] Hoop und Dr. [Alois] Vogt weitaus bessere Beziehungen zu massgebenden Stellen des Reiches unterhielten, während ich ausschliesslich mit dem V.D.A. [Volksbund für das Deutschtum im Ausland] Verbindungen hatte.

Seit dem Anschluss Österreich sprach man vom Grossdeutschen Reich. Seit ich die Leitung der V.D.B im Jahre 1940 übernommen habe (Besetzung Norwegens) wurde vom Grossgermanischen Staatenbund gesprochen. In diesen Staatenbund sollten alle Staaten germanischen Ursprungs vereinigt werden, wobei jedoch die einzelnen Staaten eine gewisse Selbständigkeit gehabt hätten. An diesen Staatenbund hätte nun selbstverständlich auch Liechtenstein angeschlossen werden sollen, diese Ansicht vertrat auch ich und diesem Sinne habe ich von einem Anschluss vielleicht auch gesprochen. Immerhin aber habe ich betont, dass auch dieser Anschluss auf gesetzmässigem Wege, also durch die verfassungsmässigen Instanzen, Volk und Fürst einerseits und das Staatsoberhaupt des Reiches andererseits durchgeführt werden müsse.

Von der fürstl. Regierung ist einmal eine Einladung an die Parteienvertreter zu einer Besprechung im Regierungsgebäude ergangen. An dieser Besprechung nahmen teil: die fürstl. Regierung, Landtagspräsident [Anton] Frommelt, Vertreter der Bürgerpartei, der Union und der V.D.B. Damals wurde an mich auch die Frage wegen des Anschlusses gestellt. Ich gab damals die Erklärung ab, dass ich für den Anschluss dann sei, wenn die Mehrheit des Volkes u. der Fürst einerseits und das Deutsche Staatsoberhaupt andererseits dafür seien. Über diese Erklärung dürfte jedenfalls auch ein Protokoll bei der fürstl. Regierung sein. [4] An dieser Erklärung habe ich immer festgehalten und bin restlos nach ihr vorgegangen.

Zusammenfassend möchte ich sagen, dass ich wohl für einen Anschluss an Deutschland war; nicht klar hingegen war mir in welcher Form, wann und wie dieser Anschluss herbeigeführt werden sollte. Klar war mir nur das Wer (den Anschluss herbeiführen sollte) nämlich Volk und Fürst und Deutsches-Reich. Ich habe auch nie versucht den Anschluss zu verwirklichen.

Die bei den Akten liegenden Briefe und Berichte bzw. deren Photokopien anerkenne ich als von mir geschrieben. Dies gilt insbesondere von:

a) "Liechtenstein, das letzte Reichsfürstentum"; v. 25.2.41. [5]

b) "Kurzer Bericht über die Tätigkeit der V.D.B."; v. 23.8.40 [6]

c) "Brief an Dr. [Hermann] Walser als Erwiderung seines Schreibens vom 6.4.1941". [7]

Ich kann mich wohl nicht mehr erinnern, dass ich die beiden Briefe an [Karl] Kriener vom 19. u. 27. Juli 1940 und denjenigen an Rudolf Schädler vom 7. März 1941 geschrieben habe. [8] Sie dürften jedoch von mir stammen, besonders, wenn sie in meiner Wohnung gefunden wurden. [9] Auch ist es mein Stil.

Die oben unter a) und b) angeführten Berichte gingen an Dr. Puls in Berlin, dem Leiter vom Schulreferat des V.D.A.

Der Beschuldigte ersucht sich noch schriftlich äussern zu können in dieser Sache. Dies wird ihm gestattet. [10]

Es wird dem Beschuldigten eröffnet, dass er auch nach seiner Vernehmung des Verbrechens des Hochverrats nach § 58 St.G. [Strafgesetz] [11] verdächtig erscheine, gegen ihn deswegen die Untersuchung eingeleitet und wegen Flucht- und Verabredungsgefahr nach §§ 121, 117 Zl. 2 und 3 St.P.O. [Strafprozessordnung] [12] die Untersuchungshaft verhängt werde.

Er nimmt dies vorläufig beschwerdelos zur Kenntnis.

Gefertigt:

 

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[1] LI LA J 007/S 078/358/008. Goop wurde in der Folge noch mehrmals vernommen, vgl. LI LA J 007/S 078/358/010, 015, 016, 022, 023.
[2] LI LA J 007/S 078/358/017.
[3] Zum Programm der VDBL in der ersten Phase ihres Bestehens vgl. LI LA J 007/S 072/064/Fasz. 1/I/002.
[4] LI LA J 007/S 078/358/044.
[5] LI LA J 007/S 078/358/001/D.
[6] LI LA J 007/S 078/358/001/G.
[7] LI LA J 007/S 078/358/001/F. Das Schreiben Walsers in LI LA J 007/S 078/358/001/E.
[8] LI LA J 007/S 078/358/1/A (Goop an Kriener, 19.7.1940), B (Goop an Kriener, 27.7.1940), C (Goop an Schädler, 7.3.1941).
[9] Goop versteckte die genannten Schriften in seiner Wohnung, wo sie, nachdem Goop sich zur Waffen-SS gemeldet hatte, im März 1943 vom Nachmieter entdeckt wurden. Dieser stellte die Dokumente den schweizerischen Behörden zur Verfügung, die Photokopien davon anfertigten. Im Oktober 1945 vernichtete er einige ihm unwichtige scheinende Dokumente, die übrigen übergab er im Dezember 1945 der liechtensteinischen Polizei (LI LA J 007/S 078/358/003).
[10] LI LA J 007/S 078/358/009.
[11] Österreichisches Strafgesetz vom 27.5.1852 über Verbrechen, Vergehen und Übertretungen, eingeführt im Fürstentum Liechtenstein mit Fürstlicher Verordnung vom 7.11.1859.
[12] Strafprozessordnung vom 31.12.1913 (LGBl. 1914 Nr. 3).