Das Liechtensteiner Volksblatt berichtet über den Empfang einer Delegation durch den Fürsten Johann II. anlässlich dessen 50. Regierungsjubiläums


Zeitungsbericht, nicht gez. [1]

13.11.1908 

Zum Fürstenjubiläum

Am 3. Nov. d. Js., vormittags 11 Uhr haben Seine Durchlaucht der regierende Fürst in Höchstdessen Majoratspalais in Wien (Bankgasse) die von dem fürstl. Kabinettsrate Karl v. In der Maur eingeführte Huldigungsdeputation aus Liechtenstein, welche erschienen war um anlässlich des 50jährigen Regierungsjubiläums Seiner Durchlaucht die Glückwünsche des Landes zum Ausdruck zu bringen und die bezüglichen Adressen zu überreichen, in feierlicher Audienz zu empfangen geruht.

Die Deputation bestand aus dem Landtagspräsidenten Dr. Albert Schädler und dem Vizepräsidenten des Landtages Postmeister Friedrich Walser als Vertreter des Landtages, dem Kanonikus und Landesvikar Johann Baptist Büchel als Vertreter der Geistlichkeit des Landes, dem fürstl. Kabinettsrate v. In der Maur als Vertreter der fürstlichen Beamten und Diener und dem Oberlehrer [Alfons] Feger als Vertreter der Lehrerschaft im Fürstentum; sie überbrachte die Adressen des Landtages, der Geistlichkeit, der Beamten und der Diener, der Lehrpersonen, der sämtlichen Gemeindevertretungen, des landwirtschaftlichen Vereines und des Mädcheninstitutes Gutenberg. Anschliessend an die Überreichung der kunstvoll ausgefertigten acht Adressen, welche Seine Durchlaucht wohlgefällig entgegen nahm, hielt Dr. A. Schädler eine kurze Ansprache an den Fürsten, dem er namens jener Korporationen, welche Adressen unterbreitet hatten, sowie namens des ganzen Landes die ehrerbietigsten Glückwünsche darbrachte, wobei er den Aufschwung des Landes in den verflossenen fünfzig Jahren schilderte und mit warmen Dankesworten auf die landesväterliche Fürsorge und die vielen hochherzigen Wohltätigkeitsakte des Fürsten hinwies. Seine Durchlaucht geruhten auf diese Dankesworte folgendes zu erwidern:

„Die Versicherungen loyaler und dankbarer Gesinnungen, denen Sie soeben Ausdruck verliehen, haben Meinem Herzen wohlgetan und mit Freuden nehme Ich die Glückwünsche entgegen, die Sie Mir gleichzeitig dargebracht haben.

Durch Gottes gnädige Fügung seit fünfzig Jahren an der Spitze Meines lieben Fürstentumes stehend, freue Ich Mich recht innig des von Ihnen soeben hervorgehobenen Ausschwunges, den das Land während Meiner Regierungszeit unter bereitwilliger Mitwirkung aller berufenen Organe bisher genommen hat. Gedeihen und Wohlfahrt des Landes und seiner treuen Bewohner wird auch in Einkunft, so lange es im Willen der Vorsehung liegt, den Gegenstand Meiner steten Fürsorge bilden, dessen dürfen Sie überzeugt sein."

Der Fürst zog hierauf jedes einzelne der Deputationsmitglieder ins Gespräch und empfing unmittelbar nach huldvoller Entlassung derselben eine aus den Spitzen der fürstl. Beamtenschaft bestehende Deputation, welche eine kostbare, von allen (etwa 700) fürstl. Beamten unterschriebene Adresse überbrachte. Dieser Deputation gehörten an: Hofrat Dr. [Hermann] v. Hampe, Kabinettsrat Karl v. In der Maur, Zentraldirektor Ferdinand Böhm v. Bawenberg, Oberstforstrat Julius Wiehl und Oberbuchhalter Wilhelm Sommer. Auf die kurze Ansprache des Hofrates v. Hampe, der der tiefsten Ergebenheit des Beamtenkörpers gegen den Fürsten Ausdruck gab und ihn um das fernere Wohlwollen bat, äusserte der Fürst zunächst seine Freude über das schöne Angebinde und versicherte schliesslich die ganze Beamtenschaft der ungeminderten Fortdauer seiner wohlwollenden Gesinnungen, wobei er betonte, dass er den Beamten für die kundgegebene Anhänglichkeit und Treue ganz besonders danke.

Die in Rede stehende Adresse wurde nach den Anregungen des fürstl. Architekten Carl Weinbrenner von dem an der Kunstakademie in Antwerpen wirkenden Professor Sturm entworfen; sie ruht in einer Kassette aus Mahagoniholz und hat als Fond eine in Silber getriebene mit Eichendekoration versehene Platte, in deren Mitte sich das Stammwappen des fürstlichen Hauses, umgeben von den übrigen Teilen des Wappens und von dem fürstl. Wahlspruche „Klar und fest" befindet.

Ein das Wirken des Fürsten symbolisierendes sehr stimmungsvolles Aquarell von Sturm eröffnet die Reihe der Blätter im Innern, auf denen die Unterschriften der Beamten, nach den einzelnen Verwaltungskörpern gegliedert, angebracht sind; der geschmackvolle Einband wurde von der Firma Papke in Wien hergestellt, welche auch die Seiner Durchlaucht vom Fürstentum Liechtenstein aus unterbreiteten Adressen geliefert hat.

Nachdem die Deputation von Seiner Durchlaucht gnädigst verabschiedet worden war, machte dieselbe dem durchlauchtigsten Prinzen Franz sen. die Aufwartung, der sie sehr freundlich empfing und ihr die Prunkgemächer des fürstl. Majoratspalais, das als der erste Barockbau Wiens gilt, persönlich zeigte. Nachmittags wurden die Deputationsmitglieder mittelst Automobils nach Mödling und in die Hinterbrühl geführt, um unter Leitung des Herrn Oberverwalters [Karl] v. Ruber das fürstl. Schloss, die neu restaurierte Stammburg Liechtenstein und anschliessend daran auch die vom fürstlichen Architekten Ritter [Gustv] v. Neumann entworfene sehr schöne neue Kirche in Giesshübel, sowie den mit zahlreichem Damwild besetzten grossartigen fürstl. Wildpark in Sparbach zu besichtigen. Für abends 6 Uhr war die Deputation zu einem Galadiner ins Palais Liechtenstein geladen, an welchem Diner auch die Chefs der Verwaltung des fürstl. Hauses und der fürstl. Güter und der fürstl. Kabinettssekretär [Hans] Neugebauer teilnahmen. Ein hiebei von Hofrat Dr. v. Hampe ausgebrachter Trinkspruch auf den hohen Jubilar klang in ein begeistertes Hoch aus. Nach beendigter Tafel begab sich die Abordnung in die Volksoper, wo zwei Logen für sie reserviert waren; es wurde die bekannte schöne Oper „Wilhelm Tell" von Rossini gegeben.

Am 4. d. Mts. besichtigte die Deputation die herrliche fürstl. Liechtenstein'sche Gemäldegalerie in Wien unter Führung des dort seit 40 Jahren angestellten, sehr versierten fürstl. Galerieaufsehers [Johann] Bernhauer und fand Gelegenheit, das von Seiner Durchlaucht dem Landesfürsten bis in die Einzelheiten persönlich getroffene Arrangement dieser grossartigen Sammlung zu bewundern.

Donnerstag den 5. November besuchte die Abordnung, einer liebenswürdigen Einladung Seiner Excellenz des Grafen Hans Wilczek Folge leistend, im Vereine mit mehreren Herrschaften die von Seiner Exzellenz restaurierte Burg Kreuzenstein bei Korneuburg, welche in ihrer baulichen Anlage und durch die darin befindlichen kostbaren Altertümer, wohl das Vollendetste ist, was gegenwärtig in der ganzen Welt auf diesem Gebiete besteht. Se. Excellenz hatte die Güte, die Führung persönlich zu übernehmen und versetzte alle Teilnehmer an dem Ausfluge durch die Gediegenheit und den weiten Umfang seiner archäologischen Kenntnisse in wahres Staunen.

Er gilt bekanntlich als einer der ersten Kenner des Burgenbaues und es muss daher speziell uns Liechtensteinern zur grössten Beruhigung dienen, dass er dem Wunsche unseres Fürsten gemäss, sich persönlich um die stilvolle Restaurierung der Burg Vaduz bemüht.

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[1] L.Vo. 13.11.1908, S. 2.