Die Verfassungskommission empfiehlt dem Landtag die Annahme der von Regierungschef Josef Peer ausgearbeiteten Verfassungsvorlage mit einigen Abänderungsvorschlägen


Gedruckter Bericht, Berichterstatter Eugen Nipp [1]

Nach dem 18.3.1921

Bericht über die Beschlüsse der Verfassungskommission 
gefasst in den Sitzungen vom 15. und 18. März 1921

(Berichterstatter Dr. Eugen Nipp) [2]

Vor Beginn der Beratungen gab der Verfasser der Vorlage, [3] Hofrat Dr. Josef Peer, eine prinzipielle Erklärung ab, dahin lautend, dass vorliegender Entwurf auf Vereinbarungen [4] beruhe und dass seine, als des Verfassers, Stellungnahme zu den Beratungen zum vorhinein gegeben sei: er werde lediglich Auskunft geben auf Fragen, die ihm möglicherweise gestellt werden, und sich lediglich zwecks Formulierungen etwaiger Änderungen, die die Kommission beschliessen würde, zur Verfügung stellen.

Aus dem Verlaufe der Beratungen ergab sich, dass die Kommission sich grundsätzlich auf den Standpunkt der Vorlage stellte. Aufgrund unserer besonderen Landesverhältnisse aber wären nach Ansicht der Kommission folgende Abänderungen bezw. Erweiterungen und neue Formulierungen erforderlich, die die Kommission zu beantragen beschloss:

In § 2 ist nach den Worten "parlamentarischer Grundlage" in Klammer beizufügen: §§ 79 und 80.

In § 3 ist das Wort "Fürstentume" in "Fürstenhause" richtigzustellen.

Der erste Satz des § 8 hat zu lauten: Der Landesfürst vertritt unbeschadet der erforderlichen Mitwirkung der verantwortlichen Regierung den Staat in allen seinen Verhältnissen gegen auswärtige Staaten.

§ 11 hat zu lauten: Der Landesfürst ernennt unter Beobachtung der Bestimmungen dieser Verfassung die Staatsangestellten. Neue ständige Beamtenstellen dürfen nur mit Zustimmung des Landtages geschaffen werden.

In § 12 wird das Wort "Minderung" durch "Umwandlung" ersetzt.

Im zweitletzten Absatz des § 16 wird für das Wort "Organisation" das Wort "Einrichtung" eingestellt.

Der zweite Absatz des § 19 hat zu lauten: "Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage sind unbeschadet gesetzlicher Regelung der Sonn- und Feiertagsruhe öffentliche Ruhetage."

Der zweite Absatz des § 20 hat zu lauten: "Er wendet seine besondere Sorgfalt einer den modernen Bedürfnissen entsprechenden Ausgestaltung des Verkehrswesens zu".

In § 22 wird nach dem Worte "Fischerei" eingesetzt "und Bergwesen."

§ 23 hat zu lauten: Die Regelung des Münz- und öffentlichen Kreditwesens ist Sache des Staates.

In § 24 wird nach den ersten drei Worten "Der Staat sorgt" eingesetzt "im Wege zu erlassender Gesetze".

§ 27 hat zu lauten: Der Staat sorgt für ein rasches, das materielle Recht schützendes Prozess- und Vollstreckungsverfahren, ebenso für eine den gleichen Grundsätzen angepasste Verwaltungsrechtspflege.

Die berufsmässige Ausübung der Parteienvertretung ist gesetzlich zu regeln.

Zu § 34 wird als neuer Absatz beigefügt: Das Urheberrecht ist gesetzlich zu regeln.

Im zweiten Absatz des § 37 sind die Worte "allen" und "gesetzlich anerkannten" zu streichen.

Der Schlusssatz des § 40 hat zu lauten: "eine Zensur findet nur öffentlichen Aufführungen und Schaustellungen gegenüber statt."

In § 42 wird nach dem Worte Landtag eingesetzt "und den Landesausschuss."

§ 46 wird in der jetzigen Fassung abgelehnt und folgender Beschluss gefasst:

Die Kommission beantragt, der Landtag wolle die Einholung der Meinung der wahlfähigen Bevölkerung über die Regelung der Landtagswahl in der Weise beschliessen, dass den Stimmberechtigten folgende Fragen zur alternativen Beantwortung vorgelegt werden:

Sollen die Landtagsabgeordneten aus der wahlfähigen Bevölkerung des Fürstentums

I. nach den bisherigen Grundsätzen unter Verteilung der zur wählenden 15 Abgeordneten auf das Ober- und Unterland, oder

II. bei gleicher Anzahl der Abgeordneten nach den Grundsätzen des Proporzionalwahlrechtes mit den Wahlbezirken Ober- und Unterland, oder

III. gemeindeweise derart gewählt werden, dass Gemeinden mit weniger als 150 Wahlberechtigten je einen Abgeordneten, Gemeinden mit 150-349 Wahlberechtigten je zwei und Gemeinden mit wenigstens 350 Wahlberechtigten je drei Abgeordnete wählen?

In § 48 wird nach dem ersten Absatz eingeschaltet: "Eine Vertagung, Schliessung oder Auflösung kann nur vor dem versammelten Landtage ausgesprochen werden". Im zweiten Absatz wird die Zahl 300 auf 500 abgeändert. 

In § 50 werden die Worte "drei Monaten" in "sechs Wochen" und die Worte "einem Monate" in "vierzehn Tage" abgeändert. 

§ 51 hat zu lauten: Im Falle eines Thronwechsels ist der Landtag innerhalb dreissig Tagen zu einer ausserordentlichen Sitzung zwecks Entgegennahme der im § 13 vorgesehenen Erklärung des Regierungsnachfolgers und Leistung der Erbhuldigung einzuberufen.

Ist eine Auflösung vorhergegangen, so sind die Neuwahlen so zu beschleunigen, dass die Einberufung spätestens auf den 30. Tag nach eingetretener Regierungsveränderung erfolgen kann.

In § 52 wird der Schlusssatz des ersten Absatzes "Diese Wahlen bedürfen der landesherrlichen Bestätigung" gestrichen und der zweite Absatz neu formuliert:

"Die Sitzungsprotokolle werden über Beschluss des Landtages entweder durch zwei aus seiner Mitte gewählte Schriftführer oder durch einen Regierungsbeamten geführt."

Der dritte Absatz entfällt.

Der zweite Satz des § 53 hat zu lauten: "Ist ein Abgeordneter am Erscheinen verhindert, so hat er unter Angabe des Hinderungsgrundes rechtzeitig die Anzeige bei der ersten Einberufung an die Regierung und hernach an den Präsidenten zu erstatten."

Der letzte Satz des § 53 bleibt bis zur Entscheidung bezüglich § 46 in suspenso.

In § 56 wird das Wort "Sitzung" in "Sitzungsperiode" abgeändert. Im zweiten Absatz wird das Wort "Aufrechterhaltung" richtiggestellt in "Aufrechthaltung".

Zu § 57 wird beigefügt: "Die Regelung der Disziplinargewalt des Landtages bleibt der zu erlassenden Geschäftsordnung vorbehalten."

In § 58 wird an Stelle des letzten Absatzes zum ersten Absatz beigefügt: "jedoch entscheidet hier bei Stimmengleichheit nach dreimaliger Abstimmung der Vorsitzende".

Zu § 60 wird beigesetzt: "Dieselbe unterliegt der landesherrlichen Genehmigung."

§ 62, lit. b soll lauten: die Mitwirkung bei Abschliessung von Staatsverträgen (§ 8);

Der zweite Satz in § 63 wird abgeändert in "er kann dieses Recht auch durch eine von ihm zu wählende Geschäftsprüfungskommission ausüben."

§ 64 hat zu lauten: Das Recht der Initiative in der Gesetzgebung, d. h. zur Einbringung von Gesetzesvorschlägen steht zu

a) dem Landesfürsten in der Form von Regierungsvorlagen;

b) dem Landtage selbst;

c) den wahlberechtigten Landesbürgern nach Massgabe folgender Bestimmungen:

Wenn wenigstens 500 wahlberechtigte Landesbürger, deren Unterschrift und Stimmberechtigung von der Gemeindevorstehung ihres Wohnsitzes beglaubigt ist, schriftlich oder wenigstens drei Gemeinden in Form übereinstimmende[r] Gemeindeversammlungsbeschlüsse das Begehren um Erlassung, Abänderung oder Aufhebung eines Gesetzes stellen, so ist dieses Begehren in der darauffolgenden Sitzung des Landtages in Verhandlung zu ziehen.

Ist das Begehren auf Erlassung eines Gesetzes gerichtet, aus dessen Durchführung dem Lande entweder eine einmalige im Finanzgesetz nicht schon vorgesehene oder eine länger andauernde Belastung erwächst, so ist das Begehren nur dann vom Landtage in Verhandlung zu ziehen, wenn es zugleich auch mit einem Bedeckungsvorschlage versehen ist.

Ein die Verfassung betreffendes Initiativbegehren kann nur von wenigstens 700 wahlberechtigten Landesbürgern oder wenigstens vier Gemeinden gestellt werden.

Die näheren Bestimmungen über diese Volksinitiative werden durch ein Gesetz getroffen.

In § 65 wird der letzte Satz des ersten Absatzes abgeändert: "die Gegenzeichnung des verantwortlichen Regierungschefs oder seines Stellvertreters und die Kundmachung im Landesgesetzblatte erforderlich."

Zweiter Absatz hat zu lauten: Überdies findet nach Massgabe der Anordnungen des folgenden Paragraphen eine Volksabstimmung (Referendum) statt.

In § 66 wird die Anzahl der Wahlberechtigten von 300 auf 500 und von 500 auf 700 abgeändert.

Im zweitletzten Absatz des § 66 wird nach dem Wort "zugegangenen" eingesetzt: "ausgearbeiteten und erforderlichen Falles mit einem Bedeckungsvorschlag versehenen."

In § 69 ersten Absatz wird das Wort „Bestimmung" korrigiert in „Beistimmung".

VI. Hauptstück

Vom Landesausschusse

§ 72

Für die Zeit zwischen einer Vertagung, Schliessung oder Auflösung des Landtages und seinem Wiederzusammentreten besteht, unbeschadet der Bestimmungen der §§ 48-51 über die Fristen zur Wiedereinberufung beziehungsweise Neuwahl, an Stelle des Landtages zur Besorgung der seiner Mitwirkung oder jener seiner Kommissionen bedürftigen Geschäfte der Landesausschuss.

Dieser besteht aus dem bisherigen Landtagspräsidenten, der im Verhinderungsfalle durch seinen Stellvertreter ersetzt wird, und aus zwei vom Landtage aus seiner Mitte unter gleichmässiger Berücksichtigung des Ober- und des Unterlandes zu wählenden weiteren Mitgliedern und ebensovielen Stellvertretern für den Verhinderungsfall.

Zu dieser Wahl ist dem Landtage noch in jener Sitzung, in der seine Vertagung, Schliessung oder Auflösung ausgesprochen wird, unter allen Umständen Gelegenheit zu geben.

§ 73

Die Mandatsdauer des Landesausschusses erlischt mit dem Wiederzusammentritte des Landtages.

§ 74

Der Landesausschuss ist insbesondere berechtigt und verpflichtet

a) darauf zu achten, dass die Verfassung aufrecht erhalten, die Vollziehung der Landtagserledigungen besorgt und der Landtag bei vorausgegangener Auflösung oder Vertagung rechtzeitig wieder einberufen wird;

b) die Landeskassenrechnung zu prüfen und dieselbe mit seinem Bericht und seinen Anträgen an den Landtag zu leiten;

c) die auf die Landeskassa unter Bezug auf einen vorausgegangenen Landtagsbeschluss auszustellenden Schuld- und Pfandverschreibungen mit zu unterzeichnen;

d) die vom Landtag erhaltenen besonderen Aufträge zur Vorbereitung künftiger Landtagsverhandlungen zu erfüllen;

e) in dringenden Fällen Anzeige an den Landesfürsten zu erstatten und bei Bedrohung oder Verletzung verfassungsmässiger Rechte Vorstellungen, Verwahrungen und Beschwerden zu erheben;

f) nach Erfordernis der Umstände die Einberufung eines ausserordentlichen Landtages zu beantragen, die bei nachgewiesener Dringlichkeit nicht verweigert werden wird.

§ 75

Der Landesausschuss kann keine bleibende Verbindlichkeit für das Land eingehen und ist dem Landtage für seine Geschäftsführung verantwortlich.

§ 76

Die Sitzungen des Landesausschusses finden nach Bedarf über Einberufung durch den Präsidenten am Sitze der Regierung statt. Zur Giltigkeit ist Vollzähligkeit erforderlich.

§ 77

Die Mitglieder des Landesausschusses beziehen während ihrer Sitzungen die nämlichen Taggelder und Reisevergütungen, wie die Abgeordneten.

In § 78 werden an Stelle der Worte "von der" die Worte "durch die" und an Stelle des Wortes "ausgeübt" das Wort "besorgt" gesetzt.

§ 79 wird in der bisherigen Fassung abgelehnt und folgende neue Formulierung beschlossen:

Die Regierung besteht aus dem Regierungschef, dessen Stellvertreter und zwei Regierungsräten mit ebensovielen Stellvertretern für den Verhinderungsfall.

Der Regierungschef und sein Stellvertreter werden vom Landesfürsten im Einvernehmen mit dem Landtage ernannt.

Für die Stelle des Regierungschefs hat bei ihrer Neubesetzung in erster Linie ein gebürtiger Liechtensteiner in Betracht zu kommen, der die Fähigkeiten für dieses Amt besitzt und das Vertrauen des Volkes (§ 45) geniesst.

Die beiden Regierungsräte und ihre Stellvertreter werden vom Landtage unter gleichmässiger Berücksichtigung beider Landschaften aus der wahlfähigen Bevölkerung gewählt, der auch der Stellvertreter des Regierungschefs zu entnehmen ist.

Der Landtag hat in seiner ersten Sitzung die Wahl der Regierungsräte und ihrer Stellvertreter vorzunehmen; sie unterliegt der Bestätigung durch den Landesfürsten.

Die Amtsdauer des Regierungschefs-Stellvertreters, der Regierungsräte und ihrer Stellvertreter fällt mit jener des Landtages zusammen; bis zur Neubestellung haben sie ihr Amt verantwortlich weiterzuführen.

Der erste Satz des § 81 wird abgeändert, wie folgt: Mit Ausnahme des Regierungschefs gebühren den Mitgliedern der Regierung keine festen Bezüge.

Zu § 82 wird als zweiter Absatz beigefügt: Ein Staatsangestellter, der das Amt eines Regierungsrates oder Stellvertreters eines solchen annimmt, ist für die Dauer dieses Amtes unter Einstellung seiner Bezüge zu beurlauben.

§ 83 hat zu lauten: Der Regierung werden zur Besorgung ihrer Geschäfte der Regierungssekretär, der Kassenverwalter und der Landestechniker sowie die erforderlichen Kanzleifunktionäre als besoldete Berufsbeamte beigegeben und unterstellt.

Zur Versehung des Sanitäts-, Veterinär- und Forstdienstes sowie anderer Geschäfte, deren Besorgung eine besondere fachliche Eignung erheischt, werden von der Regierung im Einvernehmen mit dem Landtage (Finanzkommission desselben) Fachleute gegen zu vereinbarende Entlohnung bestellt.

In § 84 werden die Worte "entweder" und "oder" in "teils" abgeändert und am Schlusse in Klammer beigesetzt: § 94.

In allen folgenden Paragraphen wird das Wort "Landammann" durch "Regierungschef" und das Wort "Landschreiber" durch "Regierungssekretär" ersetzt.

Der erste Satz des § 85 hat zu lauten: Der Regierungschef ist auch Chef des Landesschulrates.

In § 87 wird das Wort "anderen" gestrichen und das Wort "Staatsdiener" durch "Staatsangestellten" ersetzt.

In § 88 werden die Worte "Landammann-Stellvertreter" abgeändert auf "sein Stellvertreter" und das drittletzte Wort "ein" auf "sein".

In § 90 werden die Worte "deren Gremium, das" durch die Worte "ihrer Versammlung, die" und das Wort "Votanten" durch "Mit-Stimmführer" ersetzt.

Als Nachsatz wird diesem Paragraphen beigefügt: Der Regierungschef hat die gefassten Beschlüsse in Vollzug zu setzen. Nur in dem Falle, als er vermeint, dass ein gefasster Beschluss gegen bestehende Gesetze oder Verordnungen verstosse, kann er mit der Vollziehung desselben innehalten, jedoch hat er hievon ohne jeden Verzug die Anzeige an die Beschwerdeinstanz zu erstatten, welche unbeschadet des Beschwerderechtes einer Partei, über den Vollzug entscheidet.

In § 91 werden die Worte "bleibend angestellten" gestrichen und das Wort "Fachbeamten" in "Fachleute" abgeändert.

§ 94 wird neu formuliert wie folgt: Damit der Gang der Geschäfte nicht nachteilig verzögert werde, sollen die laufenden Angelegenheiten nicht bis zum Sitzungstage aufgeschoben, sondern auf Grund eines von der Regierung zu Beginn eines jeden Jahres kollegial aufzustellenden Geschäftsverteilungsplanes vom Regierungschef, beziehungsweise den Regierungsräten bis zur endgiltigen, der kollegialen Behandlung vorbehaltenen Entscheidung (§ 90) einzeln ressortmässig behandelt werden.

Unter laufenden Angelegenheiten sind alle Gegenstände, welche an sich minderwichtig sind oder blosse vorbereitende Verfügungen betreffen, wodurch noch Berichte abverlangt, Beweise gefordert, kommissionelle Erhebungen gepflogen oder Bestimmungen getroffen werden, die vorbehaltlich der Enderledigung nur den Zustand festsetzen, in welchem die Sache bis zur erfolgenden endgiltigen Entscheidung verbleiben soll.

Der zweite Absatz des § 97 wird abgeändert wie folgt: Dieselbe besteht aus einem vom Landesfürsten im Einvernehmen mit dem Landtage ernannten rechtskundigen Vorsitzenden und zwei weiteren vom Landtage gewählten Rekursrichtern, von denen der eine rechtskundig, der andere der wahlfähigen Bevölkerung des Landes entnommen sein muss.

Die gleichen Grundsätze gelten für die Stellvertreter des Vorsitzenden und der Rekursrichter.

Die Amtsdauer der Mitglieder der Beschwerdeinstanz fällt mit jener des Landtages zusammen. Ihre Entscheidungen sind entgiltig.

In § 98 wird das Wort "Beschwerdesenat" abgeändert in "Beschwerdeinstanz".

In § 102 soll im zweiten Absatz der zweite Satz "das Berufungsgericht" u.s.f. als neuer Absatz erscheinen. Der letzte Satz dieses Paragraphen hat zu lauten: Die Gerichtsbarkeit in Strafsachen wird in erster Instanz beim Landgerichte von diesem, vom Schöffengerichte und vom Kriminalgerichte ausgeübt.

Für § 105 wird folgende neue Fassung bestimmt: Der Staatsgerichtshof besteht aus einem Präsidenten, vier weiteren Stimmführern und zwei Ersatzmännern. Seine Mitglieder werden vom Landtage gewählt. Die Wahl des Präsidenten unterliegt der landesherrlichen Bestätigung.

Der Präsident, zwei Stimmführer und ein Ersatzmann müssen rechtskundig, zwei Stimmführer und ein Ersatzmann gebürtige Liechtensteiner sein.

In § 108 werden im letzten Satze die Worte "mindestens mehrheitlich" ersetzt durch "nach Tunlichkeit".

Der erste Satz des § 109 hat zu lauten: Die Mitglieder der Regierung, die Staatsangestellten, sowie alle Ortsvorstände, deren Stellvertreter und die Gemeindekassiere haben beim Dienstantritt folgenden Eid abzulegen:

Im zweiten Absatz des § 111 werden die zwei ersten Worte "Anträge auf" gestrichen und das Wort "gestellt" durch "beantragt" ersetzt.

Das dritte Wort "und" in § 113 wird gestrichen und neu eingesetzt nach dem Worte "Verordnungen" die Worte "und statutarischen Bestimmungen" und nach dem Worte "aufgehoben" die Worte "beziehungsweise unwirksam".

Sämtliche Abänderungsbeschlüsse und neuen Formulierungen sind mit Ausnahme der Fassung des § 79 einhellig gefasst worden. Die neue Fassung des § 79 wurde mit 5 Stimmen gegen diejenige des Abgeordneten [Josef] Gassner beschlossen.

Das letztgenannte Kommissionsmitglied ist dagegen, dass der Regierungschef ohne zeitliche Begrenzung der Amtsdauer ernannt werden soll; im übrigen Teil ist auch Gassner mit der Fassung dieses Paragraphen einverstanden.

Zur Klarstellung einzelner wesentlichen Änderungen bezw. Erweiterungen der Vorlage mögen folgende kurze Bemerkungen dienen; stilistische oder aus dem Zusammenhang leicht verständliche oder weniger tief greifende Abänderungen sollen dabei nicht gestreift werden:

In § 8: Der Zwischensatz "unbeschadet der erforderlichen Mitwirkung der verantwortlichen Regierung" wurde eingeschoben aus der Erwägung heraus, dass z. B. der Regierungschef auch Ministerpräsident und Aussenminister in einer Person ist. Wenn also die Gesamtregierung die Trägerin der Verantwortlichkeit ist, so können z. B. die Gesandtschaften bezw. Aussenvertretungen nur in deren Einverständnis handeln.

Zu § 40: Der Schlusssatz wurde abgeändert aus Gründen der öffentlichen Sittlichkeit und Ordnung.

Zu § 46: Da die Auffassung über die Art der Landtagswahlen sowohl in der Kommission als auch unter der Bevölkerung ziemlich geteilt sind, und um dem Landtage seine Stellungnahme in dieser Frage wesentlich zu erleichtern, wurde vorliegender Beschluss gefasst. Auf Grund des Wahlergebnisses wäre dann der § 46 entsprechend zu formulieren.

Zu § 48: Die Zahl wurde auf 500 erhöht, um oberflächlichen Treibereien, woher sie auch kommen mögen, eine Schranke zu setzen.

Zu § 52: Der Schlusssatz des ersten Absatzes wurde gestrichen aus demokratischen Gründen; so war z. B. auch in den letzen Jahren der österr.-ungar. Monarchie die kaiserliche Bestätigung für das Abgeordnetenhaus nicht mehr erforderlich.

In § 57: Dieser Immunitätsparagraph gewinnt durch den Zusatz dadurch mehr an Klarheit, als aus letzterem mehr ersichtlich ist, dass die Ehre eines zu Unrecht Beleidigten durch das Eingreifen des Landtages geschützt ist.

In § 64: Die Erhöhung der Zahl auf 500, bezw. 700 geschah aus oben (§ 48) erwähntem Grunde. Auch in der Schweiz ist zur Giltigkeit eines Initiativbegehrens eine grosse Zahl (50'000) von Unterschriften erforderlich. Aus dem gleichen Grunde wie in § 48 und um schädlicher Popularitätshascherei entgegenzuwirken, wurde auch die Bestimmung des Bedeckungsvorschlages aufgenommen.

Zum VI. Hauptstück: Die vorliegende Neuformulierung des VI. Hauptstückes in dem von der Kommission beschlossenen Sinne nahm über Ansuchen der Kommission Hofrat Dr. Peer vor.

Zu § 79: Die Neufassung des § 79 entspricht in den wesentlichsten Punkten der Vorlage. Die Abänderungen geschahen auf Grund eingehendster Debatte.

Der Name Landammann entspricht weder der Stellung des Regierungschefs noch auch der Landesgeschichte, da die Funktionen der alten Landammänner mehr richterlicher Natur waren.

"Für die Stelle des Regierungschefs hat bei ihrer Neubesetzung in erster Linie ein gebürtiger Liechtensteiner in Betracht zu kommen." Ein Ausländer ist also nicht unter allen Umständen ausgeschlossen. Auch grosse Städte schauen bei Besetzung des Bürgermeisterpostens nicht immer nur auf die Eigenschaft als Bürger, sondern auf die Tüchtigkeit und das Volksvertrauen.

Die Regierungsräte müssen nicht Abgeordnete sein, sie können es aber sein. Die Kommission hielt es bei unseren kleinen Verhältnissen für untunlich, die Gleichzeitigkeit der Funktion als Regierungsrat und als Abgeordneter zu verunmöglichen, wie dies z. B. in der Schweiz der Fall ist.

Mit dem letzten Absatze des neuformulierten § 79 glaubt die Kommission, mit Ausnahme eines Mitgliedes, dem parlamentarischen Prinzipe Genüge geleistet zu haben.

Die Kommission findet es für unsere Verhältnisse nicht tunlich, alle 4 Jahre mit dem Wechsel des Regierungschefs und mit den unruhigen Begleiterscheinungen dieses Wechsels rechnen zu müssen. Es würde unserem Lande nicht zum Vorteile gereichen, den starren Parlamentarismus der grossen Staaten mit allen seinen Begleiterscheinungen nachzuahmen. Auch die Schweiz mit ihrer freien Verfassung tat das nicht.

Ganz besonders massgebend für den Standpunkt der Kommission war die finanzielle Seite dieser Frage. Bei der Fassung dieser Vorlage würden nämlich dem Lande grössere finanzielle Opfer aufgebürdet.

Um grössere und andauernde Übergriffe von Seiten des Regierungschefs zu verhindern, erachtet die Kommission den § 80 als vollauf genügend.

Zu § 83: Diese Neufassung geschah aus Sparsamkeitsrücksichten.

Zu § 90: Dieser Nachsatz ergab sich aus Erwägungen fussend auf § 96 der Gemeindeordnung. [5]

Zu § 94: Diese Formulierung erfolgte aus Gründen der Einheitlichkeit der Regierung und aus finanziellen Rücksichten. Sie fusst auf dem Schlussparagraph der Amtsinstruktion. [6]

Zu den §§ 97, 105 und 108: Die Neuformulierungen erfolgen wegen der Kleinheit unseres Landes und aus der Notwendigkeit der Tatsache, dass es zur Hauptsache Aufgabe von Juristen sein muss, über die Recht- und Gesetzmässigkeit von Verfügungen usw. zu urteilen. Doch soll das Laienelement dabei nicht ausgeschlossen sein. So ist die Kommission mit der Vorlage einerseits dem Begehren entgegengekommen, möglichst alle Behörden ins Land zu verlegen, anderseits hat das Land die Gewähr, dass in diesen Körperschaften in hohem Grade fachkundige Urteile gefällt werden.

Die Kommission empfiehlt dem Landtage die Annahme der Verfassungsvorlage mit den von ihr vorgeschlagenen Abänderungen, bezw. Erweiterungen und Neuformulierungen. [7]

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[1] LI LA LTA 1921/L03, o.D. Weitere Exemplare des Kommissionsberichtes in LI LA RE 1921/0963 und in LI LA PA 013/013/004 (Nachlass Josef Ospelt). Unter letzterer Signatur findet sich auch ein unvollständiger Entwurf zu den Beschlüssen der Verfassungskommission. In die Verfassungskommission waren in der öffentlichen Landtagssitzung vom 8.3.1921 folgende Abgeordneten gewählt worden: Friedrich Walser, Josef Gassner, Franz Josef Marxer, Albert Wolfinger, Peter Büchel, Emil Risch, Eugen Nipp. Wolfinger nahm jedoch krankheitsbedingt nicht an den Kommissionssitzungen teil. Diese Verfassungskommission ersetzte die im Dezember 1918 gewählte Verfassungskommission, der auch Wilhelm Beck angehört hatte.
[2] Im Bericht heisst es irrtümlich "Nigg" statt "Nipp".
[3] Vgl. die gedruckte Regierungsvorlage in LI LA LTA 1921/L03, o.D., welche in der genannten Landtagssitzung behandelt wurde, sowie eine davon leicht abweichende, von Fürst Johann II. am 12.1.1921 "vorsanktionierte" Fassung in LI LA RE 1921/0963.
[4] Vgl. die sogenannten "Schlossabmachungen" zwischen Fürst Johann II. und der Volkspartei vom September 1920, insbesondere die fürstlichen Entschliessungen vom 11. und 13.9.1920 (LI PA VU, Schlossabmachungen, Nr. 7 und Nr. 8).
[5] § 96 Abs.1 des Gemeindegesetzes vom 24.5.1864, LGBl. 1864 Nr. 4, sah vor, dass der Ortsvorsteher die gefassten Gemeinderatsbeschlüsse in Vollzug zu setzen hatte. Bei vermeintlichen Verstössen des Beschlusses gegen die bestehenden Gesetze und Verordnungen konnte er jedoch mit dem Vollzug innehalten und der Regierung die Anzeige zu erstatten.
[6] Vgl. § 16 der Amtsinstruktion für die Landesbehörden des Fürstentums Liechtenstein (Beilage zur Fürstlichen Verordnung vom 30. Mai 1871 über die Trennung der Justizpflege von der Administration, LGBl. 1871 Nr. 1). Vgl. auch § 89 der Amts-Instruktion für die Staatsbehörden des souveränen Fürstenthums Liechtenstein vom 26.9.1862.
[7] In den Landtagssitzungen im Mai und Juli 1921 war die Verfassungsrevision nicht traktandiert, erst am 24.8.1921 befasste sich der Landtag in einer eigenen Sitzung mit der von der Verfassungskommission bearbeiteten Verfassungsvorlage (LI LA LTA 1921/S04/002).