Prinz Franz berichtet über die Konferenz mit dem Churer Bischof Georg Schmid von Grüneck sowie über die Besprechung mit Landtagsabgeordneten in der Verfassungsfrage


Maschinenschriftliche Abschrift des Berichtes von Prinz Franz an die fürstliche Kabinettskanzlei [1]

2.8.1921, Vaduz

Gestern um 11 Uhr 15 Minuten in Chur eingetroffen, wurde ich von Herrn Landesverweser [Josef] Ospelt, von Herrn Landesvikar [Johann Baptist] Büchel und Kanonikus Dr. [Johannes] Ruoss als Vertreter des Bischofs [Georg Schmid von Grüneck] empfangen.

Bei der gleich nach der Ankunft im bischöflichen Palais stattgefundenen Konferenz mit dem hochwürdigsten Herrn Bischof glaubte ich den Standpunkt Seiner Durchlaucht des regierenden Herrn entsprechend den in den Beilagen enthaltenen Ausführungen dahin präzisieren zu sollen, dass nach gegebener Vorsanktion des Verfassungsentwurfes [2] Seine Durchlaucht der Landesfürst die weitere Arbeit bis zum Momente der endgültigen Sanktion der Verfassungskommission des Landtages bezw. dem letzteren selbst und der fürstl. Regierung anvertrauen muss und dass auch bei dem bekannten Misstrauen der hiesigen Bevölkerung gegen alles, was von Wien kommt, vorsichtig sein müssen. Dadurch glaube ich, die Diskussion zwischen Bischof und Fürst auf das Geleise der Diskussion zwischen Bischof und Landtag verschoben zu haben. Ich fügte noch hinzu, dass ja der hochwürdigste Herr Bischof durch seine Einflussnahme auf den Klerus für sein Intensionen wirken könne. In der einerseits vom Bischof mit einer gewissen Heftigkeit, andernseits vom Herrn Landesverweser Ospelt mit Takt und Ruhe geführten Diskussion schien es schliesslich dahin zu kommen, dass der Herr Bischof sich befriedigt erklären würde, wenn man hinsichtlich der Verwaltung des Kirchengutes [3] einen Teil der Bestimmungen der §§ 91 und 97 der Verfassung des Kantons Schwyz [4] aufnähme.

Nachdem wir drei Gäste des Hochwürdigsten Herrn Bischofs bei letzterem das Mittagsmahl und später den Nachmittagskaffee eingenommen, dann dessen Galerie, den Dom und den Domschatz besichtigt hatten, verliessen wir nach ½ 5 Uhr Chur.

Wie ich dem hochwürdigsten Herrn Bischof wiederholt sagte, war der Besuch des fürstl. Rates Ospelt der Ausdruck des Dankes des Landes und der meinige jener des Dankes des Fürsten für seine Besuche in Vaduz bezw. in Wien. [5]

In Vaduz ¼ 7 Uhr eingetroffen empfing ich sogleich im Regierungsgebäude die Herren Landtagspräsident [Friedrich] Walser und Vizepräsident Dr. Wilhelm Beck. Teilte Ihnen die Höchste Entschliessung vom 8. Juli [6] mit und bat sie, auf möglichst rasche Annahme des Verfassungsentwurfes, Durchführung der Sanierung der Landesfinanzen und Diskussion bezw. Annahme des Zollvertrages mit der Schweiz hinzuarbeiten. Beide Herren erklärten, Herrn fürstl. Rat Ospelt als ihren Kandidaten für die Landesverweserstelle anzunehmen.

Heute Vormittag um 11 Uhr versammelten sich von den 15 Landtagsabgeordneten 12 (Präsident Walser, Vizepräsident Dr. Beck, Dr. [Eugen] Nipp, [Johann] Wohlwend, [Karl] Kaiser, [Gustav] Schädler, Peter Büchel, [(Franz) Josef] Marxer, [Josef]] Sprenger, [Johann] Hasler, [Emil] Risch) im Arbeitszimmer des Landesverwesers und trug ich ihnen zunächst die oben erwähnte Höchste Entschliessung vor. Als ich dieselbe Bitte, wie an beiden Präsidenten gestern, heute an die 12 Abgeordneten richtete, glaubte ich weitergehen und zur endlichen Beschlussnahme über die Qualifizierung des Landesverwesers drängen zu sollen. Sie gelang auch nach längerer Aussprache in der Weise, dass grundsätzlich nur ein gebürtiger Liechtensteiner Regierungschef sein könne und dass Ausnahmen hievon vom Landtage nur mit Dreiviertelstimmenmehrheit beschlossen werden können. Damit scheint der schwierigste Verfassungsbestimmung in befriedigender Weise gelöst werden zu können.

In Abwesenheit des fürstlichen Rates Ospelt haben sich die sämtlichen 12 anwesenden Landtagsmitglieder einstimmig dahin geäussert, dass der vom Landtage Seiner Durchlaucht vorzuschlagende Kandidat für den Posten des Regierungschefs fürstlicher Rat Ospelt sei.

Was die vom hochwürdigsten Herrn Bischof lancierte Kandidatur [Johann] Bossi betrifft, so wird sie von beiden Parteien gleichmässig energisch abgelehnt.

Die heute Vormittag bei der Besprechung zugegen gewesenen 12 Abgeordneten haben nachmittags die Besprechung über die Verfassung unter sich fortgeführt und haben sich hinsichtlich des bisher ebenfalls einen Streitpunkt bildenden Wahlmodus dahin geeinigt, dass es im Grundsatze bei der bisherigen Wahlart und Wahlkreiseinteilung bleiben soll, jedoch mit der Massgabe, dass infolge Wegfallens der fürstlichen Angeordneten von den 15 Abgeordneten 9 auf das Oberland und 6 auf das Unterland zu entfallen haben und dass ferner jede Gemeinde, die mindestens 300 Einwohner zählt, im Landtage durch mindestens einen Abgeordneten vertreten sein müsse. [7]

______________

[1] LI LA SF 01/1921/125.
[2] Der Verfassungsentwurf von Josef Peer war am 12.1.1921 von Fürst Johann II. „vorsanktioniert" worden (LI LA RE 1921/0963). Eine hievon leicht abweichende Fassung (LI LA LTA 1921/L03) erging als Regierungsvorlage an die Landtagsabgeordneten, welche den Entwurf in der öffentlichen Sitzung vom 8.3.1921 in Generaldebatte behandelten und einer siebengliedrigen Verfassungskommission zuwiesen (LI LA LTA 1921/S04/2). Die am 15. und 18.3.1921 tagende Verfassungskommission empfahl dem Landtag die Annahme der Regierungsvorlage mit einigen Abänderungsvorschlägen (LI LA LTA 1921/L03).
[3] Nach Auffassung des Bischofs sollte § 71 der Regierungsvorlage dahingehend abgeändert werden, dass Vereinbarungen zwischen der kirchlichen Behörde und der Regierung nicht mehr der Beratung durch den Landtag unterliegen sollten (vgl. das Schreiben von Josef Ospelt an den Churer Bischof vom 5.8.1921 (LI LA SF 01/1921/134)).
[4] Vgl. den undatierten Auszug in LI LA RE 1921/0963 betreffend Art. 91 und 97 der Verfassung des eidgenössischen Standes Schwyz vom 23.10.1898.
[5] Im Mai 1921 hatte der Churer Bischof bei Fürst Johann II. in Wien vorgesprochen und seine Anliegen hinsichtlich der liechtensteinischen Verfassungsrevision vorgebracht (vgl. das Schreiben der Kabinettskanzlei an Josef Ospelt vom 21.5.1921 (LI LA SF 01/1921/72)).
[6] Mit dieser Resolution stimmte Fürst Johann II. der Aufnahme einer Landesanleihe bis zu einer Million Franken zu (LI LA RE 1921/159).
[7] Der Bericht wurde von Josef Ospelt am 5.8.1921 ad acta gelegt. Vgl. im weiteren das Protokoll der öffentlichen Landtagssitzung vom 24.8.1921, in welchem der Landtag die neue Verfassung einstimmig verabschiedete (LI LA LTA 1921/S04/2).