Das "Liechtensteiner Volksblatt" kommentiert die Urteile im Prozess gegen die Putschisten


Artikel im "Liechtensteiner Volksblatt" [1]

29.1.1946

Rückblick auf den Putschistenprozess 

Der Hochverrats-, oder, wie er im Volksmunde allgemein genannt wurde, Putschisten-Prozess ist nun in erster Instanz beendigt und das Urteil gesprochen. [2] Allerdings läuft noch die Berufungsfrist bis und mit 29. Jänner 1946 und steht zu erwarten, dass sowohl der Staatsanwalt [Karl Eberle], wie auch die Verteidiger [Viktor WohlwendErich Seeger und Arthur Ender] im einen oder anderen Falle von der Berufung Gebrauch machen werden. [3]

Wenn, wie schon der Herr Staatsanwalt in der Anklage und später bei der Urteilsverkündung der Herr Gerichtspräsident [Armin Wechner] angeführt hatten, dass sich der lange Zeitabschnitt, während welchem der Prozess hinausgeschoben werden musste, sich eher zu Gunsten der Angeklagten auswirkte, so hat sich dies wirklich erfüllt und können die Urteile als mild bezeichnet werden, vor allem, soweit dies die Freisprüche einzelner Angeklagter anbelangte. Allerdings darf hier vielleicht erwähnt werden, dass schon der vom Staatsanwalt beantragte Freispruch der Angeklagten [Josef] Wohlwend und [Alois] Wille in der Öffentlichkeit allgemeine Überraschung auslöste und auch dem Gerichte die Möglichkeit einer Verurteilung entzog. Der vom Staatsanwalt beantragte Freispruch des Ferdinand Beck von Triesen war schon vorauszusehen und wohl auch berechtigt. Die "Ostschweiz" meldete bereits in ihrer Samstag Ausgabe, dass seitens des Staatsanwaltes Berufung gegen den Freispruch des Alois Schädler in Triesenberg eingereicht worden sei. [4] Eine Bestätigung dieser Meldung konnten wir bis zur Stunde noch nicht erhalten.

Das Urteil im Putschistenprozess ist nun jedenfalls gesprochen und wie weit sich durch allfällige Berufungen noch Änderungen ergeben werden, ist abzuwarten. Eine weitere Frage, die immer wieder aufgeworfen wird, ist nun allerdings noch die, ob dieser Prozess nicht erst der "ersten Garnitur" gegolten hat und nun noch jener der "zweiten Garnitur" folge, denn schliesslich haben noch andere dasselbe Ziel wie die Putschisten im Auge gehabt und auf die Untergrabung unserer Unabhängigkeit hingearbeitet.

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[1] L.Vo., Nr. 13, 29.1.1946, S. 1.
[2] Zum Urteil vgl. LI LA J 007/S 072/064/Fasz. 2/272. Alois Baltiner, Franz Beck und Josef Frick wurden wegen Hochverrat zu 5 Jahren Kerker, Egon Marxer wegen Hochverrat zu 2 1/2 Jahren Kerker verurteilt. Alois Kindle, Hermann Marxer und Josef Gassner wurden zu einer bedingten Strafe von 2 Monaten Kerker verurteilt. Josef Wohlwend, Engelbert Thöny, Alois Schädler, Alois Wille und Ferdinand Beck wurden freigesprochen.
[3] Tatsächlich wurde gegen das Urteil Berufung erhoben sowohl von der Staatsanwaltschaft (vgl. LI LA J 007/S 072/064/Fasz. 2/277) wie von Alois Batliner (vgl. LI LA J 007/S 072/064/Fasz. 2/278), Josef Frick und Eugen Marxer (LI LA J 007/S 072/064/Fasz. 2/279) und Franz Beck (LI LA J 007/S 072/064/Fasz. 2/280). Das Obergericht bestätigte im Mai 1946 die Urteile gegen Batliner, Beck, Frick und Marxer und verhängte gegen Alois Schädler eine Strafe von 2 1/2 Jahre Kerker, vgl. LI LA J 007/S 072/064/Fasz. 2/290 (Verhandlungsprotokoll), J 007/S 072/064/Fasz. 2/292 (Urteil). Schädler legte gegen dieses Urteil Berufung ein (vgl. LI LA J 007/S 072/064/Fasz. 2/293, 294) und wurde im April 1947 vom Obersten Gerichtshof freigesprochen (vgl. LI LA J 007/S 072/064/Fasz. 2/ohne Nr.).
[4] Vgl. "Die Ostschweiz", Nr. 43/44, 26.1.1946, S. 3 ("Urteil im Hochverratsprozess").