Staatssekretär Ernst von Weizsäcker deutet an, dass Deutschland nicht am Anschluss Liechtensteins interessiert sei


Schreiben von Konsul Walter Probst an Regierungschef Josef Hoop[1]

20.6.1938, Basel

Sehr geehrter Herr Regierungschef!

Im Anschluss an unsere vor einigen Wochen gehabte interessante Unterhaltung sann ich darüber nach, ob und in welcher Weise ich meinerseits weitere beruhigende Mitteilungen über unser Land von erster deutscher Stelle beschaffen könnte.

Mein intimer Freund Freiherr [Ernst] von Weizsäcker ist vor nicht langer Zeit zum Staatssekretär ernannt worden und ist jetzt im Aussenministerium die rechte Hand des Herrn [Joachim] von Ribbentrop, befindet sich also auf erstem Posten.

M. Georges Bonnet hat kürzlich gesagt: "La diplomatie est l'art de se taire." Dieses beherzigend, erwähnte ich in einem Geburtstagsbrief an Freiherrn von Weizsäcker über unser Land natürlich nichts, machte aber eine kleine Bemerkung, von der ich annahm, dass er sie als mein Freund verstehen werde. Und er hat sie verstanden und ist in seinen freundschaftlichen Gefühlen noch weiter gegangen, als ich gehofft hatte. Vielleicht kann ich Ihnen das Originalschreiben zur vertrauensvollen Einsicht demnächst in Vaduz zeigen, wenn mich mein Weg bald nach dort führen sollte. Den Sie wohl am meisten interessierenden Teil des Briefes gebe ich Ihnen aber bereits jetzt bekannt:

"Ihr Land Liechtenstein wäre ja beinahe vor kurzem in das internationale Gespräch gezogen worden, allerdings von unserer Seite lag weder Absicht noch Anlass dazu vor. Einige geschäftige Menschen anderwärts schienen dies jedoch zu wünschen. Zum Glück ist nun alles wieder wie es war, und damit wird ohne Frage auch der Prinz Karl v. L[iechtenstein] gewiss zufrieden sein. Die Familie Urach [2] kenne ich zum Teil selbst und habe die Mitglieder, denen ich begegnete, stets sehr gern gehabt ..."

Es war mir wichtig, von absolut kompetenter Seite diese Mitteilungen zu erhalten, und es würde mich freuen, durch Einholung dieser Auskunft unserem Lande einen Dienst gleistet zu haben. Wenn sich jemals Schwierigkeiten ergeben sollten, kann ich mich an meinen mir so wohlgesinnten Freund wenden, der sicherlich einen Weg des Ausgleichs finden wird, denn auch hier gilt der Satz: "Wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg." An dem guten Willen meines Freundes ist aber nicht zu zweifeln.

Indem ich Sie bitte, mich Ihrer hochverehrten Frau Gemahlin empfehlen zu wollen, bin ich mit freundlichen Grüssen an Sie selbst

Ihr sehr ergebener

 

 

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[1] LI LA RF 179/130/069. Regierungschef Josef Hoop antwortete Probst am 22. Juni 1938, dass sich die Auskunft Weizsäckers mit dem decke, was er "an anderer hochstehender Stelle in Deutschland" erfahren habe. Siehe LI LA RF 179/130/032.
[2] Der Name Urach bezeichnet die Nebenlinien des Hauses und der Familie Württemberg.