Maurice Arnold de Forest wendet sich erneut gegen die fremdenpolizeiliche Vereinbarung zwischen der Schweiz und Liechtenstein


Schreiben von Maurice Arnold de Forest, Graf von Bendern, aus Zürich an die liechtensteinische Regierung [1]

3.3.1941

Justizrat Dr. [Ludwig] Marxer teilt mit, dass laut diesbezüglichen Besprechungen Herr Regierungs Chef [Josef Hoop] die Versicherung abgegeben hätte, in dem neulichen Liechtensteinisch-Schweizerischen Vertrag [2] die Revision des Artikels 3 betreffend die Eingebürgerten baldigst in Bern durchzudrücken.

Ich gebe zu diesem verständnisvollen Entschluss und seiner hoffentlich baldigen Durchführung meiner tiefen Dankbarkeit und Freude Ausdruck. Ich muss jedoch entschieden die angeknüpfte Andeutung zurückweisen, dass meine diesbezügliche Stellungnahme unbegründet sei und dass die Revision der Sache nur als Gefallen, doch unüberzeugt, durch die Regierung in Angriff genommen werden würde. In Ergänzung meines Briefes vom 27. Januar [3] darf ich also folgende Ausführungen machen:

Die jetzt in Artikel 3 des Vertrages bestehende Vorschrift erhebt schwarz auf weiss, buchstäblich, unverkennbar und unbestreitbar, einen klaren polizeilichen Verdacht gegen die Person eines jeden seit 1924 in Liechtenstein Eingebürgerten ohne Ausnahme.

Man mag behaupten, dass die ganze Angelegenheit nur eine rein fremdenpolizeiliche Massnahme darstellt, oder den Einwand des sehr zweideutigen Inhalts des Paragraf 7 des Vertrages betreffend Gegenseitigkeit erheben. Doch lässt sich niemand darüber täuschen, gegen welche Eingebürgerten, von der Schweiz oder von Liechtenstein, die Bedingungen des Paragraf 3 des Vertrages gerichtet sind, und - von den beiden Làndern - welche Staatsangehörige effektiv von ihnen getroffen werden.

Dieser von der Schweizerischen Fremdenpolizei gegen die Liechtensteinischen Eingebürgerten erhobene Verdacht ist ist demnach durch die Unterzeichnung des genannten Vertrages von der Liechtensteinischen Regierung feierlich angenommen, zugestimmt und gutgeheissen worden.

Ob dies auf Begehren der Schweiz von Liechtensteibn gegen seine eigenen Eingebürgerten eingegangene Zugeständnis jetzt nicht von dritten Staaten gegen die Eingebürgerten als Prinzip und Präzedenzfall aufgefasst wird, und sich daher tatsächlich nicht folgenschwer und gefahrvoll für die Person und das Eigentum der Eingebürgerten LIechtensteiner im Ausland - jenseits der Schweiz - auswirken wird, darf man unparteiisch gesehen wirklich nicht in Frage stellen.

Zur richtigen Beurteilung dieser durch den Vertrag neu geschaffenen Situation soll man die schon vorher bestehende bedenkliche Lage der Liechtensteinischen Eingebürgerten jedenfalls nicht ausser Acht lassen.

Wie bekannt, herrscht ja sowieso im Ausland , wie jüngere Geschehnisse in verschiedenen Ländern der Fürstlichen Regierung bewiesen haben, eine ausgeprochene Missstimmung gegen Liechtenstein und seine Einbürgerungen, dessen Ursprung unverkennbar ist. In dem Diplomatischen Corps in Bern sind ja schon längere Zeit bösartige Gerüchte über liechtensteinische Einbürgerungs Praktiken herumgeboten und von da aus, - wohl wegen des Umstandes, dass kein direkter Kontakt Liechtensteins mit den Berner Diplomaten besteht, der eine Widerlegung der Gerüchte wirkungsvoll ermöglichen würde, - werden die höhnischen Schmähungen an die respektiven ausländischen Regierungen weitergeleitet. Hieraus entstanden sowieso schon genügend verhängnisvolle Auswirkungen für Liechtensteiner im Ausland.

Diesen von Bern aus sich verbreitenden Verläumdungen könnte wohl aber keine stärkere Nahrung und Bekräftigung zuteil werden, als die jetzige offenbare vertragliche Zustimmung der Fürstlichen Regierung zu der verdächtigen Behandlung der Liechtensteinischen Eingebürgerten in der Schweiz.

Stellt man sich nun die Frage, ob die Forderungen der Schweiz gegen die Liechtensteinischen Eingebürgerten überhaupt berechtigt waren, oder soweit berechtigt, dass die Fürstliche Regierung deren vertragliche Anerkennung sich nicht entziehen konnte, so kommt man zu der Feststellung, dass die betreffenden Forderungen sich nur auf die unkontrollierten, unrichtigen Berner Gerüchte stützen und daher fast einer Schikane gleichkommen, denn:

1) Liechtenstein hat keine unkontrollierten Einbürgerungen wahllos durchgeführt, noch Personen aufgenommen, die von ihrem Heimatsstaat gesucht werden oder gegen welche Strafverfahren dort anhängig waren. Es hat keine Verbrecher eingebürgert. Zum Beweis hierfür hätte die Fürstliche Regierung bei den Verhandlungen zu dem Vertrage eine Liste der Eingebürgerten der Schweizerischen Fremdenpolizei zur Prüfung wohl unterbreiten können,

2) denn gerade die Liechtensteinischen Eingebürgerten sind es, die, wenn sie in der Schweiz Aufenthalt nehmen, ihr eigenes Geld hineinführen und es dort ausgeben, während im Gegensatz zu ihnen die Liechtensteinischen Eingeborenen es sind, die in die Schweiz ziehen wollen um grösstenteils den Schweizer Arbeitern Konkurrenz zu machen,

3) denn, wenn die Einbürgerungen in Liechtenstein die Finanzen des Landes beträchtlich gefördert haben, die dadurch gehobene Finanzkraft im direkten Interesse der Schweiz gelegen war. Man kann sogar sagen, dass die Schweiz an dem Einbürgerungs Geschäft in Liechtenstein indirekt beteiligt war und bestimmt Nutzen daraus gezogen hat, Als Tadler der Einbürgerungs Politik Liechtensteins scheint also zu gehören von allen Staaten an letzte Stelle die Schweiz.

So stellen sich die Voraussetzungen zu dem im Schweizer Vertrag gegen die Liechtensteinischen Eingebürgerten ausgedrückten Verdacht als falsch und unbegründet heraus umsomehr da die Verdächtigung von der Person jedes seit 1924 in Liechtenstein Eingebürgerten auf dessen Einbürgerungs Umstände selbstverständlich sich ausdehnt und von da aus unwiderleglich auf das Einbürgerungs Verfahren der Fürstlichen Regierungs selbst.

Da aber Liechtenstein sich gegenüber der Schweiz in seiner Einbürgerungs Politik nichts vorzuwerfebn hatte, ist für jeden einsichtigen Liechtensteiner schwer zu erfassen, warum die Fürstliche Regierung sich ein Zugeständnis der Berechtigung zu einem Verdacht gegen ihre eigene Handlungsweise in dem Vertrag hat entreissen lassen, anstatt an Vernunft, Unparteilichkeit und Verständnis für die Tatsachen bei der Berner Regierung unter Vorlage von Beweismaterial zu appellieren.

Die Folgen dieser Selbstbeschuldigung müssen weit über die Köpfe der betroffenen Eingebürgerten hinausreichen, nämlich - jenseits der Schweiz im Ausland - zum Schaden aller Inhaber Liechtensteinischer Pässe, denen das schon früher mit Unrecht angegriffene Prestige und Ansehen ihres Landes nicht gleichgültig ist.

Aus diesen Gründen habe ich nach bestem Gewissen meinen Protest eingereicht mit dem Zweck, die Aufmerksamkeit der Regierung auf Übel zu lenken, wo es den Anschein hatte, dass die schweren Verwicklungen und Auswirkungen auswärts unterschätzt wurden und die andererseits die im Ausland wohnenden und begüterten Liechtensteiner sicher gut in der Lage sind zu beurteilen. Ich tat dies nicht als Kritiker und Polemiker, sondern als vollherziger Liechtensteiner, als unbeschränkter Werber für das Bestehen der Unabhängigkeit des Fürstentums und seiner Souveränität, als loyaler Untertan des Fürsten, als Anhänger der Regierung und im Interesse aller Liechtensteiner.

Möge also meine Intervention auf keinen offenen oder ausweichenden Widerstand oder Unverständnis stossen und nicht vergeblich gewesen sein!

Mit dem Ausdruck meiner höchsten besonderen Hochachtung

Ergebenst

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[1] LI LA RF 199/416/3/033.
[2] Siehe Vereinbarung zwischen Liechtenstein und der Schweiz vom 23. Jänner 1941 über die Regelung der fremdenpolizeilichen Beziehungen, LGBl. 1941 Nr. 4.
[3] Schreiben an Regierungschef Josef Hoop, LI LA RF 199/416/3/008.