Josef Hoop sagt als Zeuge über die Tätigkeit von Friedrich Bock als Leiter der NSDAP-Ortsgruppe Liechtenstein aus


Protokoll der Zeugeneinvernahme von Josef Hoop, ehemaliger Regierungschef, vor der Verwaltungsbeschwerdeinstanz, gez. Hoop und Johannes Fäh, Präsident der Verwaltungsbeschwerdeinstanz [1]

24.11.1945

Vor der F.L. Verwaltungsbeschwerdeinstanz wird als Zeuge einvernommen:

Hoop Dr. Josef, geb. 14.12.1895, Sohn des Franz und der Berta geb. Batliner, Bürger von Eschen, verh. mit Emilie geb. Gstöhl, kath., wohnhaft in Vaduz.

Nach Ermahnung zur Wahrheit und auf die Folgen der falschen Zeugenaussage aufmerksam gemacht, sagt der Zeuge aus:

Ich erinnere mich nicht mehr genau, wann Dr. [Friedrich] Bock die Leitung der Ortsgruppe Liechtenstein übernommen hat. Ich weiss auch nicht mehr, ob er mich vor der Übernahme der Leitung gefragt hat. Ich weiss daher nicht mehr, ob ich ihm gesagt habe, ich würde es begrüssen, dass er die Leitung übernehme. Wenn ich aber gefragt worden sein sollte, so bin ich sicher, dass ich ihm gesagt hätte, er solle die Leitung übernehmen, denn er sei die geeignetetste Person, um unter den Deutschen Ordnung zu halten. Auf jeden Fall habe ich ihm bei verschiedensten Gelegenheiten gesagt, dass wir froh sind, dass er die Ortsgruppe leite. Ich erinnere mich deutlich, dass er mir eines Tages erklärte, er wolle infolge der bestehenden Unstimmigkeiten die Leitung der Ortsgruppe niederlegen. Damals habe ich ihn gebeten, das nicht zu tun.

Es ist falsch, zu sagen, Dr. Bock habe auf die Regierung von sich aus einen Druck auszuüben versucht. Wenn Dr. Bock im Auftrage des Konsulates bei mir vorgesprochen ist, war seine stereotype Einleitung: Ich will mich nicht in Ihre Verhältnisse einmischen, aber das und das liegt vor und das müssen wir nun behandeln. Es handelte sich dabei um Beschwerden, die beim Konsulate gegen die Liechtenst. Regierung oder den Fürsten [Franz Josef II.] u. andere Leute erhoben worden waren oder weil im Vorarlberg drunten irgendwer angeschwärzt wurde. Ich habe den Sachverhalt dann jeweils aufgeklärt. In der Regel sind alle Fälle abgebogen worden und zwar gerade durch die positive Intervention des Dr. Bock. Dr. Bock hat also seine Bemühungen mit denjenigen der Regierung koordiniert.

Auf die Frage, ob Dr. Bock im Auftrage des Konsulates und als dessen Mittelsmann auf die Regierung einen Druck ausgeübt habe, antwortet der Zeuge:

Ich betrachtete Dr. Bock als den Lokalvertreter des Konsulates. Damals war Dr. [Hermann] Voigt Generalkonsul. Seine Art, sich in liechtensteinische Dinge einzumischen, ging für mein Empfinden etwas zu weit. Er wollte sich in Berlin wichtig machen. Wenn dann in seinem Auftrage Dr. Bock erschien, habe ich ihn von Fall zu Fall aufgeklärt. In der Regel habe ich nachher über den Fall nichts mehr gehört. Diese Interventionen waren mir immer sehr unangenehm. In einzelnen, recht bedeutenden Fällen, hat Dr. Bock uns sehr genützt. Ich präzisiere: Die Interventionen des Konsulates, die Dr. Bock ausgeführt hat, waren mir unangenehm. Ich bin heute Dr. Bock noch für manche Intervention dankbar und halte dafür, dass auch das Land Grund hat, ihm dafür dankbar zu sein. Die Aufführung der einzelnen Fälle bitte ich mir zu erlassen.

Auf Vorhalt der Einvernahme Dr. Bock, Seite 3 [2] betr. Grenzkarten-Angelegenheit bezw. des Verkehrs mit der Gestapo antwortet der Zeuge:

Es wurde mir erzählt, die führenden Leute der VDBL, wie Dr. [Sepp] Ritter, Martin Hilti usw., hätten in Feldkirch auf die Gegenzeichnung der Grenzkarten Einfluss genommen. Vaterländische Liechtensteiner haben oft bei mir reklamiert, dass diese Leute von der VDBL hinunter können, sie dagegen nicht. Ich habe dann Dr. Bock gefragt, ob er da nicht Ordnung machen könne und ob er nicht selber zuhanden der Deutschen Grenzpolizei eine politische Begutachtung vornehmen könnte. Dr. Bock hat mir zugesagt. Später hat mich [Karl] Kriener gefragt, ob es uns recht sei, wenn Dr. Bock die Grenzkarten begutachte. Ich habe ihm geantwortet, das sei mir viel lieber als die dunkeln Interventionen der VDBL.

Auf Vorhalt der Beschwerde [Otto] Ruther: Es handelt sich hier um die Frage der Behandlung der Refraktäre. Generalkonsul Dr. Voigt und auch die deutschen Grenzbehörden haben uns bei jeder Gelegenheit wissen lassen, dass sie es nicht dulden könnten, dass in Liechtenstein sich ein Refraktären-Nest herausbilden kann. Ich musste zur Ansicht kommen, dass es sich um eine Frage handelte, die für das Land unangenehme Konsequenzen haben könnte. Die Regierung hat daher beschlossen, die Refraktäre nicht besser zu behandeln als in der Schweiz. Wir haben in jedem einzelnen Falle polizeilich mit allen uns verfügbaren Mitteln auf den Mann einen Druck ausgeübt, damit er einrücke. Das war auch bei Ruther der Fall. Wir haben Refraktäre aus ihrem Arbeitsverhältnis herausgenommen und sie durch Liechtensteiner ersetzt. So haben wir auch den Ruther aus der Presta herausgenommen.

Mir ist nichts bekannt, dass die Fürstl. Regierung oder ich persönlich in Bern je um Rückschaffung des Ruther zwecks Auslieferung an Deutschland nachgesucht hat. [3] Ich verweise auf die Akten. Ich verweise zum Gegenteil noch darauf, dass die Regierung für die Rückschaffung des Ruther nach Liechtenstein interveniert hat, damit er hier das mildere Schicksal der Refraktäre teilen könne. Ich erinnere mich nicht mehr, ob Dr. Bock in der Sache Ruther je einmal bei mir interveniert hat. Ich muss korrigieren: Ich glaube mich erinnern zu können - es muss schon so sein - dass Dr. Bock mir in der Sache Ruther aufgeläutet hat oder bei mir vorgesprochen ist, und zwar in dem Sinn, dass er mich auf den Fall aufmerksam machte. Es ist aber vollständig falsch, zu behaupten, Dr. Bock habe mir bezw. von der Regierung die Auslieferung des Ruther nach Deutschland verlangt. Auch das Konsulat hat diese Auslieferung nicht verlangt. Zu den Verhandlungsgegenständen, die Dr. Bock im Auftrage des Konsulates mit mir zu besprechen hatte, gehörten auch die Refraktär–Fragen. Dr. Bock pflegte jeweils zu rapportieren, es besteht eine Misstimmung inbezug auf die Juden, inbezug auf die Refraktäre usw., worauf ich ihn jeweils aufgeklärt und unseren Standpunkt klar gemacht habe, dass wir diese Refraktäre doch nicht ausweisen können. Diese Besprechungen erfolgten jeweils mit der Bitte, im Sinne unserer Anschauung beim Konsulate vorstellig zu werden.

Auf Frage Dr. Bock: Es ist richtig, dass ich in den Regierungs-Sitzungen wiederholt erklärt habe, "es ist ein Glück für Liechtenstein, dass wir Dr. Bock haben", ich sagte dies, trotzdem ich mit ihm keine persönlichen Beziehungen unterhielt und mir seine dienstlichen Interventionen nie angenehm waren. Als im Mai 1945 gewisse Leute wieder Mut bekamen und man anfing von der Säuberung zu sprechen, habe ich mich dagegen gewehrt, dass Dr. Bock als erster ausgewiesen zu werden verdiene. Wenn man sich auf den Standpunkt stellt, dass auszuweisen sei, wer die und die Funktion ausgeführt habe, gut, da gibts nichts mehr zu reden. Wenn man aber ausweist nach begangenen Fehlern und nach Schuld, dann tut man Dr. Bock unrecht. Dann verdienen andere viel eher ausgewiesen zu werden. Wenn Dr. Bock im Zeitpunkt der grössten Machtentwicklung Deutschlands dem Lande hätte die Gurgel abdrehen wollen, dann wäre dies ihm mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln ein Leichtes gewesen.

Auf Frage Dr. Bock: Es ist mir immer gesagt worden, dass Dr. Bock in der Deutschen Kolonie seinen Einfluss ausgeübt habe, dass die Mitglieder sich nicht über Fragen des Anschlusses zu befassen hätten.

Auf Frage Dr. Bock: Es ist richtig, dass ich Dr. Bock gebeten habe, seine Dienste dem Lande weiterhin zur Verfügung zu halten. Dr. Bock hat sich bereit erklärt.

Auf Frage Dr. Bock: Ist es zutreffend, dass ich meine Tätigkeit die ganzen Jahre im Einvernehmen der Regierung geführt habe?
Antwort: Ich kann diese Frage in dieser Form nicht beantworten, da ich nicht die ganze Tätigkeit des Dr. Bock kontrollieren konnte. Ich kann nur sagen, dass wir nie Differenzen hatten, und dass ich an der Tätigkeit Dr. Bock nichts auszusetzen hatte.

Auf Frage Dr. Bock: Ist es zutreffend, dass meine Tätigkeit im Interesse des Landes als erwünscht bezeichnet werden kann?
Antwort: Wenn schon eine Ortsgruppe geduldet werden musste, dann war es mir erwünscht, dass Dr. Bock diese geführt hat.

Auf Frage Dr. Bock: Es kam auch vor, dass ich Dr. Bock zu mir gerufen habe und ihn gebeten habe, für uns beim Konsulat oder sonstwo zu intervenieren.

Vorgelesen und bestätigt:

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[1] LI LA RF 230/478p (b). Handschriftliche Betreffangabe: Dr. Bock. Am Schluss des Dokuments handschriftlicher Vermerk: "Auf Zeugenentschädigung verzichtet".
[2] LI LA RF 230/478p, Parteieinvernahme von Friedrich Bock, 10.7.1945.
[3] Die Regierung forderte Ruther mit Schreiben vom 22.1.1943 auf, Liechtenstein zu verlassen, und drohte ihm mit der zwangsweisen Ausschaffung (LI LA RF 230/478p, Zeugeneinvernahme von Ruther durch die Verwaltungsbeschwerdeinstanz, 24.11.1945; Ruther an die Verwaltungsbeschwerdeinstanz, 28.11.1945). Ruther flüchtete darauf am 6.12.1943 in die Schweiz, wo er inhaftiert wurde (LI LA V 163, Personendossier Otto Ruther, Bericht von Oswald Bühler, 8.5.1943; LI LA J 005/J 413/166, Klage von Otto und Maria Ruther, geb. Kaiser, 8.5.1946). In dieser Situation wurde angeblich ein von Hoop unterzeichnetes Schreiben bzw. eine Note nach Bern gesandt, in dem die Rückschaffung Ruthers nach Liechtenstein verlangt wurde, um ihn nach Deutschland ausliefern zu können (LI LA RF 230/478p (a), Entscheidung der Verwaltungsbeschwerdeinstanz betreffend Wegweisung von Bock, 11.12.1945).