Die Schweiz verlangt, dass Rudolf Ruscheweyh eine Kaution von über 10 Millionen Franken stellt


Schreiben der Eidgenössischen Fremdenpolizei, gez. Carl Brunner, an die Regierung [1]

14.2.1945

Herr Regierungschef [Josef Hoop],

Das Aufenthaltsverhältnis des in Schaan wohnhaften deutschen Reichsangehörigen Ruscheweyh Rudolf ist seit dem 1. Mai 1944 nicht mehr mit uns geregelt. Am 28. Juni 1944 unterbreiteten Sie uns einen bis 1. Mai 1945 befristeten Bewilligungsentscheid. [2] In Erwartung, dass die auch Ihnen bekannte Clearingangelegenheit Ruscheweyhs, [3] die bei der Schweizerischen Verrechnungsstelle anhängig ist, in absehbarer Zeit eine Erledigung finden würde, haben wir mit der Regelung des Aufenthaltsverhältnisses zugewartet. Es ist uns nun aber nicht mehr möglich, die Aufenthaltsangelegenheit weiter pendent zu lassen. Wir beehren uns daher, Ihnen im Einvernehmen mit den ebenfalls interessierten Amtsstellen mitzuteilen, dass wir einer weiteren provisorischen Aufenthaltsbewilligung nur zustimmen können, wenn Ruscheweyh den Betrag von Fr. 10'558'270.11 bis zur Abklärung der Einzahlungspflicht in der Schweiz sicherstellt. Ruscheweyh hat sich unverzüglich mit der Schweizerischen Verrechungsstelle in Verbindung zu setzen, damit die Art und Weise der Hinterlegung festgesetzt werden kann.

Im weitern beehren wir uns, Sie vertraulich darauf aufmerksam zu machen, dass nach Mitteilung von gut informierter Stelle sich Ruscheweyh auf der französischen Kriegsverbrecherliste befinden soll.

Genehmigen Sie, Herr Regierungschef, die Versicherung unserer vorzüglichen Hochachtung. [4]

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[1] LI LA V 004/1948/04 (b). Aktenzeichen: 874028 Dr.Hf/CB.
[2] Nicht aufgefunden.
[3] Die Schweizerische Verrechnungsstelle leitete im Frühling 1944 ein Verfahren gegen Ruscheweyh und die Werkzeugmaschinenfabrik Oerlikon Bührle & Co. (WO) ein. Sie hatte den Verdacht, Ruscheweyh sei erst im Januar 1944 nach Liechtenstein übersiedelt, während er vorher in Deutschland domiziliert gewesen sei. Der Wohnsitz in Schaan, wo Ruscheweyh seit Ende März 1940 eine Aufenthaltsbewilligung besass (LI LA V 004/1948/04, Regierung an Ruscheweyh, 29.3.1940), sei bloss ein fiktiver, der der Umgehung der Clearingpflicht für die von der WO an Ruschewyeh bezahlten Provisionen diene.
[4] Die Regierung beantwortete das Schreiben am 28.3.1945 (LI LA V 004/1948/04, LI LA V 143/3167). In ihrem Antwortschreiben wies sie darauf hin, "dass wir uns [...] ausser Stande sehen, Herrn Ruscheweyh zu dieser Einzahlung zu veranlassen, weil es unserer Ansicht nach keinen rechtlichen und gesetzlichen Grund gibt, diese Forderung an Herrn Ruscheweyh zu stellen." Zum weiteren Verlauf dieser Angelegenheit vgl. LI LA V 143/3167 (a), Note der Regierung an das Eidgenössische Politische Departement, 22.9.1945.