Die Regierung ordnet eine Ausländerzählung in Liechtenstein an


Kundmachung der Regierung, gez. Regierungschef Josef Hoop[1]

10.11.1938

Kundmachung

Aus statistischen Gründen wird hiemit eine Zählung aller seit 1. Jänner 1934 nach Liechtenstein eingereisten Ausländer angeordnet. Bezüglich der Durchführung gelten folgende Grundsätze:

  1. Montag, den 21. November 1938 hat jeder seit 1. Jänner 1934 nach Liechtenstein eingereiste und hier wohnhafte Ausländer der Regierung seinen Namen, Geburtsdatum, Geburtsort, Beruf, Religion, Staatsangehörigkeit, den Wohnort mit Hausnummer und den Zeitpunkt der Einreise nach Liechtenstein bekanntzugeben. Für die mj. Kinder hat der Haushaltungsvorstand diese Angaben zu machen.
  2. Die Gastwirte und Privatpersonen, die vorübergehend einem Ausländer Unterstand gewähren, haben für ihre Gäste ein gesondertes Verzeichnis der Regierung am genannten Tage abzuliefern. In demselben müssen ebenfalls Name, Geburtsdatum und Ort, Beruf, Religion, Staatsangehörigkeit und Wohnort enthalten sein, ebenso der Zeitpunkt der Einreise.
  3. Unterlassung dieser Meldung wird mit sofortiger Wegweisung für den Ausländer geahndet. Wirte und Privatpersonen, die der Meldepflicht nicht nachkommen, unterliegen einer Strafe von Fr 50.- bis Fr 100.-.
  4. Eine Umgehung dieser Verordnung dadurch, dass ein Ausländer auf kürzere oder längere Zeit das Land verlässt, obwohl er die Absicht hat, in dasselbe zurückzukehren, wird gleicherweise mit Landesverweisung des Ausländers bestraft.
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[1] LI LA RF 184/132/025. Unmittelbarer Anlass der Ausländerzählung in Liechtenstein war die Reichspogromnacht vom 9. auf den 10.11.1938 und die damit verbundene Fluchtbewegung von Juden aus Deutschland. Die Anordnung der Regierung wurde allen Gemeindevorstehungen zur ortsüblichen Kundmachung am 13. und 20.11.1938 zugestellt (LI LA RF 184/132/026).