Fürst Franz Josef II. drängt die Regierung zur Entfernung der in Liechtenstein internierten Soldaten der 1. Russischen Nationalarmee der Wehrmacht


Schreiben der Kabinettskanzlei an die Regierung, gez. Kabinettssekretär Rupert Ritter [1]

27.6.1945, Vaduz

Betrifft: Internierte Russen

Im Auftrage Seiner Durchlaucht des Landesfürsten [Franz Josef II.] beehrt sich die Kabinettskanzlei Folgendes mitzuteilen:

Seine Durchlaucht ist der Meinung, dass es höchste Zeit ist, dass die Angehörigen der I. Weissrussischen Armee [2] das Land verlassen, da einerseits die Kosten der Unterbringung und Verpflegung für das Land untragbar werden und andererseits, wie dies Seine Durchlaucht [den] Herren der Regierung schon mündlich mitteilte, ihre längere Anwesenheit aussenpolitisch eine schwere Belastung für das Land bildet. Es ist mit Sicherheit anzunehmen, dass liechtensteinische Staatsbüger in den russisch-besetzten Gebieten an ihrem Leben und Eigentum schweren Schaden zu erleiden haben, da die USSR dieses Unterhalten ihrer innenpolitischen Gegner als Unfreundlichkeit betrachtet. Es ist überdies damit zu rechnen, dass seitens der USSR Auslieferungsbegehren gestellt werden und damit wird die Situation für das Land noch schlimmer.

Seine Durchlaucht hat schon bei früherer Gelegenheit darauf aufmerksam gemacht, dass man sich nicht der Meinung anschliessen könne, wie dies getan wurde, dass die Erklärungen des Herrn Regierungschefs Dr. [Josef] Hoop und des Herrn Oberstleutnant Dr. [Oskar] Wyss weiterhin bindend seien, da diese Truppen, um den Eintritt und die Internierung zu erzwingen, sich als Bestandteil der Wlassowkosaken [3] ausgegeben haben, was sie aber nachträglich in Abrede stellten.

Die Kabinettskanzlei ersucht die Fürstliche Regierung um baldigsten Bericht, welche Massnahmen zur Entfernung dieser Internierten aus dem Lande getroffen wurden.

In vorzüglichster Hochachtung

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[1] LI LA RF 230/043a/079. Aktenzeichen: Nr. 33/45.
[2] Es handelte sich nicht um die I. Weissrussische Armee, sondern um die Erste Russische Nationalarmee der Wehrmacht
[3] Das XV. Kosaken-Kavallerie-Korps gehörte zur Russischen Befreiungsarmee von Andrei Wlassow, einem Freiwilligenverband, der im Zweiten Weltkrieg auf deutscher Seite kämpfte.