Der Landtag verschärft die Niederlassungsbedingungen für Juden und sonstige Emigranten


Protokoll der Konferenzsitzung des Landtags, gez. Schriftführer Johann Georg Hasler und Schriftführer Wendelin Beck [1]

4.8.1938

2. Niederlassungsbedingungen für Juden und Emigranten

Reg. Chef [Josef Hoop]: Wir werden gegenwärtig überschwemmt mit Gesuchen um Erteilung der Aufenthaltsbewilligungen im Lande. Nach der Praxis ist zu befürchten, dass sie nie mehr nach Deutschland zurückkehren dürfen und so bleiben sie dann in jenen Ländern, wo sie wohnten. Mir scheint es ratsam zu sein, wenn man mit äusserster Vorsicht bei Neuerteilung von Aufenthaltsbewilligungen vorgeht und die schwersten Bedingungen daran knüpft. Grundsätzlich wäre überhaupt kein Jude mehr aufzunehmen. Wenn ein Fall aus Gründen der Arbeitsbeschaffung besonders gut ist, dann soll dies nur zu erschwerten Bedingungen möglich sein. Als solche würde ich vorschlagen, die Hinterlage von soviel Geld als heute für die Einbürgerung verlangt wird und die Hinterlage von einwandfreien Papieren, dass der Gesuchsteller ordnungsmässig ausgereist ist, ebenso muss der betreffende sich allgemeiner Honorigkeit erfreuen.

Dr. [Otto] Schädler übernimmt den Vorsitz.

[Peter] Büchel: Ich möchte den Antrag stellen, dass auch die, welche bereits die Niederlassung haben, einer genauen Prüfung unterzogen werden. Es kann für uns noch einmal katastrophal werden.

Dr. Schädler: Ich teile die Sorgen des Reg. Chef vollständig und auch die des Abg. Büchel. Das weist sich im Falle Isenberg. [2] Ich möchte diese Anträge wärmstens befürworten.

Risch Ferdi: Ich möchte den Antrag Büchels unterstützen. Es soll eine genaue Kontrolle stattfinden, sei es nun ein Jude, Italiener oder dergl.

Reg. Chef: Wenn einer sich nichts hat zu Schulden kommen lassen, wird es hart sein. Wir haben ein Fall Chantoff, wohin tun wir sie? [3] In vielen Fällen wird es nicht leicht sein, aber immerhin haben wir einen gewissen Rückhalt, wenn der Landtag unserem Antrage zustimmt. Es wird vor allem bei denen hapern, die kein Geld haben.

Risch Ferdi: Die Regierung sollte keine Aufenthaltsbewilligung erteilen, bevor nicht die betreffende Gemeinde gehört worden ist. Ich erwähne den Fall Römer, wo heute 3-4 Familienmitglieder zugewandert sind. Eines hat sogar noch ein liecht. Mädchen ins Unglück gebracht und ist fein heraus. [4]

Reg. Chef: Davon wissen wir nichts und die hättest Du müssen von Schaan wegschicken. Wir müssen doch nicht in den Gemeinden herumschnüffeln. Wir tun das, was möglich ist, um unerwünschte Ausländer fernzuhalten.

Vogt Georg: Wir haben auch eine neue Familie zugewandert bekommen, es ist eine Schweizer Familie, dessen Oberhaupt in Vaduz arbeitet und die Aussichten sind nicht besonders rosig.

Büchel: Ich möchte beantragen, die Kaution für die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung auf Frs. 50'000 zu erhöhen. Wenn sie das nicht leisten können, sind sie sowieso nicht interessant zum vorneherein.

Dr. Schädler: So würde der 1. Antrag lauten: Neue Niederlassungsbewilligungen werden nur erteilt bei Hinterlage einer Kaution von Frs. 50'000 und nur dann, wenn die Niederlassung von Emigranten im eminenten wirtschaftlichen Interesse des Landes ist. Überdies wäre Voraussetzung ein guter Leumund.

Dieser Antrag wird einstimmig angenommen.

Dr. Schädler: Der 2. Antrag des Abg. P. Büchel lautet, dass die bestehenden Niederlassungen nachgeprüft werden sollen und falls die Prüfung ergibt, dass aus der bestehenden Niederlassung eine Gefahr für das Land besteht, soll diese nicht mehr erneuert und getrachtet werden, die Leute aus dem Lande zu bringen.

Dieser Antrag wird ebenfalls einstimmig angenommen.

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[1] LI LA LTP 1938/093.
[2] Zwischen dem deutsch-jüdischen Emigranten Sally Isenberg und Carl von Vogelsang war 1936 eine heftige Pressefehde entbrannt. Im Rahmen der Aussöhnung zwischen der Bürgerpartei und der Vaterländischen Union 1938 wurde Isenberg schliesslich ersucht, Liechtenstein zu verlassen.
[3] Gertrud Chantoff und ihre Tochter Margaritha erhielten 1935 eine befristete Aufenthaltsbewilligung für Liechtenstein, weil sich Pfarr-Resignat Joseph Büchel für sie verwendete (LI LA RF 150/442). In der Folge wurde die Aufenthaltsbewilligung für die beiden Frauen, die in unsicheren finanziellen Verhältnissen lebten und auf Unterstützung angewiesen waren, wiederholt verlängert. Gertrud Chantoff starb im Oktober 1938, Margaritha wurde Ende 1938 aus Liechtenstein ausgewiesen.
[4] Der Deutsche Heinrich Römer lebte mit seiner Familie in Schaan. Der Sohn schwängerte im Mai 1938 seine Geliebte, ein Mädchen aus Schaan. Diese nahm eine Abtreibung vor und wurde dafür verurteilt (LI LA J 007/S 071/140).