Entwurf eines Erlasses an die Pfarrämter, wonach Trauungen deutscher Reichsangehöriger in Liechtenstein nur mit Bewilligung der Regierung vorgenommen werden dürfen


Amtsvermerk, gez. Regierungschef Josef Hoop und Regierungssekretär Ferdinand Nigg [1]

o.D. (vermutlich Oktober 1935)

Amtsvermerk

Die neue deutsche Judengesetzgebung, die den deutschen Reichsangehörigen arischen Blutes die Heirat mit Nichtariern auch ausserhalb der deutschen Reichsgrenzen verbietet, und diese Ehen als nichtig erklärt, lässt es als geraten erscheinen, in Zukunft für die Eheschliessung Deutscher im Fürstentum besondere Vorsichtsmassregeln zu treffen. [2] Vorgeschlagen wird ein Erlass folgenden Inhaltes an alle Pfarrämter:

Entwurf. An alle hochw. Pfarrämter!

Im Deutschen Reiche sind in letzter Zeit neue Vorschriften für die Eheschliessungen deutscher Reichsangehöriger in und ausserhalb Deutschlands erschienen. Um allen Misständen vorzubeugen, verfügt die fürstliche Regierung hiemit, dass in Zukunft Trauungen deutscher Reichsangehöriger (männliche u. weibliche) im Fürstentum Liechtenstein nur mehr mit besonderer Bewilligung der fürstlichen Regierung vorgenommen werden dürfen. Brautleute, die sich bei den hochwürdigen Pfarrämtern zur Eheschliessung anmelden, sind an die fürstliche Regierung zu verweisen. Vor Vorliegen der Zustimmung der Regierung darf keine Trauung deutscher Reichsangehöriger mehr vorgenommen werden. Die Regierung wird in jedem einzelnen Falle ein Ehefähigkeitszeugnis der zuständigen Deutschen Reichsbehörden einholen und prüft, ob durch die Eheschliessung nicht Konflikte mit den deutschen Reichsgesetzen erwachsen.

Wir bitten zur Vermeidung jeglicher Schwierigkeiten diese Anweisung genau zu beachten. [3]

Hochachtungsvoll 

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[1] LI LA RF 155/391/001/004. Hintergrund dieses Dokumentes war der Erlass der Nürnberger Gesetze vom 15.9-1935. Das Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre verbot in Art. 1 Eheschliessungen zwischen Juden und Staatsangehörigen deutschen oder artsverwandten Blutes. Trotzdem geschlossene Ehen waren nichtig, auch wenn sie zur Umgehung dieses Gesetzes im Ausland geschlossen worden waren (RGBl. I S. 1146).
[2] Diese Thematik wurde gemäss Amtsvermerk vom 3.10.1935 zwischen Regierungsrat Peter Büchel und dem deutschen Generalkonsul Dr. Hermann Voigt besprochen (LI LA RF 155/391/001/004). Nach Auffassung Voigts waren nur jene im Ausland zwischen Juden und Nichtjuden geschlossenen Ehen nichtig, die zwecks Umgehung des deutschen Gesetzes eingegangen worden waren. Eheschliessungen von lange in Liechtenstein wohnhaften Personen stünden mit dem deutschen Gesetz nicht in Widerspruch. Büchel vereinbarte mit dem Generalkonsul, die Fälle der Eheschliessung von deutschen Staatsbürgern in Liechtenstein dem Generalkonsulat in Zürich vorzulegen.
[3] Es blieb offenbar bei diesem Entwurf. Ehen zwischen Personen christlichen und nichtchristlichen Glaubens waren in Liechtenstein ohnedies nicht erlaubt.