Franz Weis bittet um Begnadigung von Peter Rheinberger


Handschriftliches Schreiben von Franz Weis an Kabinettsdirektor Josef Martin [1]

13.6.1933, Schloss Gutenberg, Balzers

Sehr geehrter Herr Kabinetsdirektor!

Meine ergebenste Hochachtung zuvor. Vielleicht können sich sehr verehrter Herr Kabinettsdirektor noch erinnern anlässlich meines Besuches im Monate April l.J. [2] Ich gestatte mir nun heute, an Herrn Kabinetsdirektor meine damalige Bitte schriftlich zu wiederholen und füge gleichzeitig das Gnadengesuch der Familie Rheinberger bei. [3]

Sehr geehrter Herr Kabinetsdirektor! Wir bitten um Ihren wohlwollenden Einfluss bei Seiner Durchlaucht, dem hochverehrten Herrn Landesfürsten [Franz I.] und aber auch insbesonders bei Ihrer Durchlaucht der verehrter Landesfürstin [Elsa], dass

Gnade vor Recht

für den - Benjamin - der bedauerlichen Rotteraffäre - nämlich für den minderjährigen Sohne - Peter Rheinberger - walten gelassen wird.

Jugendlicher Unverstand, das Beisammensein im Auslande mit reaktionären Menschen und nicht zuletzt aber auch die Überredungskünste des eigentlichen Hauptschuldigen - Architekt Röckl [Franz Roeckle] - haben Peter Rheinberger zu der unüberlegten Tat verleiten lassen.

Vater [Egon Rheinberger] und Mutter [Maria, geb. Schädler] des Peter Rheinberger leiden seelisch so schwer, dass Schlimmes zu befürchten ist.

Herr und Frau Rheinberger appelieren daher an das Fürstenhaus und bitten den sehr verehrten Herrn Fürsten sowie die geehrte Frau Fürstin, Ihrer wohlwollenden Worte anlässlich eines Besuchs zu Schloss Gutenberg gütigst zu erinnern.

Die Angehörigen des minderjährigen und verführten Peter Rheinberger haben mit dem Rotter-Fall nichts gemein, leiden aber am meisten. Möge der hochverehrte Herr Landesfürst eine weitere Schande der so schwer geprüften Familie Rheinberger ersparen und in einer gütigen und wohlwollenden Nachsicht für den - Benjamin - Gnade vor Recht walten lassen.

In diesem Sinne bitte ich Sie, sehr geehrter Herr Kabinetsdirektor, Ihren Einfluss wohlwollend der Bitte Rheinbergers stattzugeben

und verbleibe

mit dem Ausdrucke

meiner besonderen

Hochachtung und Verehrung

Ihr sehr ergebener

in Vertretung von über 700 gesammelter Unterschriften amtlich beglaubigter stimmberechtigter Bürger Liechtensteins für einen Gnadenakt. [4]

 

 

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[1] LI LA J 007/S 066/043 (b).
[2] Handschriftliche Randbemerkung: "Kann mich nicht erinnern. 17.VI.33. J. Martin".
[3] LI LA J 007/S 066/043, Gnadengesuch von Egon und Maria Rheinberger für Peter Rheinberger, 23.7.1933. Das Gnadengesuch wurde zusammen mit dem Schreiben von Weis am 20.6.1933 von der Kabinettskanzlei an das Landgericht weitergeleitet.
[4]  Ende Mai 1933 wurde eine Unterschriftenaktion zugunsten der vier angeklagten Liechtensteiner Rotterentführer initiiert. Am 1.6.1933 erschien in den "Liechtensteiner Nachrichten" ein "Eingesandt", das alle Stimmberechtigten dazu aufrief, "sich zu unterschreiben, damit Gnade für Recht an diesen sonst unbescholtenen Bürgern ergeht" (L.Na., Nr. 62, 1.6.1933, S. 2).