Die Volksdeutsche Bewegung verlangt die sofortige Umsetzung ihrer Forderungen


Schreiben der Volksdeutschen Bewegung an die Regierung, ungez. [1]

o.D. (nach 19.12.1940)

In einem Schreiben des Herr Landtagspräsidenten [Anton Frommelt] vom 19. Dez. 40 wird der Standpunkt des Landtages bezüglich der Forderungen der Volksdeutschen Bewegung dahin festgelegt, dass der ganze Fragenkomplex an die Regierung zum Studium und zu den nötigen Vorarbeiten überwiesen wird. [2]

Da wir einerseits unsere Sofortforderungen als dringende Notwendigkeit ansehen und andererseits auch der Stimmung breitester Volkskreise Rechnung tragen wollen, möchten wir die Regierung auch heute noch einmals mündlich mit allem Ernste ersuchen, unsere Forderungen sofort in Beratung zu ziehen.

Die Volksdeutsche Bewegung stellt zunächst fest, dass es ihr mit Erfolg gelungen ist, für Ruhe und Ordnung sich einzusetzen und wenn Störungen vorkamen, so war die Ursache bei einigen verantwortungslosen, ja verbrecherischen Elementen der Gegenseite (Vaduz, Schaan, Ruggell). Selbstverständlich wird auch in Zukunft die Zeitung der Bewegung dafür Sorgen, dass in ihren Reihen vollste Disziplin herrschen wird. Gerade aus den Bemühungen für Ruhe und Ordnung aber sieht sich die Volksdeutsche Bewegung veranlasst, auf die sehr gereizte Stimmung weitester Volkskreise hinzuweisen, die eine Verschleppung unserer dringenden Forderungen durch die Behörden befürchten. Wir können und müssen feststellen, dass hinter der Leitung der Volksdeutschen Bewegung an Mitgliedern und Anhängern wohl ein Drittel der Bevölkerung unmittelbar stehen. Es kann der Beweis jederzeit sei es durch Volksabstimmung, sei es an Hand der parteiamtlichen Ausweise geliefert werden.

Unserer Sofortforderungen, die aber nicht etwas unser Programm als solches darstellen, wie fälschlich behauptet wurde, haben auch in der ganzen Bevölkerung ein lebhaftes Echo ausgelöst.

Wir laden die Behörde ein, sich sowohl von der Nervosität in weiten Kreisen und der Aufnahme unserer Sofortforderungen in dem Lande zu überzeugen. Wir fühlen uns verpflichtet, die Regierung auf eventuell ernste Folgen, die aus einer Vernachlässigung unserer Wünsche entstehen könnten, aufmerksam zu machen, wobei wir aber feststellen, dass wir unsererseits das Mögliche tun werden, um im Interesse des Landes eine ruhige Entwicklung zu haben.

Wir sind aber auch heute mehr denn zuvor von einem gewissen Vertrauen beseelt, dass unsere Forderungen gehört werden. Hat doch der Herr Regierungschef [Josef Hoop] auch im Auslande vor offizieller Vertretung sich eindeutig auf den Boden des Volkstums gestellt und vor allem auch jenem bisher verbreiteten Märchen, der Fürst [Franz Josef II.] sei gegen das Deutsche Reich eingestellt, ein jähes und gründliches Ende bereitet. [3] Wir sind überzeugt, dass die Ausführungen des Herr Regierungschef, die er im Namen des Landes und unserer Bevölkerung machten, einen tiefen und nachhaltigen Eindruck auf gewisse bisher unbelehrbare Kreise in unserm Lande machen werden.

Andererseits verhehlen wir auch nicht, dass ein ebensolches Misstrauen in der Bevölkerung gegen die Behörden, vorab gegen die Regierung vorhanden ist, weil bisher geradezu selbstverständliche Forderungen für unser Volkstum und eine gerechte sozialistische Ordnung nicht gehört wurden.

Noch klafft ein tiefer Graben zwischen den offiziellen Erklärungen unserer Behörden und ihren Massnahmen. Das Volk denkt aber geradlinig und will auch eine geradlinige Politik.

Unsere Forderungen sind vielseitig, nichtsdestoweniger aber dringend notwendig.

Wir wollen uns aber heute darauf beschränken, nur die Durchführung derjenigen Forderungen zu verlangen, die ohne grosse Vorberatungen in die Tat umgesetzt werden können.

Wir fordern mit allem Nachdruck die sofortige Durchführung unserer kulturellen Forderungen.

Sie erfordern keine vermehrte Ausgaben für den Staat, sondern lediglich ein freies Bekenntnis zum Deutschtum.

Ebenso dringend erscheinen uns weitere Massnahmen auf dem Sozial- und Gesundheitsgebiete. Vor allem fordern wir die sofortige Anstellung unserer stellenlosen Junglehrer. Mit welcher Verbitterung müssen sie zusehen, wie ihnen unverheiratete Ausländerinnen das Brot wegnehmen. Ohne Entlassung der Ausländerinnen haben sie aber überhaupt auf viele Jahre, ja fast ein Jahrzehnt hinaus keine Aussicht auf Anstellung. Gleichzeitig aber macht man ihnen von der Schulbehörde Vorschriften. Wir fordern ebenso dringend die Handhabung der vorhanden Sozialgesetze.

Wir fordern die sofortige Einführung des Arbeitsbuches und ernster Bemühungen der Regierung zur Bewilligung von Devisen aus dem Reiche, damit wäre unsere ganze Arbeitslosenfrage geregelt.

Wir fordern sofort, dass endlich der Arbeitsdienst eingeführt wird.

Wir fordern eine gesetzliche Regelung des Zahlungstermines.

Die Volksdeutsche Bewegung fordert nichts für sich, sie fordert lediglich für das ganze Volk.

In tiefer Liebe zu unserer Heimat und unserer deutschen Bevölkerung und nach dem Vorbilde unseres Gesamtvolkes wollen wir unsere ganze Kraft für eine glückliche und wahrhaft im Volkstum und der neuen sozialistischen Ordnung fussende Zukunft unserer engern Heimat einsetzen.

Hochachtungsvoll

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[1] LI LA RF 202/260/002/005-007.
[2] LI LA RF 202/260/002/004. Die Volksdeutsche Bewegung stellte im Umbruch, Nr. 11, 14.12.1940, S. 1-5 ("Wir stehen vor der Entscheidung") umfangreiche Forderungen zur Umgestaltung Liechtensteins.
[3] Gemeint ist die "Stuttgarter Rede" von Hoop, ein am 12.12.1940 gehaltener Vortrag im dortigen Auslands-Club (L.Vo., Nr. 146, 24.12.1940, S. 2 ("Das Fürstentum Liechtenstein")).