Die liechtensteinische Gesandtschaft in Bern fragt bei der Regierung an, ob am Redeverbot für Johannes Ude festgehalten werden soll


Schreiben (vertraulich) des liechtensteinischen Geschäftsträgers in Bern, Emil Beck, an die Regierung [1]

11.11.1932, Bern

Wie ich Ihnen mitteilte, ist die Ude-Angelegenheit noch nicht zur Ruhe gekommen. [2] Prof. [Johannes] Ude hat nun das Gesuch gestellt, auch in Buchs einen Vortrag halten zu dürfen. Und es sind von mehreren Schweizern Beschwerden eingegangen, welche sich auf Art. 4 der Bundesverfassung stützen mit der Behauptung, sie hätten so gut wie alle anderen Schweizer das Recht, die Redner zu hören. [3] Das Justiz- und Polizeidepartement hat bisher mit Rücksicht auf uns nicht zugestimmt. Es ist aber möglich, dass die Frage vor den Bundesrat gebracht wird, und es kann nicht zum voraus gesagt werden, wie dieser entscheiden wird.

Ich bin nun inoffiziell gefragt worden, ob wir noch ein wesentliches Interesse daran hätten, dass Ude in Buchs nicht spricht. Verschiedene Beschwerdeführer haben behauptet, die Regierung in Vaduz habe gesagt, das Verbot sei nur als ein vorübergehendes zu betrachten. Wenn das der Fall wäre, oder wenn unsererseits künftig auf das Redeverbot verzichtet würde, so sollte in erster Linie das Justiz- und Polizeidepartement benachrichtigt werden. Denn es würde in eine schiefe Stellung kommen, wenn es mit Rücksicht auf uns am Verbot festhalten würde, nachdem wir es längst hätten fallen lassen.

Diese Angelegenheit bereitet dem Justiz- und Polizeidepartement ziemlich viel Unannehmlichkeiten, sodass es ihm am liebsten wäre, wenn wir uns mit einem Vortrag in Buchs einverstanden erklären würde. Der betreffende Beamte erklärte, keinen Auftrag zu habe und nur ganz persönlich zu sprechen. Ich glaube aber, es wäre doch wünschenswert, wenn wir Herrn Bundesrat [Heinrich] Häberlin weitere Schwierigkeiten in dieser Sache ersparen könnten. Es ist für uns namentlich mit Rücksicht auf die Schweiz wichtig, dieses Departement, dem die Fremdenpolizei untersteht, nicht vor den Kopf zu stossen. Jedenfalls bitte ich um rechtzeitige Mitteilung, falls wir kein Interesse mehr daran haben, dass Ude in den Schweiz nicht spricht.

P.S. Inzwischen habe ich dem Justiz- und Polizeidepartement mitgeteilt, dass es unsererseits wünschenswert wäre, wenn Ude wenigstens nicht in nächster Zeit an der Grenze sprechen wollte. Ich habe nun erfahren, dass das Gesuch betreffende Graz abschlägig beschieden worden ist, womit diese Angelegenheit vorderhand erledigt sein dürfte.

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[1] LI LA RF 129/247/026. Ein weiteres Exemplar unter LI LA V 002/381. Auf der Rückseite ein handschriftlicher Vermerk von Regierungschef Josef Hoop: "teleph. erledigt einstweilen a.a. 14.XI.32".
[2] Vgl. das Schreiben von Beck an die Regierung vom 7.10.1932 (LI LA RF 129/247/019r; LI LA V 002/381).
[3] Art. 4 der Bundesverfassung von 1874 hält fest: "Alle Schweizer sind vor dem Gesetze gleich. Es gibt in der Schweiz keine Untertanenverhältnisse, keine Vorrechte des Orts, der Geburt, der Familien oder Personen."