Regierungschef Josef Hoop interveniert bei William Kenmore gegen die Beschäftigung von Juden beim liechtensteinischen Radiosender


Schreiben von Regierungschef Josef Hoop an Willy Kahnheimer (William Kenmore), Direktor der Firma Roditi International Corporation Ltd., London, ungez. [1]

8.11.1938

Sehr geehrter Herr Direktor

Für die freundliche Aufnahme in Paris danke ich Ihnen auf das Verbindlichste. Wir werden nun unverzüglich daran gehen, im Sinne unserer Besprechungen das Zusatzabkommen [2] und die Änderungen in der Konzessionsurkunde zu erreichen.

Nachdem ich erneut bei den Pariser Besprechungen [3] Ihre volle Sachkunde kennen gelernt habe und weiss, dass Sie in den obschwebenden Fragen das durchaus richtige Empfinden haben, gestatte ich mir, in einer anderen Angelegenheit an Sie vertraulich heranzutreten, im Bewusstsein, dass Sie es mir nicht übel auslegen werden.

Bei den Verhandlungen mit der Schweiz sind wir immer wieder darauf gestossen, dass die deutschen Behörden die Errichtung eines Radiosenders in Liechtenstein nicht haben wollen, weil sie Propaganda befürchten, die gegen Deutschland gerichtet ist. Von unserem Mittelsmann zwischen den deutschen Ministerien und uns habe ich kürzlich einen Brief erhalten, in dem die Verwendung von Ing. [Franz] Ehrenhaft bei der Liechtensteinischen Rundfunk-Aktiengesellschaft in Deutschland als durchaus unzweckmässig, fast unerträglich und unseren Interessen als abträglich bezeichnet wird. [4] Ich habe den Brief seinerzeit Dr. [Ludwig] Marxer auch gezeigt, glaubte aber der Angelegenheit einstweilen keine weitere Folge geben zu sollen. Nun macht mich Dr. [Friedrich] Ritter darauf aufmerksam, dass gegenwärtig im Auftrage von Ing. Ehrenhaft verschiedene jüdische Emigranten im Sender teils beschäftigt werden, teils sonst sich ohne Grund darin herumtreiben. Er nannte mir die Namen Porges, Schetter, der Sonntag abends auch angesagt habe und Hochstädt. Dr. Marxer hat dies zwar sofort abgestoppt und ich nehme an, dass damit der Fall erledigt ist. Andererseits hat mir Dr. Ritter gesagt, dass er von Ihnen im September oder Oktober schon einen Brief bekommen hätte, in welchem ausdrücklich bemerkt worden sei, auf die Empfindlichkeit unserer neuen Nachbarn Rücksicht zu nehmen, um nicht die Opposition Deutschlands gegen unser Radio wachzurufen, die damit begründet wird, es seien Feinde Deutschlands an diesem Sender heute schon am Werke.

Ich gestatte mir deshalb, Ihnen zur Überlegung anheimzustellen, ob nicht Dr. Ritter nochmals den Auftrag bekommen sollte, an Ihre Weisungen sich strengstens zu halten und andererseits Herr Ing. Ehrenhaft vielleicht durch jemand anders ersetzt würde, soferne ein Ersatz noch notwendig ist. Ich könnte mir nämlich ja auch vorstellen, dass nunmehr die Angelegenheit soweit gediehen ist, dass seine Anwesenheit nicht unbedingt mehr erforderlich ist. Auf telefonischem Wege und allenfalls mit einer Konferenz in längeren Zwischenräumen könnten die obschwebenden Fragen wohl ohne weiteres bereinigt werden. Bei Ehrenhaft scheint auch die tschechoslowakische Staatsangehörigkeit noch besonders ins Gewicht zu fallen.

Hinsichtlich der Programmgestaltung halte ich es für genügend, wenn Dr. Ritter bezw. Dr. Marxer mir die Programme mitteilt und allenfalls zur Durchsicht vorlegt. Wir haben in dieser Hinsicht doch das bessere Empfinden als Personen, die mit unseren Verhältnissen nicht vertraut sind.

Ein weiterer Missstand scheint mir im schlechten Zusammenarbeiten zwischen Schuhmann [Ludwig Emil Schumann] und Dr. Ritter zu liegen. Sie vertragen sich nicht, einer beklagt sich über den anderen, sie erzählen das wohl in Vaduz weiter und der Eindruck, der entsteht, ist ein ungünstiger. Die beste Voraussetzung für eine reibungslose Abwicklung wäre meiner Ansicht nach, dass auch Schuhmann, wenn er nicht mehr benötigt wird, seinen Posten verlässt, Dr. Ritter unter die Kontrolle der Regierung und ihres Vertreters, Herrn Justizrat Dr. Marxer, gestellt und die Verhandlungen mit Ihnen auf schriftlichem, telefonischen oder fallweise konferenziellen Wege weitergeführt würden. Dann sind von Deutschland keine Einwände mehr wegen Beschäftigung von Juden zu erwarten, im Lande selber ein eindeutiges Verhältnis geschaffen und mit Dr. Ritter werden Dr. Marxer und ich durchaus ins Reine kommen.

Ich bitte Sie, sehr geehrter Herr Direktor, zu verzeihen, wenn ich in aller Offenheit diese Frage aufgeworfen habe, die aber im Interesse unserer grösseren Pläne durchaus abgeklärt werden muss. Der Umstand, dass sich in Liechtenstein eine erhebliche Anzahl nicht-arischer Emigranten angesiedelt haben, lässt es klug erscheinen, in öffentlichen Unternehmungen, als welche ich Ihren Sender bezeichnen möchte, jeden Gegenstand der Kritik auszuschalten. Ich möchte allerdings die Empfindlichkeiten der vorgenannten Personen alle schonen, da ich sie persönlich als anständige und einwandfreie Personen kennen gelernt habe, und wäre Ihnen deshalb zu besonderem Danke verpflichtet, wenn Sie von sich aus das Ihnen Gutscheinende vorkehren würden.

Ich wiederhole nur noch einmal, dass meine Vorschläge der Absicht entspringen, unsere grösseren Pläne restlos und rascher zur Durchführung zu bringen.

Genehmigen Sie, sehr geehrter Herr Direktor, die Versicherung meiner vorzüglichsten Hochachtung und Wertschätzung. 

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[1] LI LA RF 166/073/008/047.
[2] Es handelt sich um das geplante Zusatzabkommen zum schweizerisch-liechtensteinischen Postvertrag von 1920 (LGBl. 1922 Nr. 8), vgl. hiezu etwa LI LA RF 166/073/008/040.
[3] Zur Pariser Besprechung mit den Radiointeressenten vom 6. und 7.11.1938 vgl. den Amtsvermerk von Hoop vom 9.11.1938 (LI LA RF 166/073/008/048).
[4] Schreiben von Hermann E. Sieger an Hoop vom 1.10.1938 (LI LA RF 166/073/008/024).