Die Schweiz lehnt die Unterbringung der in Liechtenstein wohnhaften Juden in der Westschweiz im Fall der Evakuierung des Fürstentums ab


Note der Polizeiabteilung des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements an Regierungschef Josef Hoop, gez. Polizeichef Heinrich Rothmund [1]

1.7.1940, Bern

Herr Regierungschef,

wir beehren uns, zurückzukommen auf Ihr Schreiben vom 31. Mai d. J., mit dem Sie die eidgenössische Fremdenpolizei anfragen, ob die im Fürstentum wohnhaften Juden im Falle einer Evakuation gesamthaft in einem Hotel in der Westschweiz untergebracht werden könnten. [2]

Nachdem der Bundesrat am 17. Mai 1940 einen Beschluss über die Änderung der fremdenpolizeilichen Regelung gefasst hat, nach dessen Art. 1 Ausländern die freiwillige Abwanderung in einen andern Landesteil sehr erschwert wird, und nachdem sich überhaupt mehr und mehr die Auffassung durchsetzt, die Behörden müssten aus militärischen Gründen jede Evakuation unterbinden mit Ausnahme derjenigen der ausgesprochenen Operationsgebiete (vgl. den kürzlichen Erlass des Generals), müsste es uns schwer fallen, Ihre Anfrage einer eingehenden Prüfung zu unterziehen und mit dem einen oder andern Kanton Fühlung zu nehmen. Die Westschweiz und der Kanton Fühlung zu nehmen. Die Westschweiz und der Kanton Bern sind ausserdem jetzt mit Internierten und Zivilflüchtlingen aus Frankreich schon stark belastet. Da sich im übrigen die internationale Lage in letzter Zeit vollständig verändert hat, nehmen wir - falls wir keinen andern Bescheid von Ihnen erhalten - an, dass Ihre Zuschrift als überholt und erledigt betrachtet werden darf. [3]

Genehmigen Sie, Herr Regierungschef, die Versicherung unserer vorzüglichen Hochachtung.

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[1] LI LA RF 199/165/003r. Aktenzeichen: E.11/15 & B.15.51.J. Dr.H/S.
[2] LI LA RF 199/165/002.
[3] Siehe das Antwortschreiben der Regierung vom 7.7.1940 (LI LA RF 199/165/003v). Angespielt wird auf die Niederlage Frankreichs im deutschen Westfeldzug (Waffenstillstand vom 25.6.1940).