Der jüdische Emigrant Max Friesländer, zur Zeit in Liechtenstein, ersucht beim Justizdepartement in Bern um ein Visum für die Westschweiz für sich und seine Frau Flora


Schreiben (Chargé Exprès) von Max Friesländer an die Polizeiabteilung des Eidgenössischen Justizdepartements in Bern, nicht gez. [1]

17.5.1940, Schaan

Ich bin jüdischer Emigrant, 1934 von Deutschland nach Italien ausgewandert und infolge der auch in Italien erlassenen Rassegesetze von dort im März vorigen Jahres emigriert. Ich habe mit meiner Frau und meinen beiden Kindern im Fürstentum Liechtenstein eine Zuflucht gefunden, um von hier aus meine Emigration nach Übersee einzuleiten.

Ich habe also vor ca. Jahresfrist ein Kapitalisten-Zertifikat für Palästina beantragt. Meinem Antrag wird, wie Sie aus Absatz 2 des beigeschlossenen Originalschreibens [2] der Regierung von Palästina ersehen wollen, entsprochen werden, dies sogar unmittelbar, denn inzwischen ist, wie Ihnen wahrscheinlich bekannt ist, „die weitere Einwanderungsquote", unter der ich Berücksichtigung finde, genehmigt und bekannt gegeben worden. Meine beiden Kinder sind bereits im Oktober vorigen Jahres auf Kinder-Zertifikate (solche waren noch aus alter Quote verfügbar) in Palästina eingewandert. Das Zertifikat für mich und meine Frau muss also in aller Kürze in unseren Besitz kommen.

Mich darüber auszulassen, was mich den Antrag stellen lässt, den Empfang des Zertifikates für meine Frau und mich nicht in Liechtenstein abwarten zu müssen - in so unmittelbarer Nähe der deutschen Grenze -, sondern irgendwo in der Schweiz - möglichst am Genfersee oder sonstwo wo Sie es verlangen -, dürfte sich wohl erübrigen, da ihnen die z. Zt. herrschende Unruhe unter uns jüdischen Emigranten im Fürstentum Liechtenstein ja nicht unbekannt sein wird. Für meine Frau und mich kommt ausserdem aber noch hinzu, dass das erwartete Zertifikat, welches uns wieder mit unseren Kindern vereinigen soll, nur dann Gültigkeit hat, wenn der Empfänger nicht in Deutschland oder von diesem besetzten Gebieten Aufenthalt hat.

Folgendes sind die Daten unserer deutschen Reisepässe:

Name: Max (Israel) Friesländer, Flora (Sara) Friesländer

Reisepass Nr.: 185/38, 186/38

Ausstellungsdatum: bei beiden der 14.VII.38, Dt. Konsulat Triest

Verlängerung: bei beiden vorgenommen vom Dt. Generalkonsulat in Zürich am 26. Januar 1940,

Gültigkeit: bei beiden Pässen bis 26. Januar 1941

Ich wäre Ihnen sehr verbunden und dankbar, wenn man uns allerschnellstens, gegebenenfalls telegrafisch (auf meine Kosten), das Visum nach einem Ort der Westschweiz erteilen würde. Ich rechne und baue auf Ihre Menschlichkeit.

Mit vorzüglicher Hochachtung

Anlage: Schreiben des "Government of Palestine" [3] vom 18. November v. J. und ein Freikuvert für dessen Rücksendung nach Einsichtnahme

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[1] LI LA RF 199/049/001. Die Angelegenheit wurde von Regierungschef Josef Hoop am 20. Mai 1940 ad acta gelegt. Wie sich aus verschiedenen Regierungsakten ergibt, u.a. aus LI LA RF 212/466 (1942) oder LI LA RF 219/272 (1943), hielt sich Max Friesländer während des Krieges weiter in Liechtenstein auf.
[2] Diese Beilage findet sich nicht in der Akte.
[3] Siehe FN 2.