David Sele teilt der Regierung mit, dass sein Sohn mit seinem Einverständnis an Übungen der Volksdeutschen Jugend teilnimmt


Handschriftliches Schreiben von David Sele an die Regierung [1]

4.10.1941, Vaduz

Hohe fürstliche Regierung

Laut polizeilichen Erhebungen wurde festgestellt, dass mein Sohn sich am 19. Sept. noch auf der Strasse befand u. Lärm gemacht haben soll, [2] was der Lärm anbelangt vor 9 Uhr Abends, kann nach meiner Ansicht nicht der Anlass zu dieser Mahnung sein. Was die nationalsozialistischen Allüren anbelangt, so geschehen sie in meinem vollen Einverständniss, sollten diese Allüren gewissen Emigranten u. Juden u. Judendiener so an den Nerven zehren, so möchte ich diesen Herren anraten sich dorthin zu wenden, wo sich der gröste Teil dieser Sorte schon befindet. Ich für meine Person sehe es auch nicht gerne, wenn die Jugend spät abends noch auf der Strasse planlos herumfegt, aber in meinem Falle waren sie unter Aufsicht u. in nationalsozialistischem Sinne tätig. Zum Beispiel gestern Abend waren zwischen Schaan u. Nendeln auch welche tätig, aber ich denke in anderem Sinn, denn sie gehörten ja dem internationalen Pfadfinderkorps an, welche ja für sich den Anspruch erheben, allein vaterländisch zu sein.

Gebt der Volksdeutschen Jugend Bewilligung u. Gelegenheit, dass sie ihre Übungen tags bei Liechtensteinischem Sonnenschein abhalten können, dann bin ich der erste, welcher diese den Emigranten so beliebte Tätikeit bei anbrechender Dunkelheit einstellt.

Deutsch voran

 

 

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[1] LI LA RF 207/048/003. Das Schreiben wurde von Regierungschefstellvertreter Alois Vogt und Regierungschef Josef Hoop zur Kenntnis genommen und anschliessend ad acta gelegt.
[2] Die Polizei war einer Beschwerde von Ernst Sommerlad nachgegangen, dass die Volksdeutsche Jugend im Villenviertel von Vaduz Marschierübungen durchführe, die "als Nachtlärm empfunden werden", und das Lied "Adolf Hitler ist unser Führer" singe. Nachdem Wachtmeister Josef Brunhart am 19.9.1941 die Namen von zehn Burschen im Alter von 10-19 Jahren feststellen konnte, erteilte die Regierung mit Schreiben vom 2.10.1941 deren Vätern eine Verwarnung (LI LA RF 207/048/001, 002).