Steuerkommissär Ludwig Hasler drängt auf den Abschluss eines Doppelbesteuerungsabkommens mit Deutschland


Schreiben der Steuerverwaltung, gez. Ludwig Hasler, an die Regierung [1]

19.4.1934

Doppelbesteurung

Die Sorge um die Erhaltung der Einnahmen aus den hier domizilierten Gesellschaften wächst von Tag zu Tag, da auch die Schwierigkeiten immer mehr und mehr werden. Wir hatten die letzten Tage Vertreter verschiedener hier domizilierter Gesellschaften hier, die uns darauf hinwiesen, dass sie allenfalls gezwungen würden, ihre Gesellschaften hier aufzulösen. Die Hauptfrage bei den Unterhandlungen und Beruhigungsversuche dieser Leute ist immer die, warum ist Liechtenstein nicht mitaufgenommen worden in den Doppelbesteurungsvertrag zwischen Schweiz und Deutschland [2] und dann, besteht Aussicht, dass ein eigener Vertrag in der nächsten Zeit abgeschlossen werden kann. Wir sollten in dieser Hinsicht Erklärungen abgeben, müssten aber als Grundlage hiefür Ihre Mitteilung betr. dem Übereinkommen haben.

Sollte es nicht möglich sein, den Vertrag in der nächsten Zeit zu erhalten, so muss mit allem Nachdruck hingearbeitet werden, dass das Übereinkommen im Laufe des Sommers perfekt wird. Wenn nicht, so verlieren wir eine grosse Anzahl gerade gesunder Unternehmungen und unsere Bilanz wird dadurch bedeutend verschlechtert. [3]

Sehr hemmend wirkt heute auf unser Gründungsgeschäft auch, dass wir nicht aufgenommen wurden in die Vereinbarung zwischen der Schweiz und Deutschland betr. Zinsvergütungen (Skrips). [4]

Zwei sehr bedeutende Männer, die auch sehr grosse Kapitalien hier vertreten, haben uns letzthin besucht und haben insbesondere auf den leidlichen politischen Streit in unserem Lande hingewiesen, der bei der grossen internationalen Finanzwelt, die sich mit dem Gründungsgeschäfte abgibt, ohne weiters zur Vorsicht mahnen müsse und insbesondere die Rechtsbeständigkeit in Frage stelle. Wir geben selbstverständlich diesen Vertretern, die sich aber um die Vorgänge im Lande sehr interessieren und vielfach gut informiert sind, beruhigende Erklärungen ab.

Wir hoffen bez. der Punkte 1 und 2 von Ihnen Mitteilungen erhalten zu können und zeichnen hochachtungsvoll

Nachtrag: Hemmend auf die Herbeiziehung von fremden Kapital wirke schon das Wort Krisis und Krisensteuer, so mussten wir bei verschiedenen Gesellschaften hören und in diesem Sinne lauteten auch die letzten Tage die verschiedenen Telephonanfragen insbesondere aus Zürich, wo unser Gründungsgeschäft insbesondere verankert ist. Es wird sich für uns als notwendig erweisen, ein paar Hauptzentren in Zürich, die sich hauptsächlich mit liechtensteinischen Sachen befassen, nächstens zu besuchen und entsprechend aufzuklären. Wegen Einführung der schw. Krisensteuer wird auch die Meldung der eidg. Steuerverwaltung an die für diese Steuer berufenen Erhebungsorgane über liechtenst. Geschäfte etz. vermutet und nicht mit Unrecht.

Bei unserer letzten Besprechung mit Herrn Vicedirektor [Paul] Amstutz am Dienstag d. Woche haben wir auch diesen Punkt gestreift. Herr Amstutz erklärte, dass ihn sein Gewissen wahrscheinlich zwingen würde, die durch das liechtenst. Geschäft wahrgenommenen Umstände im Interesse der Schweiz zu verwerten. Der Gefertigte hat selbverständlich dagegen protestiert und erklärt, dass bisher schweizerischerseits eine andere Ansicht bestand und dies auch dem Sinne des Übereinkommens entspreche. Liechtenstein müsste sich in dieser Frage weitere Schritte vorbehalten.

Wenn die Durchführung der Krisensteuer unsern Vermutungen recht gibt, so müssten wir uns gegen eine derartige Ausnützung wehren. Wir haben auch in diesen Punkten in nächster Zeit Besprechungen und werden die Interessenten dann ersuchen, uns jeweilen Mitteilung zu machen.

Hochachtungsvoll

 

 

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[1] LI LA RF 129/091/016. Auf der Rückseite des Schreibens ein stenographischer Vermerk, verm. von Anton Frommelt: "Bekanntgabe der Aufsichtsräte: ... [Wort unleserlich] widerspricht den Abmachungen der Conferenz" sowie ein maschinenschriftlicher Vermerk von Josef Hoop vom 6.6.1934: "Der Gefertigte hatte eine Besprechung mit dem Finanz- und Politischen Departement wegen Abschluss des Doppelbesteuerungsvertrages mit Deutschland. Es ist vereinbart, die im beigelegten Schreiben an die Steuerverwaltung gewünschte Abklärung vor Beginn weiterer Verhandlungen vorzunehmen", dazu der handschriftliche Vermerk: "Konferenz erl.". Die Regierung beantworte das Schreiben der Steuerverwaltung am 6.6.1934 (LI LA RF 129/091/023).
[2] Das Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Deutschen Reiche zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der direkten Steuern und der Erbschaftssteuern vom 15.7.1931, ratifiziert am 29.1.1934 (AS 1934, Bd. 50, S. 106-132).
[3] Ludwig Hasler warnte bereits seit August 1932, dass ein Nichtbeitritt zum Doppelbesteuerungsabkommen negative Folgen für den Finanzplatz habe (LI LA RF 129/091/001, 005, 006, RF 123/134/005, 007).
[4] Zwischen Deutschland und der Schweiz bestand seit dem 7.10.1933 ein Transferabkommen, das am 16.2.1934 verlängert wurde. In diesem Abkommen sagte Deutschland der Schweiz zu, die schweizerischen Zinsforderungen trotz des Transfermoratoriums vom 9.6.1933 weiterhin vollständig zu transferieren, sofern die dafür benötigten Devisen durch zusätzliche Exporte deutscher Waren in die Schweiz beschafft werden. Die übrigen Gläubiger konnten dagegen lediglich 75 % der Kapitalerträge transferieren (DDS, Bd. 10, Nr. 335, 339, Bd. 11, Nr. 46).