Albrecht Dieckhoff empfiehlt Liechtenstein den Beitritt zum Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Deutschland und der Schweiz


Schreiben von Albrecht Dieckhoff an die Regierung [1]

28.10.1931, Hamburg

Am 15. Juli 1931 ist zwischen der Eidgenossenschaft und dem Deutschen Reiche ein Doppelbesteuerungsvertrag geschlossen worden, [2] der demnächst ratifiziert werden soll. [3] Falls dieser Vertrag wirklich ratifiziert wird, würden sich mit Rücksicht auf Artikel 8, Abs. 4, und Artikel 7 des Vertrages für die Schweizer Familienstiftung ganz ausserordentliche Vorteile ergeben: [4] Praktisch könnte eine Familienstiftung, die ihren Sitz in der Schweiz hat, in Deutschland auch dann nicht besteuert werden, wenn der Ort der Leitung in Deutschland liegt, d.h. wenn z.B. der Hauptinteressent im reichsdeutschen Inlande ganz allein mit alleiniger Zeichnungsberechtigung die Geschäfte der Stiftung führt. Da gerade die meisten Interessenten sich daran stossen, dass sie nicht allein ohne weiteres ganz nach Belieben im reichsdeutschen Inlande mit dem Stiftungsvermögen schalten und walten können, würde dieser Vorteil für die Eidgenossenschaft einen kolossalen Vorsprung auf dem Gebiete der Familienstiftungen bedeuten. Es wäre daher sehr vorteilhaft für das Fürstentum, wenn es dem Fürstentum gelingen würde, diesem Doppelbesteuerungsabkommen beizutreten.

Der Text des Abkommens ist im Deutschen Reiche noch nicht veröffentlicht, wohl aber kann er gegen Voreinsendung von 60 Rappen bezogen werden bei:

Bureau des Schweizerischen Handelsamtsblattes, Bern, Effingerstr. 3.

Mit dem 26. Oktober 1931 ist nun die Steueramnestiefrist und die damit verbundenen Fristen für ausländische Familienstiftungen endgültig abgelaufen. Es würde mich interessieren, wieviel Stiftungen bisher vom Deutschen Reiche aus aufgelöst worden sind; man würde hieraus Rückschlüsse auf eine weitere Entwicklung des Liechtensteinischen Holdingwesens ziehen können. [5]

Ergebenst

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[1] LI LA RF 123/133/005.
[2] Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Deutschen Reiche zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der direkten Steuern und der Erbschaftssteuern, AS, 1934, Bd. 50, S. 106-132.
[3] Die Ratifizierung erfolgte erst am 29.1.1934.
[4] Art. 8, Abs. 4 lautete: "Im Sinne dieses Abkommens gilt als Wohnsitz juristischer Personen der Ort, wo sie ihren Sitz haben. Das gleiche gilt für Personenvereinigungen, Anstalten, Stiftungen und sonstige Vermögensmassen, die als solche der Besteuerung unterliegen." Dieser Absatz wurde vor der Ratifizierung durch das Zusatzprotokoll vom 11.1.1934 wie folgt geändert: "Bei Stiftungen und sonstigen Vermögensmassen gilt als Wohnsitz [...] der Ort der Leitung." Art. 7 lautete: "Vermögen und Einkünfte, die in den vorhergehenden Artikeln nicht bezeichnet worden sind, werden nur in dem Staate besteuert, in dem der Steuerpflichtige seinen Wohnsitz hat."
[5] Josef Hoop teilte Ludwig Marxer am 4.11.1931 als Antwort auf das Schreiben Dieckhoffs sowie ein Schreiben Marxers mit, "dass auf Grund der Notverordnungen sozusagen keine Gesellschaften abgewandert sind" (LI LA RF 123/133/006).