Die Regierung signalisiert Rodolfo Simonetta-Bracco Entgegenkommen bei der in Aussicht genommenen Industriegründung in Liechtenstein


Antwortschreiben der Regierung an Oberst A. Steiner, Zürich, gez. Regierungschef Josef Hoop [1]

16.4.1936

Sehr geehrter Herr Oberst!

Bezugnehmend auf Ihr geschätztes Schreiben vom 18. März 1936 [2] teile ich Ihnen Folgendes mit:

1.) Liechtensteinische Fertigwaren können ohne weiteres zollfrei in die Schweiz eingeführt werden. Bei der Gründung irgend einer grösseren Neu-Industrie pflegen wir indessen mit dem Schweizerischen Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit das Einvernehmen und im Falle, als durch die neue Industrie schweizerische Unternehmungen stark konkurrenziert würden, würden wir von der Erteilung einer Bewilligung Abstand nehmen.

2a) Der Bauplatz für eine Fabrik würde dem neuen Unternehmen wohl zu sehr günstigen Bedingungen abgetreten werden.

2b) Steuerfreiheit in der betreffenden Gemeinde durch fünf Jahre ist im Falle, als eine beträchtliche Anzahl (ca. 25) männliche Arbeitskräfte beschäftigt würden, durchaus wahrscheinlich.

2c) Desgleichen ist auch unter den in vorstehender lit. angeführten Bedingungen [3] eine Entlastung von der Staatssteuer wahrscheinlich.

2d) [4] Auch diese Frage würde sich in Herrn [Rodolfo] Simonetta [-Bracco] befriedigender Form lösen lassen.

Ich wollte die von Ihnen gestellten Fragen eigentlich in der vorgestern stattgefundenen Sitzung des Landtages [5] gelegentlich der Vorlage eines Ehrenbürgerrechtsgesuches der Gemeinde Eschen Herrn [Rodolfo] Simonetta[-Bracco] betreffend zur definitiven Abklärung vorlegen. Indessen habe ich vorgezogen, die Frage der Verleihung eines liechtensteinischen Gemeinde-Ehrenbürgerrechtes gegen eine Schenkung von 12'000 Fr. nicht vor das Forum des Landtages zu bringen, da keine Aussicht bestanden hätte, dass der Beschluss der Gemeinde Eschen [6] sanktioniert worden wäre.

Ich vermied deshalb auch, [7] die obenstehend beantworteten Fragen zur Diskussion zu stellen, kann Ihnen aber auf Grund mehrfacher Regierungsbeschlüsse und mehrfacher Wahrscheinlichkeit das von Herrn Simonetta gewünschte Entgegenkommen bei Industriegründung in Aussicht stellen.

Gerne in der Angelegenheit wieder hörend verbleibe ich

mit vorzüglicher Hochachtung

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[1] LI LA RF 160/163/014.
[2] Siehe die Anfrage von A. Steiner an die Regierung vom 18. März 1936 (LI LA RF 160/163/009).
[3] Handschriftliche Ergänzung: "Bedingungen".  
[4] Durchgestrichen: "Desgleichen".  
[5] Öffentliche und nichtöffentliche Landtagssitzung vom 15. April 1936 (LI LA LTP 1936/042 ff.). 
[6] Das Ehrenbürgerrecht der Gemeinde Eschen wurde Simonetta-Bracco am 29. März 1936 verliehen (siehe etwa LI LA RF 160/163/015).   
[7] Durchgestrichen: "für".