Rodolfo Simonetta-Bracco verhandelt mit der Regierung im Rahmen seines Einbürgerungsverfahrens über eine Industriegründung in Liechtenstein


Schreiben von Oberst A. Steiner an Regierungschef Josef Hoop [1]

18.3.1936, Zürich

Sehr geehrter Herr Regierungschef!

Höflich Bezug nehmend auf unsere Besprechung betreffend Neuindustrie im Fürstentum Liechtenstein durch meinen Klienten Herrn [Rodolfo] Simonetta [-Bracco] [2] kann ich Ihnen ergebendst mitteilen, dass Herr Simonetta mit grossem Interesse an diese Aufgabe herangegangen ist.

In seinem wie auch im Interesse der Arbeitsbeschaffung für die Bevölkerung Ihres Landes hat Herr Simonetta die Möglichkeiten genau studiert, welche sowohl für die Bedürfnisse Ihres Landes sowie für die sichere Existenzmöglichkeit des Unternehmens in Frage kommen.

Um einen raschen Entschluss zu erleichtern, wäre es zweckmässig, wenn Sie die Liebenswürdigkeit hätten, uns über folgende Punkte aufzuklären [3]:

1. Kann das Fürstentum Liechtenstein irgendwelche Neuindustrie aufnehmen, ohne dass die Schweiz. Regierung irgendwelche Einwände machen kann und können die in Liechtenstein fabrizierten Fertigwaren zollfrei in die Schweiz eingeführt werden?

2. Da Herr Simonetta mit dem Gedanken umgeht, im Fürstentum Liechtenstein eine Industrie zu schaffen (Schuh- oder Konserven- oder Cigarettenfabrik, ev. eine Brauerei), so wäre Herr Simonetta heute schon sehr gedient, wenn ihm folgende Zusicherungen gemacht würden:

a. Der Bauplatz der Fabrik sollte dem neuen Unternehmen zu ganz günstigen Bedingungen abgetreten werden.

b. Das Unternehmen sollte in der betreffenden Gemeinde Steuerfreiheit erhalten für die ersten fünf Jahre. Ein milder Steueransatz für die weitern Jahre sollte vereinbart werden.

c. Das Unternehmen sollte auch von der Staatssteuer bestmöglichst entlastet werden.

d. Nachdem eine bestimmte Industrie ausgewählt ist, hätte der Staat das Obligo zu übernehmen, keine andere gleichartige Industrie in Liechtenstein mehr zu erlauben, dies solange das neugegründete Unternehmen existiert und nicht mehr wie 10 % rentiert.

Die eindeutige Beantwortung und Begutachtung obgenannter Punkte durch Ihre Regierung, würden eine rasche Bearbeitung und Vollendung dieses Geschäftes sehr fördern.

Ihnen, sehr verehrter Herr Regierungschef, für eine rasche Rückäusserung zum Voraus bestens dankend, entbiete ich Ihnen die Versicherung

meiner vorzüglichen Hochachtung 

 

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[1] LI LA RF 160/163/009. Siehe das Antwortschreiben der Regierung an Oberst A. Steiner vom 16. April 1936 (LI LA RF 160/163/014).
[2] Der Landtag beschloss in der Konferenzsitzung vom 1. Dezember 1936, die endgültige Behandlung des Einbürgerungsgesuches von Simonetta bis zur Vorlage des gerichtlichen Scheidungsurteils zurückzustellen (LI LA LTP 1936/143). In der Konferenzsitzung vom 18. Dezember 1936 wurde das Einbürgerungsgesuch vom Landtag mehrheitlich abgelehnt (LI LA LTP 1936/149).
[3] Es finden sich die folgenden handschriftlichen Notizen: "Spielsachen, Bier, Conserven, chaussures".