Regierungschef Josef Hoop gibt Anregungen für Betriebs- bzw. Industriegründungen in Liechtenstein


Schreiben der Regierung an Rechtsagent Oswald Bühler in Mauren, gez. Regierungschef Josef Hoop [1]

27.10.1935

Unter Bezugnahme auf Ihre Vorsprache vom 24. Oktober gebe ich Ihnen nachstehend ein paar Anregungen zu Handen von Herrn Vontobel, wobei ich gerne zu weiteren mündlichen Besprechungen mich bereit erkläre. Als Industrie dürfte sich bei uns eignen:

1.) Die Erzeugung von Schuhwaren, vorab von Hausschuhen

Es werden jedes Jahr (Kinder eingeschlossen) eine sehr erhebliche Anzahl von Hausschuhen verwendet. Bis jetzt wurde wohl der ganze Bedarf, abgesehen von der durchaus unbedeutenden Selbstanfertigung in der Familie, aus dem Auslande eingeführt. Ich bin überzeugt, dass ein solcher Betrieb sich rentieren würde.

2.) Lederwaren

Abgesehen von der Handtäschchen-Erzeugung von Herrn Beck in Schaan wird der ganze Bedarf aus dem Ausland eingeführt. Es handelt sich um Schultäschchen, Aktentaschen, Markttaschen, Koffer usw. usw. Ich glaube, auch ein solches Betrieblein würde den Mann ernähren.

3.) Seifenerzeugung

Seifen und Waschmittel (Fettlaugenmehl) sind ein Massenartikel, an welchem die ausländischen Firmen in Liechtenstein nicht unbedeutend verdienen. Wenn das liechtensteinische Gewerbe in erster Linie liechtensteinische Produkte führen wird, wenn möglich nur liechtensteinische Produkte, würde vermutlich auch ein solcher Betrieb lebensfähig sein. Es scheint allerdings, dass ein solches Unternehmen nicht unbeträchtliche Investitionen vornehmen müsste, allein, da es sich um einen Massenartikel handelt, dürfte dies dankbar sein.

4.) Bürstenbinderwaren

Auch ein solches Gewerbe besteht bei uns nicht. Ein gewisser Kaiser, der sich in Schaanwald niedergelassen hat, dürfte kaum in Betracht fallen.

5.) Möbelerzeugung

Bei uns werden noch jedes Jahr massenhaft Möbel eingeführt. Ich habe zwar daran gedacht, dass bei genossenschaftlicher Reorganisierung des Schreinermeistergewerbes es möglich wäre, Genossenschaftslager zu halten. Die vereinigten Schreinermeister, vorausgesetzt, dass sie einigermassen konkurrenzfähig sind, könnten dann eine gewisse Auswahl halten und die Privaten wie die Möbelhändler im Lager eine Auswahl treffen. Alle Schreinermeister kommen jedoch kaum in Betracht und es liesse sich meiner Ansicht nach ohne weiteres verantworten, eine kleine Möbelfabrik, in welcher hiesige Schreiner Arbeit finden würden, zu konzessionieren.

Das sind ein paar Anregungen, die ich zu prüfen bitte. Zu mündlicher Besprechung bin, wie gesagt, gerne bereit.

Hochachtungsvoll

Fürstliche Regierung 

 

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[1] LI LA RF 155/172/014. Das Dokument entstand im Zusammenhang mit den Bemühungen von Oswald Bühler, Mauren, und Dr. Vontobel, St. Gallen, um die Gründung einer Konfektionsfabrik in Eschen (siehe LI LA RF 155/172/004 und LI LA RF 155/172/008).