Regierungschef Gustav Schädler löst im Auftrag des Landesfürsten den Landtag auf, da die Parteien keine Einigung über die Wahl der Regierungsräte erzielen können


Maschinenschriftliches Protokoll der öffentlichen Landtagssitzung, ungez. [1]

17.3.1926

Wahl des Landes-Ausschusses

Reg.Chef [Gustav Schädler]: Herr Präsident [Wilhelm Beck]! Meine Herren Abgeordneten!

Nach Art. 79 der Verfassung [2] hat der Landtag in seiner I. Sitzung die Wahl der Regierung, das ist zweier Reg.Räte und ihrer Stellvertreter, vorzunehmen. Nachdem die wiederholten Versuche, diese Wahl vorzunehmen, gescheitert sind, indem die Landtagssitzungen vom 1., 6. und 11. Feber und 15. März durch das Abtreten von 6 Abgeordneten beschlussunfähig wurden, [3] hat sich die frstl. Regierung veranlasst gesehen, Seiner Durchlaucht, dem regierenden Herrn [Johann II.] von der Situation Bericht zu erstatten [4] und sich die nötigen Vollmachten zu erbitten, den Landtag aufzulösen, wenn nicht heute noch in letzter Stunde eine Wahl der Reg.Räte möglich werden sollte. Dies ist nicht der Fall. Ich werde daher den fürstl. Auftrag vollziehen müssen. [5] Die Unmöglichkeit der Wahl der Reg.Räte ist erheblich genug, um gemäss Art. 48 der Verfassung zu diesem Beschlusse zu gelangen. Der Landtag ist durch die fortwährende Beschlussunfähigkeit in der Erfüllung einer verfassungsmässigen Pflicht behindert. Nach Art. 72 der Verfassung ist Ihnen vor der Auflösung noch Gelegenheit zur Wahl des Landesausschusses zu geben. Ich lade Sie ein, diese Wahl vorzunehmen.

[Emil] Battliner [Batliner]: Ich komme noch einmal auf die Reg.Rats-Wahl zurück.

Am Sonntage nach der Wahl [6] hat in meinem Hause eine Zusammenkunft stattgefunden. Wir haben beschlossen, Dr. [Ludwig] Marxer als Regierungsrat zu wählen und eine Abordnung – [Franz Josef] Marxer und mich – an die Regierung zu senden, wegen einer Besprechung mit der Mehrheit. Das ist geschehen. Wir geben unsere Wünsche wegen Reg.Rat und den anderen Kommissionen bekannt. Herr Reg.Chef sagte uns, er werde sich bemühen, dass die Besprechung mit der Mehrheit zustande komme. Diese hat stattgefunden. [7] Vorsitz führte [Josef] Gassner. Der Vorsitzende sagte, wir sollen erst dem Reg.Chef das Vertrauen aussprechen. Das war von uns zuviel verlangt. Jeder weiss, wir sind heute nur Partei-Abgeordnete. Die Regierung hat sich stark im Wahlkampfe betätigt. Die Regierung ist aus der Volkspartei heraus, es war uns Bürgerpartei unmöglich, der Regierung das Vertrauen auszusprechen.

Über den Punkt Reg.Ratwahl ist viel geschrieben und gesprochen worden. Wir haben unseren Kandidaten nicht bekommen. Da ist für uns jedes Recht abgeschnitten. Wir aber wollen den Mann, der uns passt, der Mann der Bürgerpartei, ein Studierter, mit Einsicht.

Wir sollen einen anderen wählen. Das giebt es nicht. Da können wir zuhause bleiben. Ich lese heute wieder in der Zeitung. Man muss sich vor dem Auslande schämen. Um einer Person willen solch ein politischer Skandal! [8] So lange Liechtenstein steht, ist so etwas noch nicht vorgekommen. Dass man sechs Abgeordneten ihr gutes Recht nicht giebt. Ich bezeichne das als einen Versuch zum Gewaltfrieden.

Wir haben die Hände zum Frieden geboten. Man ist nicht entgegengekommen. Sollte es heute zur Auflösung kommen, wir, die Minderheit, lehnen jede Verantwortung ab. Wir haben eine parlamentarische Regierung und man kommt uns nicht entgegen. Das ist Diktatfrieden.

Wir sind bereit zu arbeiten. Nur das Entgegenkommen hat gefehlt. Wir haben erklärt, wir gehen auf nichts ein – zuerst der Reg.Rat. Auf der nächsten Sitzung kam das Hausgesetz und die Klassenlotterie. [9] Die Lotterie war uns sehr peinlich, das fürstl. Hausgesetz weniger. Wenn wir nicht für die Lotterie eingetreten wären, wäre der Landtag in 8 Tagen aufgelöst gewesen. Es wäre ein besonderes Thema geworden. Die 6 Abgeordneten des Unterlandes nehmen die Verdienstmöglichkeit weg. Ich betrachte die Lotterie für uns als eine Falle, wie schon gesagt. Wir sind nicht hineingefallen. Man hat sogar Unterschriften gesammelt. [10] Mir kam vor, es war für die Mehrheit wie ein Blitz vom Himmel, dass wir auf die Lotterie eingetreten sind. [11]

In der letzten Sitzung kam die Seuchenbekämpfung. [12] Vorerst standen die Mitteilungen, die nach meiner Ansicht an den Schluss gehören. Wir haben beantragt, die Punkte Reg.Rat und Seuchenbekämpfung umzustellen. Wir wollten ja arbeiten, aber es wurde uns versagt. Bei der Abstimmung waren 6 für unseren Antrag und 6 für Beibehaltung der Tagesordnung. Der Präsident entschied dann für letzteres.

Das lässt tief blicken. Das heisst. Euch braucht man überhaupt nicht. Den Punkt Seuchenbekämpfung hätte können die Regierung in ihrer Kompetenz regeln. Die Regierung ist verpflichtet, für die Seuchenbekämpfung alles zu tun und im Nachhinein dem Landtag Bericht zu erstatten.

So musste es zur Auflösung kommen. Ich betone nochmals, wir lehnen jede Verantwortung ab. Lieber in Ehren untergehen, als in Unehren bleiben.

[Andreas] Vogt: Battliner hat vielerlei gesprochen. Er nennt sich Parteiabgeordneter. Wir sind Landes-Abgeordnete, für uns steht Wohl und Weh des Landes über der Partei. Dieser Skandal, diese Kommödie wird wegen einer Person aufgeführt. Ich glaube nicht, das alle so stimmen würden, wie sie stimmen, wenn sie nicht beeinflusst wären, sondern wenn sie nach ihrer freien Überzeugung stimmen würden.

Einer sagte: Ich dürfte nicht nach Schaan, ich würde Schläge bekommen. Das lässt tief blicken. Dieser Herr Abg. ist noch weiter gegangen. Es ist eine Kommödie ersten Ranges.

Der gleiche Battliner, der heute sprach, hat damals selber gesagt, es ist besser man nimmt die Lotterie voraus und dann die Rg.Rat-Wahl. Er und ich sind s.zt. zur Mitverhandlung in der Lotterie-Sache bestimmt worden.

Es ist bald gesagt: Wir lehnen jede Verantwortung ab. Dabei verlangt man und diktiert man.

Wir haben kein Vertrauen zu Eurem Kandidaten. Es geht gegen unsere Überzeugung und wäre Selbstmord. Ihr habt die freie Wahl, einen Mann aus Euch zu bestimmen, ein Mann, der mit der Regierung zusammenarbeitet, aber nicht Streit und Hader bringt. [13] Das muss verhütet werden. Das ist unsere Pflicht, im Interesse des Friedens des Landes.

Das Volk wird das Richtige treffen. Nicht jene, die die Partei über das Wohl des Landes stellen und nicht einige Grössen werden siegen, sondern die Vernunft. Der Sieg gehört der guten Sache, die vorwärts strebt.

Peter Büchel: Es kommt mir vor, als ob der Vorredner einiges missverstanden habe. Wenn Battliner gesagt hat, dass er sich als Partei Abg. fühlt, hat er das in guten Treuen gesagt. Er hat nicht gesagt, dass er sich nur als Partei-Abg. fühle. Ich muss feststellen, dass uns das Landesinteresse viel höher steht als das Parteiinteresse, vielleicht viel höher als bei gegnerischen Abgeordneten. Wir fühlen uns in erster Linie als Landes-Abg.

Wir haben unseren Reg.Rat-Kandidaten selber aufgestellt. Wir haben uns nicht mit Leib und Seele verschrieben, sondern in freier Wahl, als unser gutes Recht, den Mann gewählt. Wir haben mehrmals betont, dass wir die halbe Wählerschaft haben, wenn sich die Kraft gleichmässig auswirken würde, hätten wir die halben Vertreter. Durch den bestehenden Wahl-Modus ist es anders gekommen.

Ich muss widersprechen, was der Vorredner von der Wahl der Person sagt. Es handelt sich nicht um die Person. Es handelt sich darum, ob wir unser gutes Recht erhalten oder nicht. Vogt hat von einem Diktaturfrieden gesprochen. Wir haben das schon öfters richtig gestellt. Wir haben gesagt, dass wir die Verantwortung tragen, wenn wir unseren Kandidaten drin haben, sonst können wir sie nicht tragen, man soll uns also heute keine Verantwortung auflegen. Wahrscheinlich glaubt man, wir seien nicht fähig eine Verantwortung zu tragen. Die Zeit wird zeigen, wo die Fähigkeit liegt.

Wir sind auch noch heute bereit zu arbeiten, aber man will einfach nicht. Das Volk soll nun entscheiden.

Vogt hat gesagt, es wird zum rechten kommen. Ich glaube es auch. Wenn nur Volksparteileute kommen, haben wir keine Verantwortung mehr.

Vogt hat gesagt, ein Abg. der Bürgerpartei würde nicht mehr durch Schaan getrauen, so habe er gesagt. Das bin ich. [14] Damit ist nicht gesagt, dass ich mich fürchte, sondern damit wollte ich nur die Stimmung der Wähler festlegen. Nicht dass er glaubt, wir haben Verpflichtungen, wir haben uns niemand verpflichtet.

Es handelt sich nicht um Personen, es handelt sich um das gute Recht, um das Prinzip. Wir waren bereit zu arbeiten und sind auch heute noch bereit. Es ist mir unerklärlich, wie S. D. dazukommt, heute den Landtag aufzulösen. Es soll so recht sein. Das Volk soll entscheiden.

Battliner: Ich habe früher oft Gelegenheit mit der Regierung zu verkehren. Man sah nicht auf Personen. Mir fällt heute sehr auf. Warum Dr. Marxer nicht? Ich bin überzeugt, dass bei der Regierung alles stimmt, aber ich kann die Steifheit der Mehrheit in der Frage mir nicht erklären. Warum nicht der, wenn alles in Ordnung ist. Es ist heute die Meinung im Volke draussen: stimmt etwas nicht?

Marxer: Wir kennen keine Personenfrage, wir kennen nur die Frage des Prinzipes der Vertretung in der Regierung. Der Kandidat, den wir aufstellen. hat unser Vertrauen und der soll hinein.

Vogt: Battliner hat gesagt, warum wir den Dr. Marxer nicht drin haben wollen. Ich glaube, wir haben unter 4 Augen davon gesprochen und wollen den Schleier jetzt nicht lüften. Ich glaube, auch Battliner könnte aus reiner Überzeugung nicht für Dr. Marxer eintreten, das letzte Verhalten des Kandidaten war nicht angetan, dass er das Vertrauen der Volkspartei erhalten könnte. Der Herr soll sich anders bewähren. Vielleicht kommt dann das Vertrauen.

Es sei keine Personenfrage, sagt man. Aber wenn man sich nicht einigt, läuft man davon. Mit dem Davonlaufen kommt man nicht vorwärts. Besser ist, das Volk sendet neue Leute, die zusammenarbeiten. Das Land soll sich weiter nicht blossstellen mit Leuten, die davonlaufen.

Reg.Chef: Peter Büchel sagt, es sei ihm unerklärlich, wie Seine Durchlaucht dazu komme, den Landtag heute aufzulösen. Die Regierung hat den Antrag zur Auflösung gestellt. Die Auflösung erfolgt auf Grund Art. 48 der Verfassung.

Ich habe, wie Sie wissen, mich zur Frage der Reg.Ratswahl in den Verhandlungen im Konferenzzimmer und auch hier im Landtagssaale bisher nicht geäussert. Meine Worte heute haben deshalb auch nur den Karakter einer Mitteilung: In den gehabten 4 Landtagssitzungen konnte die Regierung nicht bestellt werden. Der Zustand ist verfassungswidrig. Seine Durchlaucht, der wir pflichtgemäss die Lage berichteten, hat uns beauftragt, in seinem Namen, falls die Wahl in letzter Stunde nicht zustande kommen sollte, den Landtag aufzulösen. Das Volk soll dann entscheiden.

Peter Büchel: Ich nehme die Ausführungen zur Kenntnis. Der Landesfürst konnte in dem Falle nichts anderes tun.

Warum aber der Herr Reg.Chef so ohne weiteres auf den Antrag gekommen ist, ist mir ein Rätsel. Der Herr Reg.Chef weiss, dass eine Eingabe an den Fürsten gemacht worden ist, man möchte uns zuerst hören und eventuell einen Prinzen zur Vermittlung hersenden. [15]

Herr Reg.Chef hat von der Eingabe gewusst: 1./ durch uns selbst, 2./ von Wien aus. Seine Durchlaucht wäre sehr wahrscheinlich geneigt gewesen, einen Prinzen zur Vermittlung zu senden, wenn nicht die Regierung ihre Ansicht in anderer Richtung geäussert hätte.

Wenn sich auch der H. Reg.Chef der Erörterung der Frage der Reg.Rats-Wahl ferne gehalten, so hat er doch in der Sache auf diese Weise eingegriffen. Das will ich nicht rügen, sondern nur feststellen. Wir wären noch zu Verhandlungen bereit gewesen, vielleicht hätte sich die Lage geklärt. Von einem Abstehen von Dr. Marxer könnte allerdings nicht die Rede sein. Man hätte das letzte Mittel versuchen müssen. Nun soll denn das Volk entscheiden.

Unser Kandidat muss unser Vertrauen haben und wir selber würden ihm zuerst das Misstrauen aussprechen, wenn er sich nicht bewähren sollte. Wir übernehmen die Verantwortung für ihn.

Battliner: Ist vielleicht das Schreiben aus Wien, das die Auflösung beauftragt, schon vor der letzten Sitzung eingelangt? Ich habe kein Datum gehört.

Reg.Chef: Es ist nach der Sitzung eingelangt.

Peter Büchel: Ich glaube das Datum v. 17. d.M. gehört zu haben.

Reg.Chef: Ja. Auf die Ausführung Peter Büchels zurückkommend: Sie haben gesagt, wie kommt der Reg.Chef dazu, nach Wien den Antrag zu stellen. Ich muss hier feststellen, dass die kollegiale Regierung das Telegramm beschlossen hat. Mir fällt auf, dass man die Verfassungsmässigkeit der Handlungen der Regierung in Frage zu stellen versucht. Nach den 4 ergebnislosen Landtagsitzungen war die Regierung nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet, den Antrag zu stellen.

Bezüglich der erwähnten Eingabe an den Fürsten. Ich habe längere Zeit nichts davon gewusst. Ich habe erst gelegentlich eines privaten Besuches bei einem Abgeordneten davon erfahren. Am nächsten Morgen kam ein Bericht darüber von der Kabinettskanzlei. [16] In einem Gasthause habe ich einmal gehört, es solle ein Prinz kommen. Der Regierung wurde aber offiziell keine Kenntnis gegeben, dass man nach Wien geschrieben habe.

Wozu soll ein Prinz kommen, wenn keine Möglichkeit einer Verständigung besteht?

Ich wäre in der Lage, mehr als einen von den Vertretern der Minderheit zu nennen, der mir sagte: Wir geben absolut nicht nach! Was soll ich da dem Fürsten anderes sagen? Dass er gerne eine Verständigung gehabt hätte, weiss ich auch.

Der Regierung enthält man das Vertrauen vor, und nun wollen Sie mir die jetzige Lage in die Schuhe schieben.

Sie sagen, Sie würden eventuell zu Verhandlungen bereit? Dazu ist es nicht zu spät, ich bitte alle Abgeordneten dringend den Weg der Verständigung zu suchen. Die Sitzung kann auf einige Stunden unterbrochen werden. Es soll ein Abgeordneter den Antrag stellen. Niemand liegt mehr an einer friedlichen Lösung als mir.

Etwas Persönliches: Ich habe mich damals aus dem Konferenzzimmer entfernt, als der Vorsitzende Gassner an die Minderheit die Frage stellte, ob sie mir das Vertrauen ausspreche. Sie konnte mir das nicht, also bin ich kaum der geeignete Mann zur Vermittlung.

Leider konnte die Regierung nichts anders tun, als was sie getan hat: den Antrag zur Landtagsauflösung zu stellen. Ich hätte gerne den Frieden gesehen.

Gegen Vorwürfe oder Verdächtigungen müsste ich mich ganz energisch wehren.

Wenn Sie glauben, es liesse sich noch in letzter Stunde die Lage retten, ich bin bereit sofort ein Telegramm nach Wien zu senden, dass die Auflösung heute noch nicht erfolgen soll. Ich richte an Sie alle den dringenden Appell der Verständigung.

Peter Büchel: Ich glaube, ich bin missverstanden worden. Ich habe ausdrücklich betont, dass wir von Dr. Marxer nicht lassen. Es liesse sich vielleicht eine andere Klärung finden. Wir haben im Konferenzzimmer betont, dass wir an unserem Herrn Reg.Chef nicht rütteln wollen, dass wir uns aber zu einer offiziellen Vertrauenskundgebung im Landtage nicht entschliessen können. Das sind zwei verschiedene Sachen.

Wir haben erklärt, dass wir mit der Regierung weiterarbeiten wollen, wenn man uns entgegenkommt. Ich bedauere, dass wir uns nicht zusammengefunden haben. Es kann das nur auf der Basis des Verständigungsfriedens sein. Wir waren immer bereit zu arbeiten, und deswegen kommt es mir kurios vor, dass der Landtag aufgelöst werden soll.

Wann soll die Neuwahl für den Landtag stattfinden?

Reg.Chef: Ich muss erst das Reg.Kollegium einberufen, wenn möglich heute noch. Voraussichtlich werden die Wahlen am Ostermontag sein.

Peter Büchel: Ich habe das schon vor 3 Wochen gehört. Ich bedauere dies sehr. Ich muss weiter gehen: Ich protestiere gegen die Wahlen in der Osterzeit. Wir sind ein katholisches Land. Ich ersuche die Regierung, einen andern Termin zu bestimmen, zumindest 14 Tage nach Ostern. Ich denke an die letzten Wahlen. Es käme mir wie ein Verbrechen vor.

Dr. Beck: Sie diskoutieren eine Frage, die nicht in unseren Kompetenzbereich gehört. Wir können der Regierung da keine Vorschriften machen.

Battliner: Ich schliesse mich vollkommen den Ausführungen Peter Büchel an.

Reg.Chef: Ich stehe auf dem Standpunkte der Verfassung. Sie haben nicht zu bestimmen, wann die Wahl ist. Sie wird ausgeschrieben und wird dann abgehalten. Ich werde Ihre Wünsche dem Kollegium vortragen, aber der Landtag kann da nicht diktieren.

[Baptist] Quaderer: Eine Bemerkung: Wenn man sich die Wahlpropaganda gemein, skandaleus, unanständig vorstellt entspricht sie allerdings nicht der Osterzeit. Es ist kein Schade, wenn die Wahl nicht so wird. Übrigens an Ostern haben gute Katholiken etwas vor: Das ist nicht dazu angetan, die Wahl ausgelassen zu machen. Ich habe nicht die geringsten Befürchtungen.

Battliner: Wenn man uns nicht diese Zusicherung giebt, wählen wir keinen Landes-Ausschuss.

Reg.Chef: Die Regierung hat nur die Verfassung anzuerkennen. Was Sie planen ist Sabotage der Verfassung. Es ist Sabotage im schlimmsten Sinne des Wortes. Das ist in Liechtenstein noch nicht gewesen.

Peter Büchel: Gegen die "Sabotage im schlimmsten Sinne des Wortes" erhebe ich Widerspruch. Pflichten gegen das Land können unter Umständen dazu bringen, die Wahl des Landesausschusses aufzuschieben. Die Wahl muss nicht heute sein. Ich glaube die anderen Abgeordneten sind meiner Meinung, dass die Wahl nicht in die Osterzeit fallen soll, dass man die Wahl des Landesausschusses auch später, nicht heute, vornehmen kann. Ich übernehme keine Verantwortung und verlasse den Saal, wenn es beim Ostermontag bleibt.

Reg.Chef: Verliesst das Auflösungsdekret.

Dr. Beck: Der Landtag ist verfassungsgemäss aufgelöst. Das andere ist Sache der Regierung. Allen Bürgern, auch den auswärtigen, soll Gelegenheit geboten sein, mitzuwählen. Alle zahlen Steuer.

Vogt: Unterstützt Dr. Beck.

Peter Büchel: Ich will die Bürger auch nicht um die Wahlgelegenheit bringen. Aber zu einer Wahl am Ostertage lasse ich mich nicht her. Der Ausschuss soll gewählt werden oder nicht. Ich verlasse eher den Saal.

Battliner: Der Reg.Chef hat so viel Kompetenz, uns das zusichern zu können. Ohne die Zusicherung wählen wir nicht den Ausschuss.

Vogt: Ich lege grossen Wert auf Ostern als Wahltag. Dadurch werden ca. 200 Bürgern mehr Gelegenheit zur Wahl gegeben. Sie zahlen auch Steuer.

Reg.Chef: Ich werde Nachm. dem Kollegium die Sache vortragen. Ich werde dagegen stimmen. Ich bin nicht in der Lage Ihnen eine Zusicherung zu geben. Die Bedenken in religiöser Hinsicht teile ich nicht. Ich entschlage mich jeder Verantwortung, wenn Sie den Landes-Ausschuss nicht wählen.

Die 6 Abgeordneten des Unterlandes beginnen sich zu entfernen.

Reg.Chef: Verliest das Auflösungsdekret: Gemäss Art. 48 und 50 der Verfassung beauftrage ich Sie, nachdem eine Regierungsratswahl im Landtage nicht möglich ist, den Landtag aufzulösen und Neuwahlen auszuschreiben. [17]

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[1] LI LA LTP 1926/063.
[2] LGBl. 1921 Nr. 15.
[3] LI LA LTP 1926/005; LI LA LTP 1926/015; LI LA LTP/1926/026; LI LA LTP 1926/048.
[4] Nicht aufgefunden.
[5] LI LA LTA 1926/S01/1, Handschreiben Johann II., 17.3.1926.
[6] Also wohl am 17.1.1926. Die Wahlen fanden am 10.1.1926 statt.
[7] Ein Protokoll dieser Besprechung existiert offenbar nicht.
[8] L.N., Nr. 23, 17.3.1926, S. 1 ("Friede – Ruhe und Schwäche").
[9] LI LA LTP 1926/014, Landtagssitzung vom 6.2.1926.
[10] Am 1.2.1926 hatten mehrere Hundert Bürger aus allen Unterländer Gemeinden eine Petition eingereicht, die den Landtag zur Genehmigung der Konzession der Klassenlotterie aufforderte (LI LA RE 1926/0576 ad 26).
[11] Der Landtag stimmte der Konzession für die Klassenlotterie am 11.2.1926 bei Stimmenthaltung von Peter Büchel einstimmig zu (LI LA LTP 1926/025).
[12] LI LA LTP 1926/048, Landtagssitzung vom 15.3.1926.
[13] Wohl eine Anspielung auf den Rechtsstreit zwischen der Regierung einerseits und Bernhard Risch, Hermann Walser, Ludwig Marxer und Josef Ospelt andererseits. Die Regierung hatte aufgrund eines Beitrags im "Volksblatt" (L.Vo., Nr. 104, 31.12.1925, S. 2f. ("Beantwortung der Interpellation des Abg. Peter Büchel")) und eines von Marxer und Ospelt verfassten Flugblatts Anklage erhoben (LI LA J 007/S 058/033; LI LA J 007/S 058/045).
[14] Büchel hatte in der nicht-öffentlichen Sitzung des Landtags vom 15.3.1926 gesagt: "Wenn wir nachgeben, bekommen wir schon in Schaan Wichse" (LI LA LTP 1926/052).
[15] Nicht aufgefunden.
[16] Nicht aufgefunden.
[17] Die Neuwahlen erfolgten am Ostermontag, 5.4.1926. Die parteipolitische Zusammensetzung des Landtags wurde in den Wahlen bestätigt: Die Volkspartei errang alle neun Mandate im Oberland, die Bürgerpartei alle sechs Mandate im Unterland.