Landesverweser Imhof informiert die fürstliche Hofkanzlei, dass sich der vormals in der Schweiz hospitalisierte Deutsche Wilhelm Russ der Rückstellung durch Flucht entzogen hat


Handschriftliches Konzeptschreiben von Landesverweser Leopold von Imhof an die fürstliche Hofkanzlei [1]

13.5.1918 

Hochlöbl. Hofkanzlei! 

Mit Beziehung auf den Erlass vom 25. April l.J., N 4709, [2] beehre ich mich Nachstehendes mitzuteilen. 

Am 28. November 1917 nachts meldete sich beim hiesigen Gefängniswärter ein gänzlich ausweis- und mittelloser Mann, welcher angab Wilhelm Russ zu heissen und aus Zürich, wo er als deutscher Zivilinternierter weilte, entwichen zu sein. Er habe des Nachts den Rhein durchschwommen. [3]

Die Anfrage bei der Polizeidirektion in Zürich ergab, dass dort tatsächlich ein deutscher Internierter dieses Namens auf welchen die mitgeteilte Personsbeschreibung passe, abgängig sei. [4] 

Die weitere h.a. [hieramtliche] Anfrage vom 3 Jänner l. J., Z. 4961 ex. 1917, ob, bei dem Umstande, als das Fürstentum den Vereinbarungen der Schweiz mit den kriegführenden Staaten hinsichtlich der Rückstellung entwichener Internierten nicht beigetreten sei, auf die Überstellung des Russ bestanden werde, blieb unbeantwortet. [5] 

Dem Russ wurde mittlerweile gestattet in Vaduz zu bleiben. 

Auf Grund des auf obigen Erlasse anher vermittelten Ersuchens der schweizerischen Bundesregierung wurde die Ausweisung des Wilhelm Russ und dessen Überstellung an das Polizeikommando in Buchs verfügt. [6] Der Genannte hat sich jedoch der Durchführung dieser Massnahme durch neuerliche heimliche Flucht entzogen. Dem Vernehmen nach soll er bereits nach Deutschland gekommen sein und sich nächster Zeit in Wiesbaden mit der preussischen Rittmeisterwitwe [Friederika] von Brand, welche er hier kennen lernte, verweilen. [7]

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[1] LI LA RE 1918/2093 ad 0392. Reingeschrieben von David Strub am 14.5.1918. Der kantonalen Polizei- und Polizeidirektion Zürich wurde von Landesverweser Leopold von Imhof ebenfalls mitgeteilt, dass sich Wilhelm Russ durch „heimliche Flucht" seiner Überstellung an das Polizeikommando in Buchs entzogen habe und sich in Wiesbaden aufhalten solle (ebd. Revers).
[2] Der Schweizer Bundesrat hatte bei der k.u.k. Gesandtschaft in Bern wegen der Rückstellung des in der Schweiz hospitalisierten Deutschen Wilhelm Russ interveniert. Von Seiten des k.u.k. Aussenministeriums war hierauf am 19.4.1918 eine diesbezügliche Anfrage an die fürstliche Hofkanzlei ergangen (LI LA RE 1918/1959 ad 0392 (Aktenzeichen 33171/1)). Dieses Ersuchen wurde dann der liechtensteinischen Regierung von Hofkanzleileiter Hermann von Hampe am 25.4.1918 zur „baldigen Berichterstattung" übermittelt (LI LA RE 1918/1959 ad 0392 (Aktenzeichen 4709)).
[3] Vgl. den polizeilichen Einlieferungsbericht betreffend Wilhelm Russ vom 29.11.1917. Russ hatte den Rhein unterhalb der Brücke bei Vaduz am Abend des 28.11.1917 durchschwommen (LI LA RE 1917/4648 (Aktenzeichen 82)).
[4] Vgl. die Anfrage von Landesverweser Imhof an die kantonale Justiz- und Polizeidirektion Zürich vom 1.12.1917, ob Russ dort abgängig sei und ob der Genannte seitens der schweizerischen Behörden wieder übernommen werde (LI LA RE 1917/4705 ad 4648). Vgl. ferner das Antwortschreiben von Oscar Wettstein von der Justiz- und Polizeidirektion an die liechtensteinische Regierung vom 15.12.1917, in welchem um die Zuführung des Russ an die schweizerische Grenzpolizeibehörde in Buchs ersucht wurde und zwar mit der Begründung, dass gemäss den mit den von der Schweiz abgeschlossenen Vereinbarungen mit den kriegführenden Staaten entwichene Internierte wieder in die Eidgenossenschaft zurückzuverbringen seien (LI LA RE 1917/4933 ad 4648 (Aktenzeichen 6552)).
[5] Vgl. das Konzeptschreiben von Landesverweser Imhof an die kantonale Justiz- und Polizeidirektion Zürich vom 3.1.1918 (LI LA RE 1917/4961 ad 4648 (Aktenzeichen 4255) Revers).
[6] Landesverweser Imhof verfügte am 4.5.1918 die Ausweisung des Russ aus Liechtenstein und dessen Überstellung an das Polizeikommando in Buchs. Zur Ordnung seiner Angelegenheiten in Vaduz wurde Russ eine Frist bis zum 8.5.1918, 9 Uhr vormittags, gesetzt. Landweibel Josef Strub wurde mit dem Vollzug dieser Massnahme beauftragt (LI LA RE 1918/1959 ad 0392 (Aktenzeichen 4709) Revers).
[7] Am 19.8.1918 orientierte Landesverweser Imhof die kantonale Justiz- und Polizeidirektion Zürich, dass Wilhelm Russ beabsichtige, nach Liechtenstein zurückzukehren, und erkundigte sich, ob dessen Rückbringung in die Schweiz noch gewünscht werde (LI LA RE 1918/3589 ad 0392). Russ kam bzw. blieb in der Folge in Liechtenstein. Vgl. die Mitteilung der Regierung an Wilhelm Russ vom 6.12.1918, wonach gegen den weiteren Aufenthalt in Schaan, kein Einwand erhoben werde, sofern die dortige Ortsvorstehung damit einverstanden sei (LI LA RE 1918/5238 ad 0392).